FMW-Redaktion
Jetzt liegen die Fakten auf dem Tisch. Wie erwartet haben Deutsche Börse und London Stock Exchange verkündet, dass 54% der neuen fusionierten Gesellschaft an die Aktionäre der Deutschen Börse gehen sollen. Daran kann sich ein national orientierter Mensch ein Sekündchen lang berauschen. Toll, wir haben die Mehrheit! So ein Quatsch, albern, irrelevant! Denn schon jetzt stammen die Aktionäre der Deutschen Börse nur zu 15% aus Deutschland, und zu 59% aus den USA + Großbritannien. Also wird die fusionierte Gesellschaft zu einem überwältigenden Teil britische und amerikanische Aktionäre haben.
Auch ist bei so einer gewichtigen Fusion immer der Standort entscheidend. Auch im offiziellen Text beteuert die Deutsche Börse, dass ja zwei einzelne Gesellschaften fortbestehen, in London und in Frankfurt, wo vor Ort für den jeweiligen Börsenplatz die Entscheidungen getroffen werden. Das ist natürlich ein nettes Placebo für deutsche Politiker, die der Fusion noch zustimmen müssen, und für die deutsche Öffentlichkeit. Der Sitz der Holding, also der Mutter der beiden Einzelgesellschaften, wird aber in London sein. Und das ist letztlich entscheidend.
Dort werden die Entscheidungen getroffen. Es ist unvermeidlich, dass der Sog des Führungspersonals nach London geht. Auch die Aktionäre, die angelsächsisch sind, warum sollen die bei einer Neubesetzung des Chefpostens, wenn Chef Kengeter irgendwann mal geht, krampfhaft nach einem deutschen Chef suchen? Albern. Natürlich wird in London nach einem Nachfolger gesucht, weil der Konzern ja dort sitzt. Technologie-Weiterentwicklung, Marketing, Leitungsfunktionen von Clearingaktivitäten, alles wird zukünftig aus London heraus entschieden, da mache sich bitte niemand Illusionen. Frankfurt wird zur Filiale, zur abwickelnden Außenstelle, das ist zwangsläufig die Entwicklung – auch da sollte man sich keine Illusionen machen!
Wenn diese Entwicklung dem hessischen Wirtschaftsministerium egal ist, kann man der Fusion mit gutem Gewissen zustimmen. Denn ja, dort sitzt letztlich der entscheidende Mann, Wirtschftsminister Tarek Al-Wasir. Die Deutsche Börse ist zwar ein privat geführter und im Privatbesitz befindlicher Konzern, doch er betreibt das Börsengeschäft in Frankfurt im „öffentlichen Auftrag“, wie es so schön heißt. Aus dem Wirtschaftsministerium hieß es bereits der Sitz einer neuen Holdinggesellschaft werde Teil der Analyse sein.
Lässt man sich von den warmen Worten von Herrn Kegeter blenden? Der wohnt eh längst in London. Er hat zwar verkündet er werden zukünftig pendeln und von London und Frankfurt aus arbeiten. Aber herje, wenn juckt das schon noch nach einer genehmigten Fusion? Warum dann noch krampfhaft nach Frankfurt jetten? Ach übrigens: Wenn Frankfurt letztendlich nur noch ein ausführender Standort ist, was hindert die Mutter in London daran im Rahmen von zukünftigen „Restrukturierungsrunden“ ganze IT-Abteilungen z.B. nach Indien zu verlagern? Spart Geld. Aber keine Angst, am Frankfurter Parkett als Kulisse für die TV-Kameras wird man wohl aus Marketinggründen festhalten!
Wie gesagt: Frankfurt wird unweigerlich zur abwickelnden Außenstelle eines Konzerns mit Sitz in London. Der Sog weg aus Frankfurt hin nach London wird auch viele andere Firmen betreffen. Wenn das der hessischen Politik egal ist, kann sie dieser Fusion zustimmen. Man muss dann halt mit den Konsequenzen leben.
Hier eine Aussagen zur Fusion durch die Deutsche Börse:
– Hochkomplementärer Zusammenschluss über die Geschäftsbereiche und Anlageklassen, beschleunigt Wachstumsstrategien von London Stock Exchange Group und Deutsche Börse und führt zu einem signifikant erweiterten Produktangebot für Kunden.
– Dank verbesserter Position im globalen Marktinfrastruktursektor gut aufgestellt für industrielle und regulatorische Veränderungsdynamik, international konkurrenzfähig, wertschaffend für Aktionäre bedingt durch eine Erfolgsbilanz und fundiertes Verständnis der Kundenbedürfnisse.
– Führende Positionen in verschiedenen Anlageklassen (Derivate, Aktien, Anleihen, Devisen und Energieprodukte), umfassendes Angebot für globale Kunden bei Investitionen, im Handel sowie Risiko- und Bilanzmanagement.
– Attraktives Portfolio aus führenden Unternehmen und Marken im Kapitalmarktgeschäft und im Nachhandel, bei Indizes, Marktdatengeschäft und Technologie mit breit gefächertem Umsatz über Geschäftsbereiche hinweg.
– Wegweisender Zusammenschluss: London als global führendes Finanzzentrum und Frankfurt als Tor zur größten Volkswirtschaft Europas und Sitz der EZB.
– Stärkt globale Präsenz, gemeinsame Reichweite und Vertriebswege.
– Neue Holding-Gesellschaft („UK TopCo“) hat ihren Sitz in Großbritannien und ein einheitliches Leitungsgremium mit paritätischer Besetzung von London Stock Exchange Group und Deutscher Börse.
– London Stock Exchange plc bleibt beim „one-tier-board“-System. Deutsche Börse AG wird weiterhin ein zweistufiges System aus Vorstand und Aufsichtsrat haben, inklusive des entsprechenden Mitbestimmungsrechts für Arbeitnehmer.
– Zusammengeschlossenes Unternehmen wird eine ausgewogene Governance- und Unternehmensstruktur haben und seine Hauptsitze in Frankfurt und London
beibehalten.
– Vorbehaltlich der üblichen und endgültigen regulatorischen Genehmigungen bleiben die bestehenden nationalen regulatorischen Rahmenbedingungen aller regulierten Einheiten unverändert.
– LSEG und DBAG werden weiter in ihren jeweiligen Gründungsländern Steuern entrichten.
– Erhebliche Wertsteigerung durch Kostensynergien von 450 Millionen Euro pro Jahr ab dem dritten Jahr nach Vollzug der Transaktion – zudem erhebliches Potenzial für Umsatzsynergien.
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