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EU-Kommission äußerst optimistisch für Konjunktur – Flunkern bei der Inflation zur Unterstützung der EZB?

Die EU-Kommission heute ihre Winterprognose vorgelegt, in der von Inflation über Wirtschaftswachstum bis hin zur Arbeitslosigkeit so ziemlich alles zur Sprache kommt. An dieser Stelle möchten wir auf die wichtigsten Aspekte...

FMW-Redaktion

Die EU-Kommission heute ihre Winterprognose vorgelegt, in der von Inflation über Wirtschaftswachstum bis hin zur Arbeitslosigkeit so ziemlich alles zur Sprache kommt. An dieser Stelle möchten wir auf die wichtigsten Aspekte eingehen. Statt wie im Herbst bisher von einem Wirtschaftswachstum von 1,5% für 2017 in der Eurozone auszugehen, rechnet man jetzt mit einem Plus von 1,6%. Für 2018 erhöht man seine Prognose von 1,7% auf 1,8%. Man spricht von einem robusten Jahresbeginn 2017. Die Staatsverschuldung der Eurozone soll in Relation bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt von 91,5% in 2016 auf 90,4% in 2017 sinken, 2018 auf 89,2%.


Foto: © European Union , 2016

Inflation

Beim Thema Inflation könnte man fast annehmen, dass die EU-Kommission der EZB eine Art moralische Unterstützung zukommen lässt. Denn die EZB pumpt weiter kräftig Geld und lässt den Zins im Negativbereich, obwohl die Inflation das Inflationsziel von knapp unter 2% schon erreicht hat. Wie wir in den letzten Tagen schon berichteten, beharrt die EZB jetzt darauf, dass die Gesamtinflation ohne Energiepreise ja noch nicht so richtig strukturell beim Inflationsziel angekommen ist, und man von daher noch weiter Geld pumpen muss.

Das dürfte natürlich der EU-Kommission mehr als gelegen kommen, dass die EZB als unerschöpflicher Gelddruck-Automat weiter die Konjunktur in Europa anschiebt, ohne dass es irgendwer offiziell so nennen darf (offiziell ist das alles nur „Geldpolitik“). Daher verkündet die EU-Kommission heute zu dem Thema, dass man es ähnlich sieht wie die EZB. Abseits der „volatilen“ Energiepreise sei die Kerninflation noch lange nicht so weit, und würde nur langsam ansteigen. Tja, die Energiepreise sind also neuerdings kein zentraler Bestandteil der Inflation mehr? Wie praktisch… Zitat EU-Kommission:

Inflation dürfte ansteigen
Mit dem jüngsten Anstieg der Energiepreise hat auch die Inflation im Eurogebiet angezogen. Nachdem die Inflation in den vergangenen zwei Jahren ausgesprochen niedrig war, wird nun für das laufende und das kommende Jahr ein Inflationsanstieg prognostiziert, wenngleich das als Preisstabilität definiert Ziel einer Inflation von „mittelfristig unter, aber nahe 2 %“ auch weiterhin nicht erreicht wird. Die Kerninflation, bei der die volatilen Energie- und Nahrungsmittelpreise unberücksichtigt bleiben, soll nur allmählich ansteigen. Alles in allem wird erwartet, dass sich die Inflation im Eurogebiet von 0,2 % im Jahr 2016 auf 1,7 % im Jahr 2017 und 1,4 % im Jahr 2018 erhöhen wird. In der EU insgesamt soll sie von 0,3 % im Jahr 2016 auf 1,8 % im Jahr 2017 und 1,7 % im Jahr 2018 ansteigen.

Gesamtlage

Insgesamt ist die EU-Kommission mehr als optimistisch, dass es mit der Wirtschaftslage in der EU bergauf geht. Deutlich abzulesen ist das aus diesem Zitat von heute:

Das reale BIP im Eurogebiet ist in 15 aufeinanderfolgenden Quartalen gewachsen, die Beschäftigung steigt in robustem Tempo und die Arbeitslosigkeit geht weiter zurück, wenngleich sie nach wie vor über ihrem Vorkrisenstand liegt. Angetrieben wird diese Erholung nach wie vor durch den privaten Verbrauch. Das Investitionswachstum setzt sich fort, bleibt aber gedämpft.

Und als würde es aus dem Mund von Wolfgang Schäuble kommen. Der zuständige EU-Kommissar predigt die Strukturreformen, die die Mitgliedsstaaten doch bitte endlich durchführen sollen. Auch könnten die sich nicht darauf verlassen, dass die EZB bis in alle Ewigkeit Geld pumpt (unsere sinngemäße Zusammenfassung):

Der für den Euro und den sozialen Dialog zuständige Vizepräsident Valdis Dombrovskis, außerdem zuständig für Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen und die Kapitalmarktunion, erklärte: „Die wirtschaftliche Erholung geht ins fünfte Jahr. In diesen unsicheren Zeiten ist es jedoch wichtig, dass die europäischen Volkswirtschaften konkurrenzfähig bleiben und in der Lage sind, sich sich ändernden Zeiten. Dafür braucht es weiterhin Anstrengungen für Strukturreformen. Wir müssen uns auf integratives Wachstum konzentrieren, so dass alle etwas von der Erholung haben. Jetzt da die Inflation von einem niedrigen Niveau steigt, können wir nicht erwarten, dass der monetäre Stimulus für immer andauern wird. Daher müssen Länder mit hohen Defizit- und Schuldenniveaus weiter daran arbeiten, diese zu senken, um widerstandsfähig gegen wirtschaftliche Schocks zu sein.“

Schulterklopfer für sich selbst

Die EU-Kommission klopft sich gerade mächtig selbst auf die Schulter. Die eigenen Programme seien mit verantwortlich für die konjunkturelle Erholung. Zitat:

Bedingt durch eine Reihe von Faktoren, wie die ausgesprochen niedrigen Finanzierungskosten und die anziehende Weltwirtschaft, wird für die Investitionen auch weiterhin ein moderater Anstieg prognostiziert. Zunehmend gestützt werden dürften die privaten und öffentlichen Investitionen durch die im Rahmen der Investitionsoffensive für Europa finanzierten Projekte, da diese allmählich von der Bewilligungs- in die Implementierungsphase übergehen. Der Prognose zufolge sollen die Investitionen im Eurogebiet im laufenden Jahr um insgesamt 2,9 % und 2018 um insgesamt 3,4 % (in der EU um 2,9 % bzw. 3,1 %) ansteigen, was seit Einsetzen der wirtschaftlichen Erholung Anfang 2013 einen Anstieg um 8,2 % bedeuten würde. Allerdings bleibt die Investitionsquote nach wie vor deutlich unter ihrem Stand zur Jahrhundertwende (20 % im Jahr 2016 gegenüber 22 % im Zeitraum 2000-2005). Diese anhaltende Investitionsschwäche lässt Zweifel an der Nachhaltigkeit der Erholung und dem Wachstumspotenzial der Wirtschaft aufkommen. Nach den umfangreichen Strukturreformen in mehreren Mitgliedstaaten profitieren die Arbeitsmärkte auch weiter stark von der wirtschaftlichen Erholung. Das Beschäftigungswachstum soll nach wie vor relativ solide bleiben, wenngleich es 2017 und 2018 im Vergleich zum Vorjahr leicht an Dynamik verlieren soll. Die Erwerbslosenquote im Eurogebiet soll weiter zurückgehen und sich von 10,0 % im Jahr 2016 auf 9,6 % im laufenden Jahr und 9,1 % im Jahr 2018 abschwächen. Für die EU insgesamt wird mit einem Rückgang der Arbeitslosigkeit von 8,5 % im Jahr 2016 auf 8,1 % im Jahr 2016 und 7,8 % im Jahr 2018 gerechnet. Damit hat die Arbeitslosigkeit den niedrigsten Stand seit 2009 erreicht, bleibt aber weiterhin über dem Vorkrisenniveau.

Risiken

Beim Thema „Risikofaktoren“ für die konjunkturelle Entwicklung ist klar, dass Brexit + Trump erwähnt werden. Zitat:

Da noch nicht ganz klar ist, welchen Weg die neue amerikanische Regierung in zentralen Politikbereichen einschlagen will, in diesem Jahr in Europa zahlreiche Wahlen stattfinden und die Verhandlungen mit dem Vereinigten Königreich im Rahmen des Artikels 50 bevorstehen, ist die diesjährige Winterprognose mit außergewöhnlich großer Unsicherheit verbunden. Auch wenn sowohl die Aufwärts- als auch die Abwärtsrisiken zugenommen haben, dominieren doch weiterhin die Abwärtsrisiken. Kurzfristig könnte sich der Konjunkturimpuls in den Vereinigten Staaten stärker auf das Wachstum auswirken als derzeit erwartet. Mittelfristig stellen die Spätfolgen der jüngsten Krisen, das im Vereinigten Königreich durchgeführte Referendum zum Austritt aus der Europäischen Union, die möglichen Störungen des Handels, eine schnellere Verschärfung der Geldpolitik in den Vereinigten Staaten und die damit möglicherweise einhergehenden schädlichen Auswirkungen auf die Wirtschaft von Schwellenländern wie auch die möglichen Folgen des hohen und weiter wachsenden Schuldenstands Chinas ein Risiko für die Wachstumsaussichten dar.






Material: EU-Kommission



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