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Altbacken geht den Bach runter, „billig“ legt immer weiter zu…

FMW-Redaktion

Haben Sie sich auch schon mal darüber aufgeregt, dass der Service im Einzelhandel etc immer schlechter wird? Oder regen Sie sich über zu hohe Preise beim Einkaufen auf? Oder kaufen Sie bequem von zuhause aus ein bei Amazon und Co, ohne draußen in Regen und Kälte rumrennen zu müssen? Gleichzeitig finden Sie es aber blöd, dass Innenstäde veröden und inhabergeführte Geschäfte wegfallen? Der Trend weg von alteingesessenen Marken, Kaufhäusern und Verhaltensweisen hin zu „billig, billig, und bitte noch billiger“ nimmt immer weiter zu, und das nicht nur in Deutschland.

Gestern wurde bekannt, dass Macy´s, sozusagen das Karstadt der USA, 40 seiner 900 Kaufhäuser dicht macht, womit 4.800 Arbeitsplätze wegfallen. Letztlich war das schwache Weihnachtsgeschäft für diesen Schritt ausschlaggebend. Aber das dürfte nur ein erster Schritt sein, so wie es bei Karstadt auch mal anfing. Ein paar unrentable Kaufhäuser schließen, irgendwann später nochmal welche. Anfang letzten Jahres ging u.a. der Elektroeinzelhändler Radioshack in den USA ganz pleite. In den USA rollt wie auch in Deutschland die Amazon-Welle über die Kaufhäuser hinweg – die Kunden kaufen zunehmend mehr online. Natürlich kam bei Karstadt vor allem eine jahrelang grandiose Managementleistung hinzu.

Der größte aller Billigflieger Ryanair verkündete vor Kurzem seine Beförderungszahlen für 2015. Man übersprang die 100 Mio-Marke, ein Plus von 17%. Das zweite Schwergewicht der Billigflieger easyjet wuchs um 6,9% auf 69,8 Mio Passagiere in 2015. Für den selben Zeitraum muss unser „Platzhirsch“ Air Berlin immer weiter die Segel streichen, weil man anscheinend nicht billig genug ist. Die Anzahl beförderter Passagiere ging um 4,6% auf 30,2 Mio Fluggäste zurück – vor allem weil man unrentable Strecken aus dem Programm genommen hat. Für die Airline insgesamt sind es seit Jahren immer düsterer aus. Die Lufthansa als „normale“ Airline wird auch immer mehr in die Mangel genommen, genau wie ihre konventionellen Konkurrenten British Airways und Air France. Sie sind nicht so billig wie Ryanair und Co, können aber im normalen + Upperclass-Level immer schwieriger mithalten, weil die Golf-Airlines Emirates, Qatar und Etihad ganz andere Voraussetzungen mitbringen (spottbilliger Treibstoff / Staatssubventionen). Der Fluggast, der auf den Cent achtet und Lufthansa und Co. links liegen lässt, muss sich später nicht darüber beschweren, wenn sein Billigflieger, der immer mehr Strecken der alten Airlines übernimmt, plötzlich Abflugzeiten ändert, unerwartet Zwischenstopps einlegt uvm. Kommt jetzt schon vor, wird sich aber wohl immer mehr häufen. Service, Zuverlässigkeit ade, Hauptsache billig. Von den Arbeitsbedingungen und Gehältern der Angestellten sprechen wir da noch gar nicht.

In vielen Buchhandlungen kann man inzwischen Abends anrufen und nächsten Morgen seltene Bücher, die im Laden nicht vorrätig sind, im Laden abholen, weil die Buchhandlung sich von einem Zentrallager über Nacht damit beliefern lässt. So schnell ist nicht einmal Amazon. Genau so verhält es sich mit DVD´s. Onlinehandel ist also manchmal auch langsamer als stationärer Handel – nur wissen das viele Kunden gar nicht. Neben der Bequemlichkeit von zuhause aus zu bestellen wird oft als Argument angeführt, dass Onlinehändler schneller sind, aber dem ist oft gar nicht so.

Der Drang nach „billig billig“ treibt auch obskure Züge. Bei IKEA z.B. gibt es in den neuesten Filialen wie z.B. der ersten innerstädtischen IKEA-Filiale in Hamburg am Ausgang einen Kassenbereich, an dem man ausschließlich SB-Kassen vorfindet. Man muss als Kunde also sich selbst abkassieren, selbst scannen usw. IKEA-Mitarbeiter stehen als Aufpasser in der Nähe. Jetzt denkt wohl so mancher „geil, das mach ich, da spar ich bestimmt ein paar Prozente“. Falsch, die selbst kassierten Artikel sind genau so teuer wie an der normalen Kasse, die im 2. OG zu finden ist und wo man danach nur durch einen Fahrstuhl wieder zum Ausgang findet. IKEA möchte also die Kunden, so hat es den Anschein, umerziehen hin zum Selbstkassieren. Der Kunde macht also den Job der Kassierer, muss quasi für IKEA mit arbeiten, spart dadurch aber keinen Cent. Aber das Feeling des Sparens, wenn man etwas selber erledigt, scheint bei der SB-Kasse in der Luft zu liegen. Auch geht es an der SB-Kasse gar nicht schneller als an der normalen – denn die hauptberuflichen Kassierer können einfach schneller scannen, weil das ihr täglich Brot ist. Man kann also ganz bewusst als Kunde weiterhin zu den „normalen“ Kassen gehen, Arbeitsplätze sichern, und verliert dabei weder Zeit noch Geld.

Am Ende muss man sich als einzelner Verbraucher selbst fragen ob man nicht bereit ist für persönlichen Service oder die Auswahl in der Ladentheke mal ein paar Cent mehr für ein Produkt auszugeben. Darauf zu verweisen ich spare, sollen doch die anderen Verbraucher Karstadt, Lufthansa und Co retten, nützt nichts, denn „die anderen“ denken genau so egoistisch. Aber man kann auch genau so die Einstellung haben „egal, dann gehen die halt alle unter“. Willkommen in der SB Billig Discount-Zukunft!



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1 Kommentar

  1. „The might is where you spend your dollar.“

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