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Große Vernichtung: 3,6 Billionen Dollar Marktkapitalisierung futsch – 318 Jahre EU-Beitrag für UK

Insgesamt sind bis Stand gestern Börsenschluss USA 3,6 Billionen (!) Dollar an Marktkapitalisierung vernichtet worden - oder haben diese 3,6 Billionen jetzt nur andere?

Von Markus Fugmann

Wäre es nicht so dramatisch, wäre es ungeheuer witzig: nein, nicht das glorreiche Ausscheiden der Briten gegen Island, das eine Demonstration war, wie man sich schnell und kompromisslos von Europa verabschieden kann. Nein, es geht um den weltweiten Verlust von Wohlstand, zumindest für diejenigen, die über Aktien etc. an diesem Wohlstand teilhaben.

Insgesamt sind bis Stand gestern Börsenschluss USA 3,6 Billionen (!) Dollar an Marktkapitalisierung vernichtet worden – oder haben diese 3,6 Billionen jetzt nur andere? Eher nicht, es handelt sich vorwiegend um Aktien-Anteile, da gilt anders als etwas beim Future-Handel nicht das Prinzip „der Verlust des einen ist der Gewinn des anderen“.

Insgesamt haben sich seit Freitag bislang als diese 3,6 Billionen Dollar in Luft aufgelöst – das entspräche dem Netto-Beitrag Großbritanniens für die EU für die nächsten 318 Jahre! Wäre es da nicht sinnvoller gewesen, die Rest-Welt hätte den Briten diese 3,6 Billionen geschenkt – und wir hätten dann für die nächsten 318 Jahre Ruhe gehabt vor den austrittswilligen Briten?

Aber manchmal geht die Geschichte ja krumme Wege. Und so ist es nur die Fortsetzung der Ironie mit anderen Mitteln, dass vor allem einige jener superreichen britischen Herrschaften, die sich besonders für den Brexit engagiert hatten, auch zu den größten monetären Verlierern dieses Brexits gehören. Shit happen´s, wie man in Kreisen der britischen Oberschicht zu formulieren pflegt. Und vor allem kam das so furchtbar unerwartet – konnte doch wirklich niemand damit rechnen, dass die Märkte auf Tauchstation gehen würden, wenn das geneigte britische Volk den Eintritt zum Austritt wählt, oder?

Und da ist der Fall des Mit-Gründers des britischen Brokers Hargreaves Lansdown, Peter Hargreaves, besonders amüsant. Er hatte 3,2 Millionen Pfund (ja, das war damals noch recht viel Geld!) für die Leave-Kampagne gespendet – mit durchschlagendem Erfolg. Denn aus seinem Investment resultierte dann ein persönlicher Wohlstandsverlust von mehr als 500 Millionen Pfund (Stand Freitag Abend – inzwischen wohl noch etwas mehr). Und das beweist, dass man mit einem Einsatz von nur 3,2 Millionen Pfund wirklich über 500 Millionen Pfund verlieren kann.

Nun gut, in Dollar oder selbst in Euro gerechnet (und gegenüber allen anderen Währungen dieser Welt, sogar der ukrainischen Hrywnia!) wird der Verlust von Peter Hargreaves perspektivisch immer kleiner wegen des boomenden Pfunds. Und das ist sicher ein sehr guter Trost. Hargreaves übrigens sagte, er bereue nichts – und diente sich der britische Regierung an mit folgenden Worten:

“I have enormous experience of business, enormous experience of negotiation, enormous experience of economics, and I’m one of Britain’s most successful businessmen. If they don’t involve me, they’re crazy.”

Großartiger Typ. Als Geschäftsmann jedoch, nun ja, typisch britisch skurril.

Aber nun zu den wirklich wichtigen Dingen: was uns wirklich ernste Sorgen bereitet ist, dass die Briten gestern gegen die Isländer nicht einmal durch ein verlorenes Elfmeterschießen ausgeschieden sind. Das zeigt, dass die Briten Stück für Stück ihren eigentlichen Volkscharakter zu verlieren scheinen. Zeit, dass nun Peter Hargreaves neuer Premierminister wird!



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6 Kommentare

  1. Ich denke mal, dass die nicht futsch sind sondern, dass die tasächlich nur umverteilt wurden.

    Beispiel: Am 23.6. wechselt die Commerzbank Aktie zu 7Euronen den Besitzer.
    Am 24.6. kauft der Erstbesitzer die Aktie bei 6 Euro wieder zurück.

    Ergebnis: Der Erstbesitzer hat am 24.6. seine Aktie (Wert 6Euro) wieder im Depot plus 1Euro auf dem Konto. Vermögenswert insgesamt 7 Euro. Genauso wie am 23.6.

    1. Die Aktien der Besitzer, die NICHT verkauft haben, sind nun aber ebenso um einen 1 EUR preiswerter. Wohin sind deren 1 EUR pro Aktie denn hingewandert?

    2. Das werden die wenigsten gemacht haben. Die meisten sitzen auf schmerzhaften Verlusten.
      Aber auch ich habe Zweifel, ob die Aussage „es handelt sich vorwiegend um Aktien-Anteile, da gilt anders als etwas beim Future-Handel nicht das Prinzip „der Verlust des einen ist der Gewinn des anderen“, so richtig ist. Da wird doch die Existenz von Leerverkäufen und Derivaten ausgeblendet. Soros soll für 100 Mio. DB leer verkauft haben. Irgendjemand hat die gekauft, sitzt auf Verlusten und Soros hat sich inzwischen eingedeckt (erklärt vielleicht den heutigen Kursanstieg) und hat die Gewinne.

  2. Das Geld ist ja nicht weg, es hat eben nur ein anderer.

  3. Und ich habe noch auf die Dilettanten von der Insel gewettet. Deutschland, Frankreich, Wales, alle haben gewonnen und dann das vermeintlich sicherste Spiel, und diese unfähigen Arschländer versauen mir meinen Wettschein. Auch wenn es sehr ärgerlich ist, wenigstens sind die Beträge bei Sportwetten nur Peanuts im Vergleich zu meinen Börsenbeträgen, also Cable, das muss jetzt wieder reingeholt werden.

  4. Nachtrag zu meinem eigenen Beitrag:

    Die „Logik“ in meinem Beispiel erscheint mir tatsächlich nicht ganz zu stimmen.
    Zwar hat der Erstbesitzer der Commerzbankaktie am 24.6. den selben Vermögenswert wie am 23.6. Der Käufer vom 23.6. hat aber jetzt in der Tat 1 Euro weniger.

    Die Geschichte lässt sich anscheinend nur damit erklären, dass in der Tat ein in den Büchern stehender Vermögenswert vernichtet wurde. Dieser Wert wurde in den Tagen davor aber auch nur künstlich aus dem Nichts heraus „geschaffen“. Bei steigenden Kursen spricht man allerdings nicht davon, dass die Welt an einem Tag um Billionen reicher geworden sei.

    Ganz grob gesagt sollten eigentlich die abgezinsten zukünftigen Gewinne der Unternehmen ein Maßstab für die Gesamtbewertung der Aktienindizes sein.
    Fallen die Gewinne aufgrund des Brexit in den nächsten Jahren wirklich geringer aus, sind die Unternehmen natürlich weniger wert und dieser Ertrags-Wert ist futsch.

    Die Frage bleibt, ob die „Bewertung“ am 23.6. „richtig“ war oder ob sie es heute ist. Oder war sie am 23.6. schon zu hoch und heute erst recht? Oder war sie am 23.6. viel, viel zu niedrig und ist deshalb heute auch unter Berücksichtigung von Minderträgen immer noch zu niedrig?

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