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„Das 12. Jahr mit Beschäftigungsaufbau“ steht uns bevor – Hurra, 10 Euro ins Phrasenschwein bitte

Ja, das ist tatsächlich die aktuelle Aussage des "Deutschen Industrie- und Handelskammertages" (DIHK). 2017 sei das 12. Jahr in Folge mit mehr Beschäftigung, in dem 450.000 neue Arbeitsplätze...

FMW-Redaktion

Ja, das ist tatsächlich die aktuelle Aussage des „Deutschen Industrie- und Handelskammertages“ (DIHK). 2017 sei das 12. Jahr in Folge mit mehr Beschäftigung, in dem 450.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden sollen. Was kann man sich mit 8,50 Euro die Stunde von diesem Jubelgesang kaufen? Denn darauf läuft es hinaus, wenn man sich die Detailaussagen danach genauer ansieht. Massiv neue Schaffung zusätzlicher gut bezahlter Industriearbeitsplätze? Pustekuchen. Hier erst einmal der DIHK im Original-Wortlaut mit dazu befindlicher Grafik (alles selbst erklärend):


Vermehrt einstellen wollten vor allem Gesundheitsdienstleister: „Die Branche profitiert von der zunehmenden Nachfrage nach Pflegeleistungen infolge des demografischen Wandels und einer stärkeren Gesundheitsorientierung in der Bevölkerung.“ Und: „Bei Bildungsanbietern macht sich der Zuzug von Geflüchteten nachfragsteigernd bemerkbar.“

Neue Stellen planen nach Erkenntnissen des DIHK auch die Unternehmensdienstleister, vor allem Unternehmensberatungen sowie Architektur- und Ingenieurbüros. „Die Baubranche will insgesamt kräftig einstellen“, berichtete Wansleben. „Handel, Verkehr und Gastgewerbe zeigen sich alles in allem ebenfalls zuversichtlich.“ Auch die Industrie wolle expandieren; dabei lieferten insbesondere die Vorleistungsgüterproduzenten Impulse.

„Immer gravierender wirkt sich angesichts der Einstellungspläne der Fachkräftemangel aus“, warnte der DIHK-Hauptgeschäftsführer. „Es ist mittlerweile das Top-Risiko für die Unternehmen.“

Der Fachkräftemangel sei Folge des hohen Personalaufbaus der letzten Jahre; qualifizierte Kräfte seien allerorten gefragt. „Das ist zugleich ein Grund für die höhere Nachfrage mancher Unternehmen“, erklärte Wansleben: „Die Betriebe wollen sich qualifiziertes Personal sichern, bevor sich die Engpässe weiter zuspitzen. Gefragt sind dabei inzwischen im Unterschied zu früher vor allem dual ausgebildete Fachkräfte und Azubis.“


Dazu beachten man dann die DIHK-Grafik am Ende dieses Artikels: Abgesehen von 30.000 neuen Jobs in der Industrie (Zeitarbeit?) sollen 400.000 der 450.000 Jobs im Dienstleistungssektor entstehen. Und wir reden hier nicht von Jobs in Banken oder Versicherungen, wo derzeit nur gestrichen wird. Lesen wir uns den Text genau durch: Jobs bei Gastronomie, Einzelhandel, Hotels, Logistik, Wachschutz, Sozialarbeit, Pflegeheimen usw sind die neuen Jobmotoren – alles ehrenwerte Jobs, aber alle tendenziell schlecht bis sehr schlecht bezahlt. Genau hier wurden zuletzt schon neue Stellen geschaffen in Deutschland, und zwar ohne neue Jobs in der Industrie – es sind auch exakt die Branchen, die Monat für Monat auch neue Jobs in den USA schaffen und dort für de facto Vollbeschäftigung sorgen. In den USA kommen oben drauf noch die „extrem gut bezahlten Jobs“ (Satire) bei Kasinos und Freizeitparks. Man weiß gar nicht, warum die alle Trump wählen? Diese Arbeitnehmer müssten doch mit 8 Dollar die Stunde glücklich sein, oder?

Die Parallele: Obama sprach in den letzten Monaten genau wie Merkel: Immer mehr Jobs, immer weniger Arbeitslose, es läuft super, phantastisch. Von daher war es gar nicht denkbar, dass es Gründe gab nicht Hillary Clinton zu wählen. Mein Gott, wir hören uns ja schon fast an wie die Redenschreiber von Sarah Wagenknecht. Aber nein, das wollen wir nicht sein. Nur möchten wir anmerken: Der DIHK verkündet diese Jubelmeldung voller Stolz, obwohl jeder halbwegs klar denkende Beobachter weiß, dass eine Volkswirtschaft mit einer großen Bevölkerung „Industrieproduktion“ benötigt als Basis für die Dienstleistungsjobs drum herum. Sind es nur noch oder immer mehr Dienstleistungsjobs wie in UK oder USA, sinken Einkommen und Lebensstandard zwangsläufig immer weiter.

Im selben Atemzug konnte sich in vielen asiatischen Ländern in den letzten Jahren eine Mittelschicht entwickeln, basierend auf der dort neu entstandenen Industrieproduktion (neben China auch Indonesien, Malaysia usw). Eine Lösung zu finden für viele Menschen hierzulande, die von 8,50 Euro die Stunde keine Fernseher kaufen und keine Urlaubsreisen buchen können, und kein Geld nebenbei anlegen können, das ist die Aufgabe der Politik. Aber die scheint wohl in den Wahlkampf  zu gehen mit dem Phrase „es geht uns so gut wie nie zuvor“. In der Tat, das können bei dem hohen Beschäftigungsstand auch die USA von sich behaupten.

Auch ist beim DIHK die Rede davon, dass Fachkräfte überall gefragt seien. Wir meinen: Es müsste doch nun wirklich genug Angebot geben. Der aktuelle Trend in der deutschen Wirtschaft lautet: Weiterer Abbau von hochwertigen Arbeitsplätzen (siehe ganz aktuell massenweise bei Volkswagen, Lufthansa Technik usw). Der erfolgt nicht über Entlassungen, sondern Vorruhestandsregelungen für ältere Mitarbeiter. Deren Stellen werden dann nicht neu besetzt. Das bedeutet: Junge frische hochqualifizierte Kräfte können auf diese Jobs nicht nachrücken, und stehen folglich der Industrie andernorts zur Verfügung! Man kann es daher so oder so sehen, Fachkräftemangel oder das Märchen vom Fachkräftemangel.

Ach, noch was: Seit Jahren verharrt die Zahl der Langzeitarbeitslosen (Hartz 4) auf fast dem selben Niveau. Ein konstanter Sockel! Dazu steigt Monat für Monat die Zahl der offenen Stellen, die nicht besetzt werden können. Dazu jetzt die Meldung des DIHK, dass nächstes Jahr 450.000 neue Jobs entstehen, bei gleichzeitigem massiven Fachkräftemangel. Wir kommen da nicht mehr ganz mit – können Sie uns das erklären, wie das alles in Einklang zu bringen ist? Eine Erklärung wäre: Der DIHK bestätigt mit seinen Aussagen indirekt, dass die 400.000 neuen Dienstleistungsjobs keine Jobs sind, bei denen Fachkräftemangel herrscht – folglich also „einfache Jobs ohne große Fachkenntnis“?

dihk



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3 Kommentare

  1. Sind die Kammern nicht Teil des Problems? Alle, die sich von Zwangsbeiträgen ein Übergewicht angefressen haben, hätten keine Überlebenschance, wenn sie ihre Mitglieder allein durch Leistung zur Zahlung von Beiträgen überzeugen müssten.

  2. Wenn man wissen will, warum die US-Amerikaner Donald Trump gewählt haben, ist es vielleicht hifreich, sich die Ermittlungsmethodik der offiziellen Arbeitslosen-Statistiken anzusehen.
    Die Website Shadow Government Statistics (http://www.shadowstats.com/alternate_data/unemployment-charts) ermittelt die Arbeitslosenrate nach den Regeln von 1994 (Bill Clintons Regierungszeit) und kommt auf 23% anstatt der offizell verkündeten 5%.
    In Deutschland ist die Abweichung wohl nicht so krass, aber auch vorhanden, wie auch FMW dankenswerterweise immer wieder mal aufzeigt.
    Man kann sich und den Bürgern die Wirklichkeit eben nur bis zu einem gewissen Maß schön lügen, irgendwann platzt die Illusion …

  3. es ist eine Schande gegenüber die Bewölkerung und die Menschen die jeden Tag leiden müssen – wir haben 2,72 Millionen „Arbeitslose“ aber wir haben auch 10 Millionen (10% der Bevölkerung) die auf Hartz Leistungen und Sozial Sicherung angewiesen sind, Davon 975.000 Migranten/Asylanten die keine Fachkräfte waren sondern direkt in die Soziale Absicherung geschickt wurden. Nocheinmal: 10 Millionen Menschen in Deutschland kann sich nicht von alleine ernähren und Ihre Kinder nicht versorgen. Wann hört diese Schönmalerei auf und laß uns endlich über die Realität und Wirklichkeit reden und diskutieren. Alle einen schönen Abend

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