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China: Auf der Suche nach dem Plansoll von 7% Wirtschaftswachstum

Von Claudio Kummerfeld

Gerade in den letzten Monaten zerbricht sich das Ausland immer mehr die Köpfe darüber, wie hoch denn nun das Wachstum in China wirklich ist. Wir haben noch mal genauer hingeschaut.

China Ministerpräsident Li Keqiang
Chinas Ministerpräsident Li Keqiang spielt in der ausländischen Betrachtung der chinesischen Konjunktur eine ungewollt wichtige Rolle.
Foto: World Economic Forum / Wikipedia (CC BY-SA 2.0)

Der weltweit viel beachtete HSBC-Einkaufsmangerindex für China (jetzs Caixin genannt) fiel im August auf ein 2 Jahres-Tief. Dies lässt eine langfristige strukturelle Abschwächung der Industrie in China schließen.

Li Keqiang Index

Dieser Index ermittelt sich aus chinesischen Eisenbahnfrachtraten, der Bankenkreditvergabe und dem Stromverbrauch. Daraus soll ein realistischerer Index der Wirtschaftsentwicklung in China möglich sein, so soll es zumindest Chinas amtierender Premierminister Li Keqiang einem US-Botschafter gesagt haben. Laut WikiLeaks-Dokumenten sagte er dem Botschafter 2007 er vertraue diesen drei Kennzahlen mehr als den eigenen staatlichen BIP-Daten. Daher wurde im Ausland inoffiziell dieser Index ins Leben gerufen, über dessen Existenz Li Keqiang wohl offiziell nicht erfreut sein dürfte. Aber ernsthaft: diese drei Indikatoren machen Sinn, um sich die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes anzuschauen. Und siehe da, schon seit 2014 entwickelt sich dieser Index schlechter als das offizielle BIP.

Li Keqiang Index China
Grafik: Institut für Weltwirtschaft, Kiel.

Was sagt die OECD?

Laut OECD nähert sich das Wirtschaftswachstum in China immer mehr dem OECD-Durchschnitt an (linke Grafik). Die Immobilienpreise (rechts) fallen gerade, sind aber immer noch auf einem hohen Niveau.

China OECD

Zieht der Aktienmarkt die Konjunktur runter?

Das Institut für Weltwirtschaft schreibt bzgl. der Auswirkungen des aktuellen Aktiencrash in China, seine Wirkung auf die Realwirtschaft sei begrenzt, Zitat:

„Die Auswirkungen auf die Konjunktur dürften indes begrenzt sein. Dem Rückgang der Kurse ging ein kräftiger Anstieg voraus, so dass der Preisverfall bisher eher den Charakter einer kurzfristigen Korrektur hat. Auch nach dieser Korrektur liegen die Kurse noch spürbar über ihren Werten zu Jahresbeginn (vgl. Abbildung 2). Zudem dürfte der Rückgang der Aktienkurse das Konsumklima kaum belasten. Zwar ist die Anzahl der neueröffneten Aktiendepots im Zuge des Booms deutlich gestiegen, was ein Indiz für eine größere Zahl an Kleinanlegern an den Märkten ist. Haushaltsumfragen zufolge waren im ersten Quartal 2015 jedoch nicht mehr als 6% der chinesischen Haushalte überhaupt im Besitz von Aktien.“

Wir sehen das etwas weniger akademisch und mit einem eher alltagstauglicheren Denkansatz. Wer steigt in der Hausse zuletzt ein? Der unbedarfte Privatzocker, der in der chinesischen BILD-Presse davon hört, dass man mit Aktien schnell viel Geld machen kann. Und der Privatzocker, dessen schnelle Gewinne locker in der Tasche saßen, war bisher auch derjenige, der davon locker und schnell einen fetten neuen Audi oder Mercedes kaufte. Das ist erst mal vorbei. Aber in der Tat: Wenn die Haushaltsumfragen Recht behalten und wirklich nur 6% aller Haushalte in China Aktien besaßen, kann es mittel- und langfristig ein noch beherrschbares Phänomen bleiben, wenn die KP in Peking den Markt weiterhin flutet und Verkäufe einschränkt wie in den letzten Wochen.

Frachtraten mit China

Am Dienstag hatten wir über die aktuellsten Frachtdaten des Hamburger Hafens berichtet, dessen größter Handelspartner chinesische Häfen sind. Für den Außenhandel sind das mehr als verlässliche Daten, um dem chinesischen Wachstum auf die Schliche zu kommen. Die Umsätze mit China gingen im 1. Halbjahr 2015 um 10,9% zurück – ein deutliches Minus!

Das Fazit des Instituts für Weltwirtschaft zur chinesischen Konjunktur lautet so:

„Alles in allem wird die konjunkturelle Dynamik in China wohl verhalten bleiben und die Produktion dürfte vorerst in einem ähnlichen Tempo zulegen wie es durchschnittlich in der ersten Jahreshälfte zu verzeichnen war. Trotz der deutlichen Kursverluste an den Aktienmärkten spricht derzeit wenig für einen massiven Einbruch der Konjunktur. Gleichwohl haben die jüngsten Entwicklungen an den
Aktienmärkten die Grenzen der Regierung, stabilisierend auf die Finanzmärkte einzuwirken, offenbart. Dies lässt das Szenario einer harten Landung zumindest etwas wahrscheinlicher werden.“

Wir meinen: Nach allem menschlichem Ermessen hat China wohl immer noch ein Wirtschaftswachstum, das aber deutlich unter den offiziell verordneten 7% liegen dürfte. Der extrem starke Rückgang des Außenhandels zwischen dem Hamburger Hafen und China lässt aber keinen Rückschluss auf den Binnenkonsum zu, der ja auch für das BIP wichtig ist. Hier muss man bedenken, dass die Keqiang-Index (noch) im Plus liegt. Also, mutmaßen wir mal. Wo liegt das BIP-Wachstum in China derzeit? Zwischen 2-5%? Durch den jüngsten Aktiencrash in China wohl eher am unteren Ende. China wird wohl erst mal zu einem „normalen“ OECD-Wachstumsland!




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3 Kommentare

  1. … vielen Dank für diese Einschätzung, gottlob eben nicht auf der Linie der
    Spriger´chen Welt oder Bild.
    Ich bin geaspannt, wann es einmal eine vernünftige Darstellung zu Kursen, KGV, Dividenden
    usw. in einer Übersicht zu den chinesischen „SoE-Firmen“ gibt, ergänzt auch von Firmen, die wie
    Levono, Tencent, Haier, ZTE etc. uns hier bekannt sind.
    Auch wird es sicherlich zukünftig eine Rolle spielen, welche chin. Firmen sich im Vorhaben
    der „neuen“ Seidenstrasse hervortun.
    Mit Fakten könnte daß „akademische“ Analystern-Geplärre beendet werden.
    Nicht´s für Ungut. Mfr.Gr. Peter Herrmann

  2. Herzlichen Dank, Herr Claudio Kummerfeld, für Ihre sehr eingehenden Recherchen und Kommentare zu aktuellen Entwicklungen bzw. drohenden Szenarien. Das hat bei Ihnen sehr viel mehr „Fleisch“ als in der Mainstream-Presse.

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