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Alitalia verkündet Insolvenz – die Angestellten haben zu hoch gepokert, Flüge sollen normal weitergehen – wirklich?

Alitalia vermeldet heute die Beantragung der Insolvenz des Unternehmens. In der hier abgedruckten Originalmitteilung klingt das gar nicht so schlimm, sondern nennt sich sinngemäß lediglich der Start...

FMW-Redaktion

Alitalia vermeldet heute die Beantragung der Insolvenz des Unternehmens. In der hier abgedruckten Originalmitteilung klingt das gar nicht so schlimm, sondern nennt sich sinngemäß lediglich der Start einer „außerordentlichen Verwaltung“ des Unternehmens (Wortlaut „amministrazione straordinaria“ / extraordinary administration). Das heißt im Klartext: Bald schaut sich ein Insolvenzverwalter an, ob man aus dem Laden noch etwas machen kann in Sachen Restrukturierung inklusive Massenentlassungen, und ob man dann noch einen neuen Investor finden kann. Oder er muss entscheiden, ob man den Laden besser gleich in die Liquidation schickt.


Ein Alitalia-Flieger. Foto: Eric Salard/Wikipedia (CC BY-SA 2.0)

Das würde klassisch bedeuten, dass die Büros geschlossen werden, alle Büromöbel, Flugzeuge etc verscherbelt werden, alle Mitarbeiter entlassen usw. Die Flüge sollen übrigens laut heutiger Verkündung weitergehen wie geplant. Ob man sich darauf wirklich verlassen kann? Das wird noch spannend werden im bevorstehenden Sommerflugplan! Vor allem wenn der Insolvenzverwalter mangels Fortführungsplan entscheiden sollte den Laden einfach dicht zu machen, dann war es das.

Laut heutiger Mitteilung des Unternehmens bedauere man, dass die Mitarbeiter in ihrer Abstimmung den Restrukturierungsplan der Eigentümer abgelehnt hatten. Im Zuge dieses Plans hätten diese eigentlich 2 Milliarden Euro zuschießen wollen, aber eben nur bei der Zustimmung der Mitarbeiter zum Plan. Der wurde aber letzte Woche mit 67% abgelehnt, obwohl sogar die Gewerkschaften ihren Mitgliedern dringend dazu geraten hatten mit JA zu stimmen. Die Mitarbeiter hatten wohl gehofft, dass der italienische Staat doch noch rettend eingreifen würde.

Aber genau diese mögliche Rettung hatten diverse hochrangige Politiker in Italien ausgeschlagen und klar gemacht, dass es eben keine Rettung geben werde. Dabei war es doch eigentlich zu verlockend an eine Rettung zu glauben, weil Alitalia ähnlich wie Lufthansa für Deutschland oder Air France für Frankreich quasi das nationale Symbol der Luftfahrt ist.

Das gab es selten. Der Miesepeter bleibt nicht bei der Gewerkschaft hängen, sondern nur bei den Arbeitnehmern, weil die Gewerkschaft sie genau vor diesem Szenario gewarnt hatte. Nach italienischem Recht hat der Insolvenzverwalter von nun an 180 Tage zuzüglich weiteren 90 Tagen Zeit um einen Restrukturierungsplan auszuarbeiten. Die Alternative dazu ist wie gesagt „den Laden dicht machen“. Wie es weltweit nun mal üblich ist, kann der Insolvenzverwalter in seinem Plan alles planen, was noch weit über die bisherigen Vorstellungen des Unternehmens hinausgeht.

Vor allem kann man wohl mit nun deutlich mehr als den bislang geplanten 1.600 Entlassungen rechnen. Die Eigentümer Etihard aus den Vereinigten Arabischen Emiraten sowie ein italienisches Firmenkonsortium wollten ohne kräftige Einschnitte wie gesagt kein frisches Geld zuschießen. Nun wird der Insolvenzverwalter wohl noch viel weiter gehen. Die Mitarbeiter verlieren jetzt erst recht. Es war halt eben ein Poker, bei dem die Mitarbeiter verloren haben. Keine Staatsrettung in diesem Fall! Denn wohl auch in Rom hat man gesehen, dass trotz jahrelanger Retterei und frischen Geldtransfers die Airline nicht auf die Beine gekommen ist.

Erst 2008 war die Airline insolvent. Seitdem sollte in einer Art Neu-Organisation alles besser werden, aber seitdem geht es ständig nur um neue Rettungen, denn die Verluste laufen weiter. In 2015 waren es 199 Millionen Euro Verlust, 2016 sind es wohl noch mehr geworden. Seit dem Ende der ersten Insolvenz hat man ca 3 Milliarden Euro verbrannt. Es zeigt sich immer mehr, dass für Alitalia wohl einfach kein Platz mehr war am europäischen Airline-Himmel.

Mögliches oder besser gesagt wahrscheinliches Szenario: Massenentlassungen stehen an! Alle auch nur ansatzweise unprofitablen Strecken werden gestrichen. Übrig könnte mit Glück eine kleine Kernmarke mit wenigen Strecken bleiben. Konkurrenten wie Ryanair, easyjet, Lufthansa etc dürften Schlange stehen um die frei werdenden Strecken bei sich aufzunehmen. Nach einer kurzen chaotischen Übergangsphase für Urlauber sollten wohl auch weiterhin Urlaubsziele wie Sardinien etc mit dem Flieger zu erreichen sein, denn wo Nachfrage ist, wird auch immer ein Angebot vorhanden sein!

Ach ja… angeblich bastelt die italienische Regierung derzeit an einer Art Sonder-Dekret, mit dessen Hilfe man der „außerordentlich verwalteten“ Alitalia einen staatlichen Nothilfe-Kredite über ca 400 Millionen Euro zukommen lassen will. Dabei geht es angeblich darum das Streckennetz der Airline kurzfristig am Leben zu halten, damit die italienische Volkswirtschaft auf kurze Sicht ihr Streckennetz nicht verliert. Denn es gibt massive Zweifel, dass Alitalia überhaupt noch genug Liquidität hat um im laufenden Betrieb die Sommermonate zu überstehen. Angeblich soll so ein Notkredit aus Rom bei der EU-Kommission doch tatsächlich glatt durchgehen, und nicht als unerlaubte staatliche Beihilfe gelten. Aber noch ist dieser Notkredit ein Gerücht, und noch nicht beschlossene Sache. Aber auch so ein Notkredit würde den sterbenden Patienten lediglich länger an den Geräten lassen. Das Sterben würde trotzdem weitergehen.

Hier die Veröffentlichung von Alitalia im Wortlaut (Sinngemäß: Schuld sind die Arbeitnehmer):

Alitalia’s shareholders meeting, convened today, noted with deep regret the outcome of the referendum among the employees. The negative vote has determined the inability to implement the relaunch and restructuring of the Company.

Italian shareholders and Etihad, based on the strong potential growth of the company, and on an industrial plan which included a structural cost reduction of which two thirds were not related to labor costs, were committed to recapitalise and finance the plan with EUR 2 billion.

This commitment was subject to an agreement with the trade unions, which was rejected by the employees in a referendum.

The Board of Directors, which convened after the shareholders meeting, having acknowledged the serious economic and financial situation of the Company, of the unavailability of the shareholders to refinance, and of the impossibility to find in a short period of time an alternative, has decided unanimously to proceed with the filing for “amministrazione straordinaria” (extraordinary administration) in compliance with the Italian law.

Alitalia’s flight schedule will continue to operate as planned.



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