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Aus dem Tagebuch eines einfachen Traders (Satire)

Von Jürgen Sprenzinger

Zwischen Bulle und Bär …

Nun trade ich etwa seit fünf Jahren. Allerdings immer nur mit dem Geld von meiner Frau – mein eigenes Geld würde ich da nie einsetzen. Es wäre mir zu riskant. Zudem muss ich ja die Erwartungen der Industrie und Wirtschaft erfüllen, sprich: konsumieren. Würde ich das nicht tun, dann hätten Lidl und Aldi gewaltige Umsatzlöcher. Das kann und will ich einfach nicht verantworten. Und würde ich beispielsweise auf meinen französischen Wein und Käse verzichten, dann hätte das weitreichende Folgen: Die gesamte europäische Wirtschaft würde in die Knie gezwungen werden …

Was mein Trading betrifft, so richte ich mich meist nach der „finanzmarktwelt.de“. Na ja, ab und dann werfe ich auch noch einen Blick auf den Wirtschaftskalender, aber genau genommen nur bei schlechtem Wetter, denn ich hab die Erfahrung gemacht: Wenn die Sonne scheint, steigen die Kurse. Bei schlechtem Wetter fallen sie. Eigentlich ein ganz einfaches Prinzip. Deswegen lege ich auch sehr viel Gewicht auf den täglichen Wetterbericht.

Aber zurück zur „finanzmarktwelt.de“: Es gibt bekanntlich viele Gurus und Analysten. Was aber nur wenige Leute wissen: Das Wort „Analyst“ enthält auch das Wort „anal“ und es tut mir leid, aber ich kann es nicht anderes deuten: Viele Analysen sind einfach nur für den A….

Da lobe ich mir die „finanzmarktwelt.de“. Allerdings bringt mich die auch oft in den Zwiespalt. Da ist zum einen Depri-Fugi, der oft so schlechte Nachrichten bringt, dass man glauben könnte, jeden Moment bricht der Finanzmarkt zusammen. Das geschieht aber laut Martin Armstrong erst am 17. Oktober und betrifft keinesfalls den Aktienmarkt, sondern passiert lediglich durch die Staatsverschuldung. Also Leute, ihr könnt durchaus noch ein paar Aktien kaufen, da ist noch genug Luft drin und Oktober ist ja erst in vier Monaten.

Auf der anderen Seite ist da der Super-Borgi, der ständig will, dass der Dax nach oben geht. Warum er das will, weiß ich nicht. Vermutlich ist das genetisch bedingt. Doch wie auch immer: Meistens hat er recht mit seinen Vorhersagen. Schon oft hab ich meine Frau gefragt: „Wie macht der das bloß??“ Aber die weiß das auch nicht so genau und schaut mich nur fragend an. Sie hat nur gemeint, dass er wahrscheinlich mit Goldman Sachs unter einer Decke steckt oder so … Aber ich gebe zu: Es ist eine schwere Anschuldigung. Deswegen würde ich sowas nie schreiben. Aber man merkt schon: Wenn er Dax-Prognosen nach unten abgibt, dann ist er längst nicht so fröhlich als umgekehrt. Meine Frau hat das übrigens auch schon festgestellt.

Wie auch immer: Beide, also Super-Borgi und Depri-Fugi sind mir zwischenzeitlich so ans Herz gewachsen, dass ich niemals – und ich sage es ganz deutlich: niemals eine Position eingehe, bevor ich nicht die „finanzmarktwelt“ gelesen und mir den morgendlichen Videoausblick reingezogen hätte. Schließlich will ich ja nicht das Geld meiner Frau verspekulieren.

Am meisten Kummer jedoch bereitet mir der Claudio Kummerfeld. Sein Name ist Legion. Er bringt immer so schlechte Nachrichten und hinterfragt penetrant jede Kleinigkeit. Erst neulich wieder hat er die Arbeitslosenzahlen hinterfragt und dabei festgestellt, dass die Arbeitslosenquote nicht bei 6,3 Prozent liegt, sondern bei 8,13! Eine Menge Holz! Und als ich dann die Tagesschau angesehen hab, haben die aber auch nur von 6,3 Prozent gesprochen – und man weiß doch, dass das, was in der Zeitung steht, immer stimmt. Und bei der Tagesschau ist das natürlich auch so. Und ich kann das beurteilen, weil ich nämlich schon seit 50 Jahren Zeitung lese und seit 35 Jahren regelmäßig die Tagesschau sehe. Ich kann mir überhaupt gar nicht vorstellen, dass so eine seriöse Einrichtung wie die Bundesagentur für Arbeit Zahlen frisiert!

Übrigens hat Fugi heute Morgen die Frage gestellt: „Was wird Draghi heute sagen?“ Nun ja – ich finde den Draghi ganz nett – er sieht sogar meinem Opa etwas ähnlich. Er hat nur zwei kleine Makel: Er ist Banker und er war einige Jahre in der Lehre bei Goldman Sachs. Und deswegen glaube ich, dass Draghi das sagt, was auch Goldman Sachs sagen würde. Könnte doch sein, oder?



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4 Kommentare

  1. Elisabeth Schenk

    selten so geschmunzelt…. ist mir aus der Seele gesprochen, meint auch mein Mann

  2. Super!!! Da hat man den Nagel auf den Kopf getroffen! ;)
    Habe auch echt fein gelacht! Depri-Fugi ist mir auch ans Herz gewachsen! hehe

  3. Ich habe ja nichts gegen Satire, aber hier hängt dermaßen viel Eigenschmalz dran, das an vielen Stellen der eigentlich erwartete Kontrapunkt darin nur noch auf das Klopfen auf die eigene Schulter verkommt. Gleichsam bin ich auch dankbar für die hier allseits gelieferten Informationen und Zusammenfassungen, ja, aber zu viel Eigenlob hat die gefährliche Tendenz, zur Dekadenz zu verkommen – das beschädigt die gute Fassade.

  4. Depri-Fugi wird auf mehreren Webseiten auch sehr passend „Mr. Short“ genannt ;-)

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