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Bedingungsloses Grundeinkommen: Ein plumpes Rechenbeispiel und das Problem der Finanzierbarkeit

FMW-Redaktion

Wir hatten gestern einen Artikel zum hochkontroversen Thema Bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) veröffentlicht. Neben einigen Kommentaren erhielten wir auch diverse Mails von Lesern. Deshalb möchten wir an dieser Stelle eine kurze und einfache Kalkulation durchführen, wie einen Finanzierung dieses Modells aussehen könnte. Natürlich erhebt dieses Modell keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder Richtigkeit – es soll als Grundlage für weitere Diskussionen mit den Lesern dienen. Lassen wir mal den ganzen VWL-Firlefanz bei Seite und rechnen ganz einfach.

Bedingungsloses Grundeinkommen 1

1.000 Euro als Bedingungsloses Grundeinkommen für ALLE Bürger pauschal stehen als runde Summe in Deutschland oft in der Diskussion. Daher wollen wir einfach mal davon ausgehen, dass Deutschland (wenn es denn eines Tages so weit kommen sollte) jedem Bürger im arbeitsfähigen Alter ohne Bedingung pro Monat 1.000 Euro auszahlt.

43 Mio Arbeitende + 3 Mio Arbeitslose = 46 Mio Personen x 1.000 Euro BGE X 12 Monate = 552 Milliarden Euro BGE-Kosten pro Jahr.

Der derzeitige Bundeshaushalt für 2016 beläuft sich auf 317 Milliarden Euro. 127 Milliarden Euro davon gehen in das Ressort „Arbeit & Soziales“, also bisher auch Hartz 4 ! Ganz simplifiziert und grob gerechnet stehen also bisherige Sozialausgaben von 127 Milliarden Euro zur Verfügung, woraus zukünftig bei 1.000 Euro pauschales BGE 552 Milliarden Euro pro Jahr werden würden. Das ist das 4,3 fache. Sicher, durch dieses mehr vorhandene Geld im Umlauf würde mehr konsumiert, mehr Güter nachgefragt und produziert, wodurch das direkte und indirekte Steueraufkommen drastisch steigen würde. Aber würde es um 425 Milliarden Euro pro Jahr steigen? Wohl nicht mal ansatzweise! 425 Milliarden Euro ist nämlich die Differenz zwischen dem aktuellen Sozial-Etat und den oben vorgerechneten zukünftigen BGE-Kosten. Selbst der klügste Ökonom kann nicht durchkalkulieren, wie viele Steuermehreinnahmen durch das zusätzliche BGE-Geld für den Staat entstehen. Nehmen wir mal an die Steuern steigen um 100 Milliarden Euro. Wie treibt der Staat die fehlenden 325 Milliarden Euro ein? Richtig, er müsste die Steuern drastisch erhöhen. Holt er sie ganz einfach nur von den Spitzenverdienern? Dann müsste der Spitzensteuersatz wohl deutlich über 50% steigen. Aber dazu gleich mehr.

Verdient ein Niedriglohnempfänger bisher z.B. nur 900 Euro Netto im Monat, würde er mit BGE auf 1.900 Euro Netto kommen. Eine tolle Sache. Um das BGE zu finanzieren, müssten aber alle Steuerzahler drastische Steuererhöhungen in Kauf nehmen. Nehmen wir mal an dieser Geringverdiener würde mit mtl. 500 Euro zusätzlich belastet, dann hätte er mit 1.400 Euro Netto immer noch 500 Euro mehr als vorher. Tun wir einfach mal so als würde der Staat von den 43 Mio arbeitenden Menschen in Deutschland die 20 Mio mit den geringsten Einkommen mit „nur“ 500 Euro pro Monat mehr belasten um das BGE zu finanzieren. Das wären hochgerechnet 120 Milliarden Euro im Jahr. Aber eine Regierung, die das BGE einführt, würde den Geringverdienern wohl kaum die Hälfte des BGE´s durch Steuern gleich wieder wegnehmen.

Die mittleren oder wohl eher die oberen Einkommensgruppen müssten folglich den Großteil der BGE-Mehrkosten (200, 250 oder vielleicht 300 Milliarden Euro?) schultern mit drastisch steigenden Steuern. Folglich würde das BGE letztlich zu großen Teilen durch die Besserverdiener bezahlt – es würde sich somit letztlich gesehen um eine drastische Steuererhöhung für Spitzenverdiener handeln. Eigentlich doch genau das, was Linke, Grüne und Sozialdemokraten schon lange fordern.

Nur gibt es da in der Praxis einige Probleme: Belgien grenzt direkt an NRW, und die Schweiz + Österreich südlich an Baden-Württemberg und Bayern. Wenn Sie gutes Geld verdienen, und sollen zukünftig 60, 65 oder 70% ihres Einkommens als Einkommensteuer zahlen, wäre das für Sie noch eine gerechte bzw. erträgliche Relation? Würde ein Top-Verdiener z.B. aus München seinen Wohnsitz nicht kurz hinter die Grenze verlegen? Falls es so mancher vergessen hat: Zahlreiche vom deutschen Publikum hochbejubelte TV-Stars haben in den letzten Jahrzehnten schon ihren Wohnsitz von NRW direkt hinter die Grenze nach Belgien verlegt und pendeln täglich die paar Kilometer nach Köln. Somit fehlen deren Gelder um in Deutschland Lehrer und Polizisten zu bezahlen. Diese Entwicklung dürfte sich bei explodierenden Steuersätzen für Spitzenverdiener beschleunigen, und letztlich hätte der Staat auf der Einnahmeseite ein riesiges Problem.

Aber nimmt man an, dass diese Sorge vor Steuerflucht nur reine Einbildung ist, bleibt noch das rechtliche Problem. Das Bundesverfassungsgericht hatte im Jahr 2006 geurteilt, dass die Einkommens- und Gewerbesteuerlast mehr als die Hälfte der Erträge eines Steuerpflichtigen umfassen darf. Aus dem Eigentumsgrundrecht ließe sich keine allgemein verbindliche absolute Obergrenze von z.B. 50% Maximalsteuerlast ableiten. Vorher gab es beim obersten deutschen Gericht aber andere grundsätzliche Ansichten. Und das kann sich jederzeit wieder ändern bei Neubesetzungen des Gerichts. Auch wenn dies nicht passiert: Kann ein Bundesverfassungsgericht noch von einer gesunden Relation von Steuerbelastung und verbleibendem Nachsteuereinkommen sprechen, wenn dem Steuerbürger noch 30% übrig bleiben? Es wäre mehr als zweifelhaft, dass eine solche Einkommensteuerbelastung gerichtlich Bestand haben sollte. Aber das ist alles Zukunftsmusik.

Langfristig könnte wie gestern beschrieben eine neue Arbeitswelt mit zu wenig Arbeitsplatzangebot für zu viele Menschen dazu führen, dass sich die Gesellschaft auf irgendeine neue Art der Grundfinanzierung des Lebensunterhalts einigen muss.




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9 Kommentare

  1. Sozialismus hat noch nie funktioniert: weder finanziell noch gesellschaftlich.

  2. Das könnte funktionieren. (Nicht ganz ernst gemeint, aber interessant drüber nachzudenken. Vor allem, wenn man nicht damit ausgelastet ist für 50 Millionen + GR une Flüchtlinge das Geld zu erarbeiten)
    Stichwort Georg Schramm und sozialverträgliches Frühableben.

    Viel Vergnügen

  3. Die Subventionen für Wirtschaft und Rüstung wären auch sehr hilfreich.

    Gegrüßt

  4. In geradezu feiger Weise umgeht der hier gemachte Vorschlag die Besteuerung der industriellen Firmen (Hersteller und Dienstleister). Ein „Olaf Henkel“ könnte diesen Vorschlag in einen dieser unsäglichen Talkshows gemacht haben!
    Aber der Fortschritt in der Automation wird doch gerade von der Industrie genutzt! Und es ist doch gerade dieser technologische Fortschritt, der zu höheren Profiten (und mehr Entlassungen) führt. Deswegen muß eine höhere Besteuerung muß doch auch gerade dort, bei der Industrie – Hersteller und Dienstleister (z. B. Banken) – ansetzen, und nicht bei ‚besserverdienenden‘ Bürgern!
    Hinzukommt, daß der technologische Fortschritt eine Leistung der staatlichen Gemeinschaft aller Bürger ist – und nicht der von Korporationen und stinkreichen (zumeist. ausländischen) Oligarchen, die diesen nutzen und die nach Vorschlag des Autors insoweit steuerliche völlig frei gestellt werden sollen. Warum will der Auto („FMW-Redaktion“) die Industrie nicht nur nicht steuerlich heranziehen, sondern ihr sogar noch die wirtschaftlichen Vorteile des laufenden technologischen Fortschritts (der allein eine gesellschaftliche Leistung seit vielen tausend Jahren ist – und uns Bürgern gehört!) völlig steuerfrei schenken??!!

    In meinem Gegenvorschlag „Welche Staatswirtschaft? (pdf-Datei: http://www.imagenetz.de/fc006578c/Welche-Staatswirtschaft_2.2.pdf.html ) hatte ich ausgeführt:
    4.4) Das ‚ABSCHÖPFEN‘ des dem Staat gehörenden technologischen Fortschritts
    4.4.1)… würde über eine „Marktnutzungssteuer“ erfolgen. Diese würde die unsinnige Mehrwertsteuer (warum soll die Schaffung eines „Mehrwertes“ steuerlich bestraft werden?) ersetzen und darauf abstellen, daß ein Verkäufer den nationalen (oder transnationalen -EWG) Markt für den Verkauf nutzen will. Ganz ähnlich wie man auch auf dem Wochenmarkt seine Stand erst aufbauen darf, wenn man die „Marktgebühr“ bezahlt hat. Da der Markt den Bürgern gehört, haben sie auch das Recht (durch ihren Staat) eine Vergütung einzuholen.
    … Dafür würde aber das Geld an die Bürger verteilt werden und sie hätten trotz der höheren Preise sogar deutlich mehr Geld übrig als heutzutage. Etwa so ähnlich wie im Schweden Olof Palmes: Die Schweden zahlten zwar erheblich höhere Steuern als alle anderen Europäer. Dennoch blieb ihnen nach den Steuern mehr im Portemonnaie zurück als allen anderen Europäern
    „.

    Auch löst der Autor („FMW-Redaktion“) das Problem nicht, daß „Starbucks“ die deutsche Steuerkasse umgeht, indem es in Luxemburg (niedrigst) versteuert. „Ikea“ versteuert (niedrigst) in den Niederlanden. Andere verlegen ihren Firmensitz nach Irland, um (fast) keine Steuer zu zahlen. ABER IHRE GESCHÄFTE MACHEN SIE HIER!
    Mit der „Marktnutzungsabgabe“ bekäme man das in den Griff: Da wo der „Markt“ genutzt wird, ist auch die Steuer zu zahlen, und fertig!

    Der Vorschlag des Autors („FMW-Redaktion“) verkennt auch, daß wir Bedarf an unzähligen Arbeitkräften haben. Arbeitskräfte, die eben nicht nur für lau ein BGE bekommen, sondern die auch arbeiten sollen. Es sind dies die Arbeitplätze, die unsere Regierungen bisher gnadenlos weggestrichen haben, weil „gespart“ werden müsse:
    1.) Wir brauchen für unsere Schulen eine riesige Zahl an weiteren, neuen Lehrern. Denn an unseren Schulen sieht es fürchterlich aus, weil schon seit Jahren ein Unzahl an Unterrichtsstunden wegen Mangels an Lehrern ausfällt (höre u. a. auch dazu Volker Pispers auf https://www.youtube.com/watch?v=WqW0sfm0Dbg ).
    2.) Wir brauchen viel mehr Hochschullehrer,
    3.) Wir brauchen unendlich viel mehr Polizisten, Geschäftstellenmitarbeiter in der Justiz, viel mehr (anständig bezahlte) Krankenpfleger, mehr Schuldnerberater, mehr Sozialarbeiter usw.

    Um es noch einmal ganz deutlich zu sagen: Der vom Autor gemachte Vorschlag, der die geldscheffelnden Großkonzerne, Banken, Versicherungen, Oligarchen steuerlich praktisch völlig verschonen will, ist mir sehr verdächtig. OLAF HENNKEL – SIND SIE DAS?? Hauen Sie endlich ab!

    1. Es gibt doch ein ganz einfaches MIttel, die nötigen Gelder aufzutreiben. Das haben Volker Pispers und Hagen Rether schon mehrfach erwähnt:
      Eine Finanztransaktionssteuer. Diese würde, weltweit umgesetzt, der Welt einen ordentlichen Schub an finanzieller Liquidität bringen. Von jeder Finanztransaktion (Überweisung, Aktienkauf bzw Verkauf, … usw) je 0,001Euro an den jeweiligen Staat überwiesen, in dem sie ausgeführt wird. Ich hab leider keine Zahlen, wieviele Transaktionen das sind pro Tag, aber übers Jahr sollte da schon eine erklägliche Summe zusammen kommen.

  5. Ich hatte ja in einem Kommentar zu einem vorherigen Beitrag zu einem BGE schon gepostet, dass es ein Grundeinkommen schon gibt in Deutschland, nämlich Hartz IV.
    Es ist aber richtig, es handelt sich nämlich nicht um ein bedingungsloses Grundeinkommen, einige Bedingungen sind zu erfüllen. Diese sind aber teilweise so gering oder werden nicht (richtig) durchgesetzt, dass es meiner Meinung nach durchaus wieder bedingungslos genannt werden kann.

    Außerdem möchte ich noch etwas hinzufügen.
    Auch hier auf FMW wurde ein Beitrag von der Schere zwischen arm und reich gepostet, die immer weiter auseinander geht. Ich will jetzt nicht behaupten, dass ein BGE dem entgegenwirken würde oder könnte. Es ist aber durchaus zu überlegen, ob eine höhere Besteuerung der Reichen (Einzelpersonen, Firmen, mir egal) früher oder später nicht sein muss, damit der soziale Frieden gewahrt bleibt.

  6. Helmut Josef Weber

    Wenn ca. 85% der Deutschen die Parteien wählen, die dafür gesorgt haben, dass ein Deutscher Rentner, der 45 Jahre im Schnitt 2.000,00 Euro im Monat verdient hat (etwa 40% der Bevölkerung) nur noch eine Rente erhält, die unter der Grundsicherung liegt, dann kann ich nur noch sagen: Selber schuld.
    Ich denke, zu ändern wäre etwas in Deutschland, wenn jeder Deutsche, der zur Wahl gehen möchte, nachweisen muss, dass er den Test bestanden hat, den ein Ausländer bestehen muss, wenn er Deutscher werden will.
    Aber das werden die Politiker, die den Menschen in Deutschland immer mehr den Hals abwürgen, niemals zulassen.
    Nach 4 Jahren der Zwangsberieselung durch das Regierungsfernsehen, ab zur Wahl.
    Dort kann der berieselte Bürger seine Stimme dann im wahrsten Sinne des Wortes „abgeben“ und sie verschwindet in einer „Urne“.
    Danach bestimmen die Anderen über die Menschen ohne Stimme.

    Viele Grüße
    H. J. Weber

  7. Ich habe einen anderen Vorschlag. Statt über eine Finanzierung zu sprechen, fragen Sie doch mal in welcher Welt die Menschen leben wollen und ob die Güter welche über ein Grundeinkommen verfügbar gemacht werden nicht ohnehin bereits vorhanden sind.

    Dann können wir darüber sprechen, wie wir den Zugang regeln wollen. Soll der Zugang dadurch geregelt legitimiert werden, dass jemand mindesten 40h pro Woche irgendetwas macht, dabei Ressourcen verbraucht und die Umwelt schädigt, um am Monatsende ein paar Zahlen auf ein Konto zu bekommen, damit er dann Lebensmittel, Kleidung, Wohnung und andere Dinge bezahlen kann?

    Ich sehe es sehr pragmatisch und verfolge die Idee eines freiwilligen Grundeinkommens unter Verwendung einer Komplementärwährung. Wer gerne mehr darüber wissen möchte, findet meine Vorträge unter den Suchworten Credere und Grundeinkommen.

  8. Immer wieder super zu lesen:

    Alle schreien (nebst FMW-Redaktion): „…es muss sich was ändern…“

    Ändert sich dann etwas bzw. kommen diskussionsfähige Themen auf den Tisch, dann:

    Schreien Alle: „…Weltuntergang…crash…wie soll das gehen…blabla…blabla….blabla…Tesla ist doof…“

    Am Ende stehen wir dann Alle wieder dort, wo wir angefangen haben. Am Anfang. Ist das nicht eine wunderbare Welt, wo ein lösbares Problem mit einer nicht lösbaren Antwort vom Tisch gefegt wird, um einem anderen lösbaren Problem Platz zu machen?

    Ach übrigens, derzeit behebt Microsoft auf meinem Rechner ein Problem, welches nicht gelöst werden konnte, und mir nun eine Problemlösung per Link anbietet, wo dieses Problem natürlich nicht gelöst, aber zumindest besprochen wird. Schließlich soll ich ja nicht doof sterben. Die haben´s verstanden :-) :-) :-)

    Problematische Grüße

    Dieter

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