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Erst Armut erzeugen? Dann das schlechte Gewissen beruhigen? Amazon-Chef fragt Twitter-Gemeinde, wofür er Geld spenden soll

Geld für gute Sachen spenden ist etwas Gutes, gar keine Frage. Und wenn Superreiche ihr Geld spenden, ist das allemal besser als es auf der Bank schmoren zu lassen. In den USA gehört das massive Spenden gerade bei Superreichen zum guten Ton...

FMW-Redaktion

Geld für gute Sachen spenden ist etwas Gutes, gar keine Frage. Und wenn Superreiche ihr Geld spenden, ist das allemal besser als es auf der Bank schmoren zu lassen. In den USA gehört das massive Spenden gerade bei Superreichen zum guten Ton, nicht erst seit den Zeiten eines Rockefeller. Der hatte (ja, das war wirklich so) auf dem Rücken seiner Arbeiter auf brutalste Art und Weise ein gigantisches Vermögen gescheffelt. In hohem Alter merkten er wie auch seine Konkurrenten namens Carnegie etc, dass all das Geld nichts bringt, wenn man von der breiten Öffentlichkeit verachtet oder sogar gehasst wird.

Also fing er an zusammen mit anderen extrem reichen Amerikanern eine Art Spenden-Wettlauf zu veranstalten. So wurden beispielsweise in den USA landesweit Universitäten und Bibliotheken finanziert. Heute kennt man dieses Phänomen unter dem Begriff „Philanthrop“. Heute ist Bill Gates Vorreiter. Mark Zuckerberg veranstaltet so eine Art Pseudo-Philanthrophie, weil er zwar angeblich fast sein ganzes Vermögen spendet. Aber in Wirklichkeit bucht er sein Vermögen um in eine Kapitalgesellschaft, die wiederum in Spenden-Projekte investieren soll – Chef dieser Firma ist Mark Zuckerberg selbst.

Der zweitreichste Mann der Welt, Amazon-Chef Jeff Bezos, hatte sich bisher nicht an dieser Spenden-Orgie beteiligt. Jetzt aber springt er voll auf diesen Zug mit auf. Und das so jung und dynamisch, wie es sich für die Pioniere der Tech-Industrie gehört. Per Twitter fragte er ganz offen die Follower-Community. Wofür solle er denn sein Geld spenden? Man solle ihm Vorschläge machen. Und siehe da, binnen einer Woche gab es zu dem Tweet 43.000 Kommentare!

Was es daran zu kritisieren gibt, dass Jeff Bezos aktuell nicht weiß, was er mit seinem Geld anfangen soll? Nun, Amazon hat in den letzten Jahren mit seinem massiven und derben Kampf dafür gesorgt, dass immer mehr stationäre Einzelhändler in die Knie gingen. Massenweise Jobs gehen gerade dieses Jahr in den USA in Kaufhäusern verloren. Den direkten Zusammenhang zwischen Amazon´s Aufstieg und der massiven Verdrängung der „alten“ stationären Einzelhändler kann wohl niemand ernsthaft leugnen.

Aber natürlich kann man leidenschaftlich darüber diskutieren, ob Herr Bezos nun direkt verantwortlich ist für jede Menge neue Arbeitslose in den USA, die sich nicht mehr als Verkäufer in einem Kaufhaus wiederfinden, sondern bald als Kartenabreißer in einem Freizeitpark – und das sicherlich zu deutlich niedrigerem Gehalt als vorher im Kaufhaus! Wer ist schuld? Kann man sagen Jeff Bezos ist dafür verantwortlich, weil er diese Entwicklung mit brutaler Durchsetzungskraft vorangetrieben hat?

Man kann genau so argumentieren, dass er lediglich innovativ ist, und nur für sein eigenes Geschäftsmodell verantwortlich zeichnet. Dann kann man auch sagen, dass die Chefs der stationären Einzelhändler eben nicht innovativ dagegen gehalten haben, und ihrerseits die Schuld an den Jobverlusten tragen. Auch kann man argumentieren, dass technologischer Fortschritt, wie Bezos ihn als Marktführer vorantreibt, unausweichlich ist. Also wären diese Jobs so oder so verloren gegangen? Ach ja, und schuld am Onlineshopping sind ja vor allem die Verbraucher, die nicht dazu gezwungen werden.

Das ändert aber nichts daran, dass Bezos der maßgebliche Antreiber einer Entwicklung war, die nun massenweise Jobs im stationären Einzelhandel hinwegfegt. Und der Gewinn aus der ganzen Verlagerung von Stationär hin zum Onlineshopphing, wo verbleibt der? Bei den Aktionären von Amazon, und damit massiv auch bei Jeff Bezos. Ob er sich nun schuldig gemacht hat oder nicht – profitieren von dieser Entwicklung tut er massiv.

Möchte er mit seinem aktuellen Aufruf so eine Art Ablasshandel leisten? Das schlechte Gewissen befriedigen? Bei Carnegie und Rockefeller waren ihre Spenden-Orgien aus historischer Betrachtungsweise definitiv eine Art selbst auferlegter Ablasshandel, um den eigenen Ruf aufzupolieren. Denn man hatte sich massiv auf Kosten seiner Abeiter ein Vermögen angehäuft. Bei Bezos geht es um die Jobs anderer Unternehmen, die er direkt oder indirekt beeinflusst hat. Kann man sich über seinen Wunsch „Gutes tun zu wollen“ schon heute ein Urteil bilden, oder auch erst in 100 Jahren?

Ein kleines theoretisches Beispiel. Bezos könnte mit seinem Geld Fortbildungseinrichtungen finanziell unterstützen, Abendschulen, Berufsschulen, Universitäten etc. Und sagen wir mal es gäbe da jemanden, der bisher für 16 Dollar die Stunden in einem Kaufhaus gearbeitet hat. Job weg. Jetzt hat er (um seinen Lebensstandard halten zu können) zwei Vollzeitjobs je 8 Dollar die Stunde – durchaus nicht unüblich in den USA! Jetzt könnte man sagen dank der Großzügigkeit von Jeff Bezos kann er ja kostenlos eine Fortbildung an einer Abendschule besuchen. Dadurch hat er die Aussicht auf einen besser bezahlten Job in einer anderen Industrie. Frage: Wie soll er das zeitlich hinbekommen bei zwei Vollzeitjobs gleichzeitig noch eine Abendschule zu besuchen?

Und der Auslöser für dieses Problem war im Endeffekt ein Onlinehändler, der den Kaufhäusern den Krieg erklärte. Aber genau so wie Bezos sind auch die Verbraucher verantwortlich, die immer mehr online shoppen. Aber die haben andererseits auch kein Milliardenvermögen, mit dem sich durch Spenden ihr Gewissen beruhigen können…


Amazon-Chef Jeff Bezos. Foto.: Steve Jurvetson / Wikipedia (CC BY 2.0)



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