Europa

Brexit: Wie sich die britischen Brexit-Befürworter in die Tasche lügen!

Ein Lehrstück, wie Ideologie das Hirn vernebeln kann!

FMW-Redaktion

Die Brexit-Befürworter in Großbritannien haben nach dem Brexit-Votum im Juni eine interessante Herangehensweise: sie jubeln über Meldungen, die vermeintlich zeigen, dass der Brexit keineswegs schlecht, sondern vielmehr gut für die britische Wirtschaft sei. Da wird munter das betrieben, was mit einem neuerdings wieder populären Wort bezeichnet wird. Rosinenpickerei!

Da jubelt man zum Beispiel über die Prognosen der Bank of Amerika für das Wachstum in den G7-Staaten vor ein paar Tagen: demnach werde UK in 2016 so stark wachsen wie kein anderes der G7-Ländern, nämlich um 1,8% (dahinter folgen USA und Deutschland mit jeweils 1,5%). Oder heute etwa die Prognosen der OECD für 2016, die für die Eurozone ihre Erwartung um 0,1% senkt auf nun 1,5%, dagegen die Prognose für UK anhebt um 0,1% auf 1,8%. Nun hat sich die OECD in der Vergangenheit nicht eben mit Ruhm bekleckert (vielleicht eher mit Rum), aber sei´s drum. Man verweist genüßlich darauf, dass die OECD doch zuvor vor dem Brexit gewarnt habe, und nun das, hahaha!

Heute dann kamen Zahlen zu den öffentlichen Krediten in UK, die nicht stärker gefallen sind als erwartet, sondern ziemlich genau inline reinkamen. Und was machen die Brexit-Befürworter daraus?

https://twitter.com/minefornothing/status/778516217262772225

Fakt ist aber: die Kreditvergabe in Großbritannien ist im August um 4,9 Milliarden Pfund im Vergleich zum Vormonmat eingebrochen auf nun 33,8 Milliarden Pfund – das ist ein Einbruch von knapp 15% zum Vorjahresmonat! Und der schlechteste Wert seit dem Jahr 2008, also seit der Finanzkrise. Brexit – welcher Brexit? Fragen dessen Befürworter gerne. Dieser Brexit!

Heute haben die regionalen Vertreter der Bank of England (es gibt 12 „regional Agents“ in UK) ihre quartalsmäßige Einschätzung zur Lage der Wirtschaft in ihrer Region gegeben (die sogenannte „Agents‘ Summary of Business Conditions“). Und so lautete deren Zusammenfassung:

– „The annual rate of activity growth had slowed overall as uncertainty rose following the EU referendum (Hervorhebung FMW), although it remained positive. However, business sentiment improved slightly in August following a marked dip in the immediate aftermath of the referendum.“

– „Consumer spending growth and confidence had been more resilient. Although housing market activity had fallen markedly in London and in parts of the surrounding area (FMW), it had held up relatively well in other parts of the United Kingdom.“

„Companies’ investment and employment intentions had fallen (FMW), and were consistent with broadly flat levels of capital spending and employment over the coming six to twelve months.“

Auffällig, dass die Agents hier erst einmal die schlechte Nachricht bringen, die sie dann wiederum leicht zu realitvieren versuchen. Jedenfalls scheint London und Umgebung am stärksten betroffen zu sein durch den Brexit – und damit die für die Wirtschaft absolut dominierende Region Großbritanniens! In London, so die jüngste Prognose, werden die Immobilienpreise um weitere 9% fallen. Brexit – welcher Brexit?

Und wie gestern thematisiert in dem Artikel „Brexit: Verhandlungsposition der britischen Regierung wird immer aussichtsloser“, wird die Sache nun nicht eben leichter für die Briten, weil die Visegrad-Staaten (Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn) weiter auf die Freizügigkeit bestehen (sprich dass ihre Bürger nach UK ziehen können), sonst werde man bei den Verhandlungen ein Veto einlegen in Sachen freier Marktzugang für UK in die EU. Autsch – damit hatte man in London nicht gerechnet – da schielte man immer auf die Deutschen, die doch ihre BMWs und Daimlers weiter zu uns exportieren wollen, oder etwa nicht?

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Glaubt, dass nach dem Brexit schon irgendwie alles gut wird: Theresa May
Foto: UK Home Office, https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/

Es herrscht also schon eine Art gesammelte Wahrnehmungsstörung im Land der Briten – Theresa May eingeschlossen, die immer noch meint, ein guter Deal sei doch für beide Seiten von fundamentalem Interesse. Nur ist das Interesse der Anderen eben etwas anders gelagert als das der Briten. Better get that finally!



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6 Kommentare

  1. Wie schon W. Churchill sagte „GB hat keine Freunde nur Interessen“

  2. „…werden die Immobilienpreise (in GB) um weitere 9% fallen.“

    Na und? Kann ich da nur fragen. Nur 9%?
    Herr Fugmann z.B. ist ja der Meinung, dass die Preise in Deutschland weitaus stärker einbrechen könnten. U.a. wegen Arbeitsplatzverlagerungen weg aus den Städten, aufgrund von Digitalisierung.

    1. @Gerd, gemeint ist ein relativ kurzer Zeitraum von gut einem Jahr, und das in London..

      1. Aber, Herr Fugmann, selbst wenn das in 3 Monaten schon ablaufen würde.
        Wie oft ist der Dax in den letzten 12 Monaten schon um 10% gefallen -und wieder gestiegen. Ok., das ist nicht unbedingt 1:1 vergleichbar.

        Aber wenn Märkte, in dem Fall Immobilien, die zuvor um 30% und mehr
        gestiegen sind, mal um 10% fallen, tut das der Volkswirtschaft insgesamt nicht weh. Außer einigen wenigen, die kurz zuvor gekauft hatten und die Immobilie kurzfristig schon wieder loswerden wollen/müssen.
        Jedenfalls davon geht GB nicht unter.

        Aber ich gebe ja zu, Sie weisen ja zu Recht auch auf andere Gefährdungen im dortigen Wirtschaftsleben hin. Und alles zusammen k ö n n t e dann selbstverständlich auch zu einem Negativszenario führen.

        Aber was k ö n n t e in der EU nicht noch alles an Schlimmem passieren, wo GB dann evtl verschont bleibt, weil es sich abschottet.
        Die Brexit-Befürworter haben ja konkrete (Haupt)-Gründe, warum sie nicht in der EU bleiben wollten.
        Und dann sind auf einmal die Immoblien in GB wieder gefragt und aus der EU wollen alle raus. Wer weiß das jetzt schon?

        Auf die EU und insbesondere Deutschland werden aber noch ganz andere Gefahren zukommen als sich die meisten hier in diesem Forum überhaupt vorstellen können. Ich selbst habe aus dem Grund meine Zweifel, ob ich weiterhin an der Erwartung eines großartigen DAX-Anstiegs festhalten soll.
        Und meine Befürchtung bezieht sich ganz bestimmt nicht auf evtl steigende Zinsen oder einer Pleite der Deutschen Bank, von Portugal oder Griechenland.

  3. Unter diesen absichtlich falschen Wirtschaftsdaten ist es doch irrsinnig auf den gbp eine Position zu eröffnen. Oder?

  4. a) Ich find es „ein bißchen“ sehr verallgemeinernd.
    „Die Brexit-Gegner sind blauäugig“, „täuschen sich“ lalalala.
    Es gibt auch viele außerhalb Englands, die dasselbe denken – sind dann auch doof. Außerdem hat z.B. Marc Faber, ein Brexit-Fan, gemeint, anfangs gehe es vielleicht etwas nach unten. Aber dann… Wartens wir ab.
    b) Denn zumindest gab es nicht d i e Katastrophe, die Sie (die Brexithasser) herbeigebetet haben.
    c) Wie es auch die „Schweiz-in-die-EU“-Befürworter 2001 vorausgesagt haben; die Schweiz gehe total unter ohne EU. Noch ist das Gegenteil der Fall. Vielleicht kommt der Fall ja noch. Jedenfalls müssen sie sich nur in-direkt mit der Diktatur der EU herumschlagen:
    https://www.google.de/search?q=votm+schweiz+f%C3%BCr+eu&ie=utf-8&oe=utf-8&client=firefox-b&gfe_rd=cr&ei=gM_iV4XmE4rH8AeI4Lj4Cg#q=votum+schweiz+f%C3%BCr+eu

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