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Amazon Go: Sensationell für genervte Supermarkt-Kunden, ein Horror für den Arbeitsmarkt

Es wäre ein absoluter Segen, ein Traum für alle, die den Horror des Wartens in Supermarktschlangen nicht ertragen können. Gerade in der Servicewüste Deutschland, wo man bei 15 Kunden und nur einer...

Von Claudio Kummerfeld

Es wäre ein absoluter Segen, ein Traum für alle, die den Horror des Wartens in Supermarktschlangen nicht ertragen können. Gerade in der Servicewüste Deutschland, wo man bei 15 Kunden und nur einer offenen Kasse um die Öffnung einer zweiten Kasse betteln muss, dürften wohl viele Kunden dieses Konzept begrüßen! Ein Supermarkt ohne Kasse. Klar, werden Sie jetzt denken, die gibt es doch schon immer öfters, mit den neuen SB-Kassen. Nein, ich meine GANZ ohne Kasse. Wie das gehen soll? Wie so oft setzt Amazon ganz aktuell die Standards. Man überspringt das Konzept der SB-Kassen einfach komplett.

In den Supermarkt rein, an einer Einlass-Schranke mit dem Smartphone einen Barcode an einen Scanner halten, rein in den Supermarkt, Einkäufe einstecken in die eigene Tasche, und einfach wieder rausgehen, das war´s. Noch nicht mal einen Kassenbon oder etwas Ähnliches gibt es beim Verlassen des Amazon-Supermarktes. Einfach wieder rausgehen, keine Verzögerung, kein Check-Out durch Mitarbeiter, nichts. Was für ein Konsumenten-Traum. Der wird gerade in einer Test-Filiale von Amazon in den USA Wirklichkeit (VIDEO unten). Funktioniert das Konzept, sollen in den USA durch Amazon 2.000 Supermärkte mit diesem Konzept entstehen, in den nächsten 10 Jahren!

Aber Sie fragen sich jetzt sicherlich: Wie erkennt Amazon meinen Einkaufswert? Zuerst dachte ich sofort an diese Mini-Funkchips, die an jeden Artikel geklebt werden. So kann der Supermarkt bequem abchecken, wer was gekauft hat. Aber anscheinend sind diese Chips an jedem einzelnen Artikel zu viel Kosten- und Logistikaufwand für Amazon. Auch die Chip-Technologie lässt man hinter sich. Man verlässt sich, so wie ich es hoffentlich richtig verstanden habe, auf einen vollkommmenen und lernfähigen Algorithmus. Der Supermarkt ist wohl übersäht mit Sensoren und Kameras, die den Kunden beim Kaufen erfassen und automatisch registrieren, welches Produkt er einsteckt.

Die Umrisse des Produkts erkennt die Software wohl auch. Was aber, wenn der Kunde das Produkt mit seiner Hand verdeckt, und die Kamera es nicht richtig erfassen kann? Nun, der Algorithmus lernt oder weiß, welche Produktvorlieben und welches Kaufverhalten ein Kunde hat. Wird aus einem Regal ein Artikel entfernt (durch Entnahme des Kunden), und ist ein Kunde anwesend, dem man das Produkt durch sein Verhalten zurechnen kann, wird davon ausgegangen, dass wohl er das Produkt gekauft hat – zumal er ja im Supermarkt gerade an der Stelle gestanden hat, wo das Produkt im Regal liegt. So und über diverse andere Analysemethoden dürfte Amazon wohl die Geldbelastungen vornehmen, die dem Amazon-Kundenkonto belastet werden.

Ein Horror für jeden Datenschutzbeauftragen ist diese Zukunft, das ist klar. Aber wer sich freiwillig so einem Voll-Scan und einer Voll-Vermessung des eigenen Verhaltens aussetzt, wird die enorme Zeitersparnis wohl schnell lieben lernen. Wer freiwillig zustimmt (das wird Amazon in seinen AGB´s sicherstellen) derart „vermessen“ zu werden von seinem Supermarktanbieter, den kann ein Datenschutzbeauftragter wohl kaum von seinem Konsumentenglück abhalten! Und die Automatisierungs-Industrie, die sich auch in Deutschland gerade darum bemüht hatte die (lästigen) Kunden dazu zu bewegen doch endlich die SB-Kassen zu benutzen (die Kassierer kosten eh nur Geld) – sie wäre mit Amazon´s Konzept damit schon überflüssig, bevor sie so richtig massentauglich angekommen ist bei den Kunden. Haben Sie sich im Supermarkt schon mal selbst abkassiert an der SB-Kasse? Mal ehrlich: Würden wir uns alle dort anstellen, wären die Wartezeiten länger als bei hauptberuflichen Kassierern. Und gibt es überhaupt Kostenvorteile, wenn man als Kunde den Job der Kassierer übernimmt? Nein. Also, dann doch lieber mit menschlichem Kassierer, oder?

Ein Horror für den Arbeitsmarkt

Aber das Amazon-Konzept ohne Kassen würde in der Tat eine riesige Zeitersparnis für die Kunden bringen. Endlich keine Schlange mehr stehen. Was den Kunden freut (so denn korrekte Abrechnungen auf dem Amazon-Konto abgebucht werden), wird in Zukunft der Horror für den Arbeitsmarkt sein. Der Einzelhandel ist bisher sehr personalintensiv. Viele Arbeitnehmer mit geringen oder gar keinen Qualifikationen konnten hier bisher schnell Zugang zu Arbeit bekommen.

Das fällt dann ganz weg. Wie auch schon bei anderen Teilbereichen hier unsere Frage: Wohin mit den Arbeitnehmern, woher sollen so viele neue Jobs kommen für all die Kassierer/innen, die dann auf einen Schlag überflüssig sind? Nicht jeder kann als Software-Programmierer bei Amazon arbeiten, um diesen Kauf-Algorithmus am Laufen zu halten. So viele Programmierer braucht Amazon wohl nicht… es ist eine Frage, die sich der Erfinder dieses Fortschritts wohl nicht eine Sekunde stellen wird. Er ist natürlich nur für seinen Fortschritt verantwortlich – und dieser Fortschritt ist wohl nicht aufzuhalten. Die Politik wäre gefragt mit weiter Voraussicht jetzt schon nach Antworten zu suchen. Woher sollen all die neuen Jobs kommen?

Da gibt es jetzt schon zwei Antworten: Variante 1 nach Obama/Merkel-Style: „Meine Güte, warum das Gejammer, wir haben doch Vollbeschäftigung.“ Variante 2: Wir haben doch den Demographiewandel. Durch so viele in Zukunft fehlende Arbeitnehmer hat die Wirtschaft so viel Bedarf an anderer Stelle, da findet jeder arbeitslose Kassierer auch in Zukunft woanders schnell ein warmes Plätzchen… Zweifel, ernsthafte Zweifel sind angebracht! Ganz aktuell feiern Gewerkschafter zu Recht, dass die Kaisers´s-Angestellten alle von Rewe und Edeka übernommen werden mit fünfjährigen Arbeitsplatz-Garantien. Man verweist darauf, dass die Belegschaft jetzt in Ruhe Weihnachten feiern könne. In der Tat. Aber auf den Sturm, der sich zusammenbraut, solle man sich schon jetzt versuchen einzustellen. Oder einfach so tun, als wäre alles in bester Ordnung – das ist auch eine Möglichkeit mit der Situation umzugehen. So, genug gejammert, ich habe keine Zeit jetzt noch weiter zu schreiben – ich stelle mich dann mal wieder an als Nummer 12 an der einzig geöffneten Kasse.



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10 Kommentare

  1. Da freut man sich doch direkt über die türkische Großfamilie mit ihren 40 Familienmitgliedern, wenn diese vor einen solchen Supermarkt vorfahren würde.

    In einen Supermarkt gehören menschliche Kassierer, und auch ab und zu die ein oder andere Schlange. Wobei manch einer eh mit einer solchen leben muss ;-).

    1. Dieter, mein lieber Dieter wie meinst du das
      „Da freut man sich doch direkt über die türkische Großfamilie mit ihren 40 Familienmitgliedern, wenn diese vor einen solchen Supermarkt vorfahren würde“
      ????
      Hörmal mein guter, wir Türken werden die letzten sein die in solch ein Kundenunfreundlichen, Arbeitnehmerverachtenden laden einkaufen gehen werden.
      Notfalls ruft der Erdogan “ meidet solche Geschäfte die Menschenverachtend sind und nur an Profit denken. :) :)
      Und nu was sagst du nun :)

      1. Was soll ich sagen? Grüzi, Servus und Hallo. Türkische Landsleute sind doch sehr technikaffin. Und wenn die jetzt ihre hochmodernen und geclonten Smartdingenskirchen mal richtig einsetzen können…die kommen mit dem Reisebus inkl. Opa aus Anatolien. Und beim Einkauf stellte man sich natürlich rund um die jeweiligen Einkäufer auf, um die Privatsphäre zu gewährleisten. Die sind halt nicht blöd.

        Wobei ich die Türken echt super finde. Nur mit der verankerten Glaubenskultur habe ich so meine Probleme. Aber ansonsten feine und sehr freundliche Leute.

        Lieben Gruß

        Dieter

  2. Schöne neue Welt! Voll vermessen, gescannt, bargeldlos. Amazon weiss alles über Dich. Margarine statt Butter: Drohen da etwa wirtschaftliche Probleme? Ungesunde Lebensmittel gekauft und plötzlich will die Krankenversicherung einen Risikozuschlag? Bestimmt reiner Zufall. Und in drei Jahren gibt es dann den implantierten Chip. Dann kann man bei bösen Kommentaren im Internet gleich mal das Konto einfrieren oder den Herzschlag beschleunigen. Das macht dann auch wählen gehen überflüssig. Viele Grüße aus der MATRIX.

    1. Hoppla. Hat Amazon meinen Kommentar schon gesperrt?

      1. @Leser, der war mir „durchgeschlüpft, ist jetzt online – also Entlastung für Amazon!

  3. Die Frage ist auch immer, nehmen die Kunden das an?

    In Italien sind sie ja bei Coop sehr weit mit den SB-Kassen. Unmengen davon aber nur eine echte Kasse mit Kassierer. Wer sich nicht selbst abkassieren will hat verloren. Aber bin der Meinungn das die Kassierer, die jeden Tag die Barcodes scannt und im schlaf weiss wo diese sind auf der Packung, deutlich schneller sind als der Kunde.

    Für mich Grund genug den Laden zu boykottieren.

  4. Wieso so negativ? Sollte sich das durchsetzen wäre das eine kleine Revolution mit ungemeinen Vorteilen. Das wäre eine Technik die nicht nur Geld spart sondern auch kundenfreundlich ist. Die SB-Kassen sind eine Zumutung. Genau wie das Anstehen an langen Kassen. Wenn man dann noch die Regale durch Roboter befüllen lässt wäre das noch besser. Oft stehen die Einräumer genau vor dem Regal an das man gerade ran möchte. Ich sehe keinen Nachteil dadurch, aus Kundensicht. Und wieso plötzlich alle vor Jobabbau durch Technologie Angst haben ist mir auch nicht klar. Das Schreckensgespenst gibt es schon seit Jahrzehnten. Von den Kritikern wurde jedoch nie bedacht dass durch technologischen Fortschritt völlig neue Jobs entstanden sind. Beispielsweise könnte es wieder mehr Fachpersonal geben die die Kunden über gesunde Ernährung beraten od. besseren Service, z.B. Einpacker usw.

  5. Nach der möglichst effektiven,kostensparenden,vollrobotisierten Fabrik,nun auch noch der Supermarkt!Holy Zeitersparnis,welche ich dann zuhause,falls ich ein solches noch bezahlen kann,mit Ballerspielen oder einer VR-Brille wieder zunichtemachen kann.What a wonderful,wonderful World!Faszinierend,sagte dazu ein Vulkanier.P.s.Ich bin zum Glück nicht mehr berufstätig,bzw.muss es nicht mehr sein, weil ich nicht der Reichste auf dem Friedhof sein wollte&will.Daher werde ich häufiger von der besten Ehefrau von allen zum Einkaufen geschickt.Ich könnte ungehindert die ersten 3 Semester Einzelhandelskaufmannstudium überspringen,solch einen Erfahrungsvorsprung habe ich.Ich war aber schon zeitlebens ein Fan von Entschleunigung & geniesse daher die Anspannung meiner Einkaufsgenossen,welche Kasse nun demnächst,kurzfristig, zusätzlich öffnen wird.Ich habe,wie gesagt nichts (Zeit)zu verlieren,bin deshalb meist richtigliegend in der Kassenöffnungshierarchie!Mit meinem vollen Einkaufswagen,lasse ich dann,je nach Laune,schöne Frauen und nichtagressive Herren mit wenigen Artikeln vor.Bei Spezien,welche per Geburt(ob weib oder männlich)das I-First-Gen innehaben,pumpe ich schon mal etwas mehr Luft in meine 1,89m.

  6. Ich freue mich schon auf das „hacken der Realität“ – man, wird das geil. :-D

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