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Deutsche Onlinebroker und ihr Versagen am Brexit-Day: Hohes Aufkommen nicht vorhersehbar?

Seit Monaten hat sich die ganze Börsenindustrie umfangreich auf den Brexit-Day vorbereitet. Vor allem angelsächsische CFD- und Forex-Broker haben ihre Kunden vorher umfassend informiert, die Sicherheitsleistungen fürs Trading...

FMW-Redaktion

Seit Monaten hat sich die ganze Börsenindustrie umfangreich auf den Brexit-Day vorbereitet. Vor allem angelsächsische CFD- und Forex-Broker haben ihre Kunden vorher umfassend informiert, die Sicherheitsleistungen fürs Trading raufgesetzt und technische Systeme ausgebaut. Auch einige deutsche Anbieter scheinen sich gut vorbereitet zu haben. So kamen anscheinend die Deutsche Bank, die ING Diba und auch die Comdirect ohne Probleme durch den Brexit-Handelstag am letzten Freitag, wo man sagte trotz der deutlich höheren Aufrufe hätten die Systeme gehalten, weil man sich vorbereitet hatte.

Brexit

Es war allen bekannt: An so einem Tag würde das Handelsvolumen bzw. die Einlogg-Anfragen und Orders von Privatanlegern explodieren, selbst wenn sich viele auch zurückhalten. Eine riesige Masse von Privatkunden würde sich gleichzeitig einloggen und ordern wollen. So wie es aussieht, hatten sich die DAB Bank und die auch die Consorsbank nicht wirklich auf diesen Ansturm vorbereitet. Wir haben natürlich keine Bankinterna vorliegen, aber diese Schlussfolgerung darf man wohl ziehen, wenn man sieht, dass z.B. die Consorsbank gegenüber der „Welt“ sagte in der Form hätte es das noch nie gegeben. Die Last auf die Systeme sei extrem gewesen. Die hohe Nachfrage habe zwar nicht zu einem vollständigen Zusammenbruch der Technik geführt, allerdings sei höchstens jede zweite Anfrage durchgegangen. Darf man das als Armutszeugnis bezeichnen?

Laut Consorsbank habe man nur unter Umständen einen Anspruch auf Erstattung von Verlusten oder entgangenen Gewinnen. Diesen Anspruch könne man nämlich nur dann geltend machen, wenn es einem am letzten Freitag gelang sich ins Online-Konto einzuloggen. Kam es dann im eingeloggten Zustand zu Verzögerungen, könne man als Bank diese Verzögerung im Kundenkonto nachvollziehen. Nur die bloße Behauptung von Kunden, sie hätten am Freitag versucht sich ins Onlinekonto einzuloggen, reicht als Nachweis nicht. Diese Erklärung wird so manchen Kunden nicht nur frustriert, sondern verständlicherweise mehr als wütend zurücklassen, um es mal vorsichtig zu sagen. Ist es nicht gerade die Aufgabe eines Online-Brokers auf solche Börsenereignisse vorbereitet zu sein, gerade wenn sie seit Monaten bekannt sind?

Bei der DAB Bank hieß es einige Kunden würden reinkommen, andere hätten eine Fehlermeldung erhalten. Die schiere Masse der Anfragen sei das Problem gewesen. Sie seien noch höher gestiegen als beim Atomunfall in Fukushima. Auch andernorts hört man das Übliche wie in solchen Fällen: Server überlastet, unvorhersehbarer Ansturm auf die Systeme – auch technische Problem bei „externen Dienstleistern“ werden in solchen Fällen immer gerne vorgeschoben, um sich selbst in ein gutes Licht zu stellen.

Höhere Gewalt

Jetzt wird es interessant. Eine Lawine von Kundenbeschwerden wird wie in solchen Fällen üblich über die Broker hereinbrechen. Man fordert vielleicht Erstattungen für Verluste bzw. entgangene Gewinne. Welchen Joker ziehen die Broker aus dem Ärmel? „Höhere Gewalt“ wird die Antwort wohl lauten. So steht es quasi in allen AGB´s jeder Bank. Bei Terror, Unwetter, Katastrophen oder „sonstigen außergewöhnlichen Ereignissen“, die nicht vorhersehrbar sind, übernimmt der Broker keine Garantie für ein funktionierendes Login oder funktionierender Ordersysteme. Das ist auch nachvollziehbar. Eine Bank ist auch nur verpflichtet einen Regelbetrieb zu gewährleisten. 9/11, Fukushima usw waren allesamt völlig unvorhersehbare Ereignisse, und sind daher zu Recht als „Höhere Gewalt“ einzustufen, wo ein Kunde keine Chance auf Erstattung hat, wenn Ordersysteme überlastet sind. Aber der Brexit-Day war zu 100% vorhersehbar, mehr als jedes andere Ereignis sonst!

Nochmal die rhetorische Frage: War so eine Zunahme der gleichzeitigen Kundenzugriffe wirklich nicht vorauszusehen??? Ganz im Gegenteil!!! Man kann sagen: Ein verdammt schwaches Bild gibt der Broker ab, wenn er für so einen Tag nicht seine Rechner-Kapazitäten ausgebaut hat! Wie bei jedem solcher Ereignisse wird es wohl Kunden geben, die wutentbrannt vor Gericht ziehen gegen ihren Broker. Der wird wie in solchen Fällen üblich die Karte „Höhere Gewalt“ ziehen, wobei es interessant sein dürfe, wo hier die Höhere Gewalt ist, weil das Ereignis ja zu 100% vorhersehbar war. Aber die Finanzindustrie wird wohl Glück haben – denn gerade deutsche Gerichte sind dafür bekannt in solchen Fragen ziemlich bankenfreundlich zu urteilen.

Nochmal: Wenn es ein Ereignis gab, dass vorhersehbar war bzgl. einer explodierenden Anfrage von Kunden-Logins und Orders, dann der Brexit-Day! Wenn man darauf nicht vorbereitet war, ist das… tja, uns fehlen die Worte… welche Worte finden Sie dafür? Welche Erfahrungen haben Sie am Freitag gemacht? Schreiben Sie uns gerne ihre „Erlebnisse“ in die Kommentare!

https://twitter.com/DABBank/status/746322998685208576



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5 Kommentare

  1. Wenn wir schon von Versagen reden der ‚großen Häuser‘ reden …

    könnte man auch auf den Denkfehler zu sprechen kommen, der dort ‚durch die Bank‘ begangen wurde. Denn wegen der Wettbüros, nach denen eine überwältigende Mehrheit für „stay“ und eben nicht für „Brexit“ gestimmt hatten, zockten die großen Häuser den Dax doch noch am Donnerstag auf 1.300 € hoch .
    Dabei hatten diese Großinvestoren übersehen, daß die Wettbüros die verwetteten Geldmengen gegeneinandergestellt hatten. D. h. hier aber nur, daß die mit viel Geld gegen Brexit stimmten, während die mit wenig Geld für Brexit stimmten. Man hätte sich aber nicht auf die verwetteten Geldmengen, sonder auf die Anzahl der wettenden Personen abstellen müssen!
    Siehe dazu: .(Vorsicht .. geht zu Springers ekliger „Die Welt“): http://www.welt.de/finanzen/geldanlage/article156564844/Die-Albtraeume-der-Finanzbranche-sind-wahr-geworden.html
    und http://www.pravda-tv.com/2016/06/brexit-deutsche-medien-massenhaft-auf-gefaelschte-wettquoten-reingefallen-videos/

  2. Interactive Brokers waren perfekt und schnell, wie immer.
    Null Problem

  3. dem kann ich nur zustimmen. IB lief reibungslos

  4. Bin bei der Diba und hier ist am Freitag in der Früh alles zusammen gebrochen! Telefonisch, online, Charts, Kurse, nix ging. Und als es ging, war es schon zu spät. Werde mir eine neue Bank suchen, mit der ich auch außerbörslich handeln kann. Also nicht nur im Direkthandel und Stuttgart von 8.00Uhr bis 22.00UHr, sondern von 7.00 – 23.00 Uhr und auch samstags. Wie und wo genau weiß ich noch nicht. Aber der Schock und Zusammenbruch am Freitag hat mir gereicht!

  5. Ich bin Kunde der DAB und hatte morgens eine Order in Auftrag gegeben. Die Order wurde mit einem Stopp Loss versehen und hätte, als sich der Dax langsam erholte, ausgelöst werden müssen. Wurde Sie aber nicht. Die Order ist über mein Kundenlogin nicht zu finden, nirgendwo verzeichnet. Telefonisch bestätigte mir ein Mitarbeiter nach gefühlt endlosem Durchkommen am Nachmittag (!!), dass die Order aufgrund Turbolenzen storniert wurde.
    Jetzt verweigert die DAB die Existenz der Order und ich soll einen Nachweis darüber erbringen. Unglaublich aber wahr. Zeitweise hat dieses Vorgehen zu einem grösseren 4Stelligen Verlust geführt, den ich der DAB verdanke. Dem Partner, den ich gewählt habe etwas mit Aktien zu handeln mit dem Ziel meine Rente aufzubessern. Das wird eine Klage geben.

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