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Die große Brexit-Rede von Theresa May: Eine Einordnung

Theresa May hat ihre lange erwartete Rede zum Brexit gehalten. Dabei hat sie alles aufgefahren, was möglich war. Natürlich gab es das übliche Geschwafel von toller zukünftiger Zusammenarbeit mit der EU...

Von Claudio Kummerfeld

Theresa May hat ihre lange erwartete Rede zum Brexit gehalten. Dabei hat sie alles aufgefahren, was möglich war. Natürlich gab es das übliche Geschwafel von toller zukünftiger Zusammenarbeit mit der EU, und vom Ziel eines Großbritanniens an der Weltspitze der Forschung und vieles mehr. Das ist in so einer Rede natürlich notwendig. Die patriotische Seele braucht so etwas in Zeiten von Unsicherheit. May arbeitete in ihrer Rede mit dem Prinzip Hoffnung + Zuckerbrot + Peitsche. Auf der einen Seite will betont sie, wie wichtig für UK eine erfolgreiche EU auch in Zukunft sei.

Allen sei an einem freundschaftlichen Auseinandergehen gelegen, so die Grundstimmung eines Teils der Rede. Aber besonders ihr Hinweis auf die „Arbeiter in deutschen Autofabriken, die französischen Bauern, spanischen Fischer und Millionen jugendlicher Arbeitsloser in der EU“ bringt Klarheit ins Bild. Diese Personen würden darunter leiden, wenn die EU den Briten den freien Zugang zum Binnenmarkt versperre. Die klare Botschaft dahinter: Dann machen wir es eben wie Trump, und versehen EU-Importe nach Großbritannien eben mit drastischen Zöllen.

Man kann ihre Rede auch als das Spiel „Guter Bulle böser Bulle“ bezeichnen. Denn nach der Drohung kommt wieder der nette zuvorkommende Hinweis, dass man als UK höchsten Respekt davor habe, wie wichtig der EU die Personenfreizügigkeit sei. Dass man aber genau diese Freizügigkeit verweigern will, sprach sie direkt nicht an – am Anfang der Rede machte sie aber klar, dass diese Freizügigkeit mit der „vollen Kontrolle“ über die eigenen Grenzen hinfällig werden wird. Was bedeutet das alles? May will pokern, irgendeine Art von Kompromiss aushandeln, der für UK trotzdem den EU-Binnenmarkt wie bisher offen lässt.

Deswegen auch nochmal ihre klare Ansage wohl an alle Presseleute und Politiker auf der Insel, doch bitte endlich aufzuhören mit wilden Spekulationen zu noch bevorstehenden Verhandlungsdetails. Sie lasse sich nicht in die Karten schauen und werde vorab keine Details verraten, so kann man ihre Worte zusammenfassen. Es wird also eine harte Pokerrunde werden, bei der May versucht so viel für UK rauszuholen wie möglich. Lässt sich die EU auf einen faulen Kompromiss ein, aus Angst dass zum Beispiel deutsch Autobauer zukünftig weniger in UK verkaufen? Genau diese Angst versuchte May mit ihrer Rede zu schüren.

Jetzt können Merkel, Hollande und Co mal zeigen, dass sie im Sinne der europäischen Idee (Freizügigkeit etc) hart bleiben. Wie wir die letzten Monate schon öfters beschrieben haben, kann man sich als Leitlinie an einem einfachen Prinzip orientieren: Der größere Markt hat immer die besseren Karten bei Verhandlungen. Es steht auf der einen Seite UK mit einem Markt von 65 Millionen Konsumenten, und auf der anderen Seite die Rest-EU mit 445 Millionen Konsumenten. Es bestimmt immer der deutlich größere Verhandlungspartner die Regeln von Verträgen, weil er am Ende des Tages den größeren Markt hat, auf dem folglich mehr verkauft werden kann. Und in diesem Fall sehen die Relationen mehr als klar aus (übrigens genau so bei zukünftigen Handelsvereinbarungen zwischen UK und USA).

May könnte nur Glück haben, dass ihre Verhandlungspartner in Brüssel, Berlin und Paris so geschwächt, chaotisch und ängstlich auftreten, dass sie May´s Wünschen nachgeben. Und was macht der Devisenmarkt aus May´s heutiger Rede? Gegen den US-Dollar und gegen den Euro legte das Pfund während und nach ihrer Rede deutlich zu. Der Markt glaubt zumindest in dieser ersten Reaktion (!), dass May für den britischen Finanzsektor den freien EU-Zugang doch irgendwie retten könnte. Eine kühne Hoffnung! Bei Forex-Tradern lautet offenbar gerade das Motto „die letzten Tage haben wir die Gerüchteküche geshortet“, und jetzt nach der Rede „kaufen wir die Fakten“ (also glattstellen nach Fakten).

Der Originalspruch lautet „Verkauf die Gerüchte, kaufe die Fakten“, auch wenn die Fakten eigentlich für ein weiter fallendes Pfund sprechen. Aber man kann es eben auch als Glaubensfrage ansehen: Wer nach dieser Rede seinen Glauben in Theresa May´s Fähigkeiten gefestigt hat für UK einen TOP-Deal rauszuschlagen, der kauft jetzt das Pfund. Da scheint es zumindest in den letzten Minuten viele Gläubige zu geben.

Wir haben da so unsere Zweifel, ob dieser Glaube auch nach dem Start der Austrittsverhandlungen anhalten wird. Aber das ist ja das Schöne – es ist ein noch nie da gewesener Vorgang (der erste Austritt eines Landes aus der EU), und wir alle betreten Neuland! Bis heute Mittag waren die Shortpositionen im Pfund (Derivate) auf einem sehr hohen Niveau. Es ist auch gut möglich, dass viele Shorties enttäuscht waren, dass eine extrem negative Überraschungsaussage für das Pfund ausblieb, und daher erst einmal einige Shorts glattgestellt haben.

Interessant war übrigens auch die Aussage von Theresa May, dass man am Ende der Brexit-Verhandlungen mit der EU das britische Parlament über das Verhandlungsergebnis abstimmen lassen will. Man will also den Ausstieg aus der EU (Artikel 50) weiterhin als Regierung alleine verkünden, aber das Parlament ganz am Ende einbinden. Dann geht es aber nicht um Brexit JA oder NEIN, sondern nur noch darum, ob das Verhandlungsergebnis den Abgeordneten gefällt, oder ob sie Nachbesserungen wünschen. Das höchste britische Gericht soll übrigens in den nächsten Tagen noch darüber abstimmen, ob das Parlament schon jetzt einbezogen werden muss, wenn es um die Verkündung des Brexit geht.


Der Euro gegen das Pfund seit Donnerstag. Am Ende klar erkennbar der aktuelle Euro-Rückfall seit einer Stunde.


Das Pfund gegen den US-Dollar seit Donnerstag. Seit einer Stunde ein klarer Anstieg.



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3 Kommentare

  1. Die EU, wenn sie nicht völlig ihre Glaubwürdigkeit verlieren möchte, kann gar nicht einknicken und nachgeben, sonst sind die Niederlande, Dänemark und eventuell Schweden auch bald weg. Und alleine die Angst, dass Madame LePen bei der Wahl dann sagen kann, schaut her wie falsch und feige diese EU doch ist, wird einen Kompromiss sehr schwer machen.

    1. Die Frage bleibt für viele, welche Bedeutung hat das dann für die Finanzmärkte? Ich zweifel mittlerweile dran, dass die Börsen angeblich so vorausschauend sind.

      Wird das Thema frühestens im März wieder hochgekocht, wenn der Austritt definitiv bekanntgegeben wird? Oder erst nach zwei Jahren, wenn sich gezeigt hat, dass Ihre Meinung tatsächlich die richtige war?

      Ich stell fest, ständig auf fallende Kurse zu warten, bringt mir echt keinen Spaß. Hab nun wirklich angenommen, dass diese Woche mal der überfällige kraftvolle Rückschlag kommt – TINA hin oder her. Aber nein, TINA setzt sich durch.

  2. Was soll der ganze lange Text… ? May-Rede, ja ja ja, haut doch endlich ab, verbündet Euch mit dem Donald und gut is ?

    Brexit = Exit = Aus

    Die Briten… Wer wird als nächstes folgen ? Der Donald hats doch gesagt ? :D

    VG

    Marko

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