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3 in 1: Medienkritik, Politik-Kritik und ein schlecht verstecktes Eigenlob

Leute Leute Leute, hättet ihr die letzten zwei Jahre nicht einfach mal finanzmarktwelt.de lesen können? Da hättet ihr euch alle eine ganze Menge Nachfragerei erspart. Die Grünen hatten bei der Bundesregierung eine...

FMW-Redaktion

Leute Leute Leute, hättet ihr die letzten zwei Jahre nicht einfach mal finanzmarktwelt.de lesen können? Da hättet ihr euch alle eine ganze Menge Nachfragerei erspart. Die Grünen hatten bei der Bundesregierung eine Anfrage wegen Langzeitarbeitslosen ab dem Alter von 58 Jahren gestellt. Das „überraschende“ Resultat laut Rheinischer Post (RP): 162.000 Personen fallen in diese Kategorie, und die werden allesamt nicht mehr als offiziell arbeitslos gezählt, obwohl sie es ja sind. Der Grund: Ihre Vermittlungschancen sind offiziell so gering, dass sie nicht mehr dem Arbeitsmarkt zugerechnet werden. Bizarr, aber wahr.

Aber Moment, warum diese überraschende Meldung? Darüber hat dieses gewisse Portal namens finanzmarktwelt.de seit zwei Jahren doch schon diverse Male berichtet. Im Zuge unserer monatlichen „Bundesagentur für Arbeit“-Rants (Rant = Neudeutsch für „Schimpfen) haben wir auch dieses Thema mehrfach angesprochen und uns immer wieder gewundert, warum sich sonst niemand für dieses brisante Detail zu interessieren scheint.

Da darf man sich zum Beispiel fragen, warum die eigentlich doch stets gut informierten Grünen (das war keine Satire) eine Anfrage stellen müssen um dieses Detail zu erfahren. Denn die Bundesagentur für Arbeit wie auch das Bundesarbeitsministerium machen aus dieser Statistik-Schummelei (nett formuliert) gar kein Geheimnis. Sie ist nachzulesen im monatlich veröffentlichten Bericht der Agentur, im Sozialgesetzbuch, oder eben auf finanzmarktwelt.de

Nachzulesen zum Beispiel hier im Januar oder hier im Juli 2015.

Wie auch immer: Nach der sensationellen Veröffentlichung der RP sprangen am Wochenende auch die Zeit und n-tv auf und berichteten ebenfalls über diese sensationell neue Erkenntnis. Wir müssen zugeben, dieser Artikel ist ein verdammt schlecht verstecktes Eigenlob. Aber sei es drum. Wer es nicht glaubt, dass diese Schummelei höchst offiziell so präsentiert wird, hier der Wortlaut aus dem § 53a Abs. 2 Sozialgesetzbuch II:

„Erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die nach Vollendung des 58. Lebensjahres mindestens für die Dauer von zwölf Monaten Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende bezogen haben, ohne dass ihnen eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung angeboten worden ist, gelten nach Ablauf dieses Zeitraums für die Dauer des jeweiligen Leistungsbezugs nicht als arbeitslos.“

Wer es immer noch nicht glauben will: Hier der Link zur offiziellen Veröffentlichung.

Es scheint wohl bloß (fast niemand) die Statistiken im Detail zu lesen. Auf Seite 74 des jeden Monat veröffentlichten Berichts der Bundesagentur für Arbeit (Grafik) hätte man schon vor einem oder zwei oder drei Jahren nachlesen können, dass diese Herausrechnung konstant vorgenommen und auch veröffentlicht wird. Nur wird sie eben nicht in der Headline-Info erwähnt, die dann auch Abends in der Tagesschau zu sehen ist. Aber es ist natürlich mühevoll solche Statistiken zu wälzen, ist ja schon gut… hier der Auszug aus Seite 74. Dort lag für Februar die Zahl bei 159.484 betroffenen älteren Langzeitarbeitslosen. Die Zahl, die die Grünen wohl aktuell erhalten haben mit 162.000, ist wohl eine aktuelle Zahl aus dem laufenden Monat März.


Zum Vergrößern bitte anklicken.

Brigitte Pothmer von den Grünen forderte jetzt am Wochenende gegenüber der RP aufgrund dieser Manipulation, dass Arbeitsministerin Nahles diese Herausrechnung älterer Arbeitslose aus der Statistik abschaffen solle. Denn profitieren von der niedrigeren Zahl tue nur Nahles selbst mit zweifelhaften Erfolgen bei der Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit. Wir meinen: Frau Pothmer, hätten Sie doch schon längst mal finanzmarktwelt.de gelesen, dann hätten Sie diese Forderung schon viel früher stellen können – ganz ohne Anfrage an die Bundesregierung! So, jetzt ist aber auch mal langsam gut mit dem schlecht versteckten Eigenlob.





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3 Kommentare

  1. Da gibts von mir noch ein dickes „Fremdlob“ dazu für eure unermüdliche ausgezeichnete Berichterstattung über das Thema.

  2. Zunächst möchte ich Ihrem Eigenlob ein Fremdlob hinzufügen, weil Sie tatsächlich zu den wenigen gehören, die diese Zahlenspielerei immer wieder thematisiert haben.
    Allerdings glaube ich nicht, dass die korrekten, umfassenden Zahlen keiner kannte – die haben bloß keinen interessiert. Schließlich waren ja auch die Grünen eifrig damit beschäftigt, den großartigen Erfolg ihrer mitverantworteten Agenda 2010 zu feiern.
    Und jetzt ist plötzlich Wahlkampf und diese unzuverlässigen Sozen stellen tatsächlich einen zumindest rhetorisch täuschend echten Sozialdemokraten als Spitzenkandidaten auf – da müseen halt auch die Grünen was tun….

  3. Genau aus diesen Gründen lese ich diese Seite so gerne. Hier werden nicht nur die Headlines überflogen, nein, hier geht es auch ins Detail.
    Macht bitte weiter so!
    Wie man sieht kann man von euch noch viel lernen.

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