Die europäischen Aktienmärkte erreichten am Freitag neue Höchststände, beflügelt von Chinas umfangreichen Stimulus-Paket und der wachsenden Überzeugung, dass die US-Notenbank Fed und die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinsen in den kommenden Monaten weiter senken werden. Der Deutsche Aktienindex befindet sich weiterhin im Höhenflug und übertraf am Freitag sein tags zuvor erreichtes Allzeithoch nochmals deutlich. Die neue Bestmarke liegt nun bei 19.395,69 Punkten. Auch der breitgefasste Stoxx Europe 600 Index stieg zur Mittagszeit um 0,4 %, nachdem er am Donnerstag aufgrund einer Rallye der in China notierten Aktien und Anzeichen dafür, dass die US-Wirtschaft auf eine sanfte Landung zusteuert, den höchsten Schlussstand seit Bestehen des Index erreicht hatte. Luxus-Aktien wie LVMH profitierten besonders von dem Aufschwung in China und sorgten damit für zusätzlichen Treibstoff an den europäischen Aktienmärkten.
Europäische Aktienmärkte auf Rekordjagd
Chinas weitreichende Stimulus-Maßnahmen könnten bewirken, dass e zu einer breiten Rotation raus aus teuren US-Aktien hin zu günstigen europäischen und chinesischen Titeln kommt. Dies spiegelt sich derzeit auch in der besseren Performance der hiesigen Aktienmärkte gegenüber den US-Börsen wider.
Luxus-Aktien wie LVMH, Richemont SA, Hermes International SCA und Kering SA bauten ihre Gewinne aus, da sie davon ausgingen, dass die wachstumsfördernden Maßnahmen Chinas den europäischen Exporteuren zugute kommen würden, während der Autosektor mit einem Anstieg von rund 2,4 % am besten abschnitt. Die im Dax gelisteten Autowerte bauten ihre Erholung aus, nachdem sie zuletzt aufgrund von einer Reihe an negativen Schlagzeilen abgerutscht waren.
Europas größtes Luxusunternehmen LVMH erhielt zusätzlichen Auftrieb durch die Ankündigung, in das Designer-Outdoor-Label Moncler SpA zu investieren, wodurch das Unternehmen einen Sitz im Vorstand des italienischen Unternehmens erhält. Moncler sprang um bis zu 15 % in die Höhe.
„Dies ist einer der Wendepunkte des Jahres“, sagte David Kruk, Leiter des Handels bei La Financiere de L’Echiquier in Paris. „Ich habe das Gefühl, dass jetzt alle mit dem Strom schwimmen werden“, sagte er und bezog sich dabei auf den Kauf von zyklischen und von der chinesischen Wirtschaft abhängigen Titeln.
Im Gegensatz dazu waren Aktien aus dem Gesundheitswesen, die in der Regel als sicherheitsorientiert gelten, die Schlusslichter des Tages. Die Aktien von Novo Nordisk A/S fielen um bis zu 4,6 %, nachdem JPMorgan darauf hingewiesen hatte, dass der Bericht des dänischen Arzneimittelherstellers für das dritte Quartal enttäuschend ausfallen könnte, da die Verkäufe des Blockbuster-Medikaments Wegovy zur Gewichtsreduzierung geringer ausfielen als erwartet.
Zinshoffnungen überwiegen Wachstumssorgen
Während die anhaltende Wirtschaftsschwäche in Europa die Aktienmärkte kaum belastet, erhalten vor allem Aktien Auftrieb, die durch die Aussicht auf niedrigere Zinsen profitieren. Händler wetten darauf, dass die EZB die Zinsen im Oktober erneut senken könnte, nachdem die Inflation in Frankreich und Spanien auf unter 2 % gesunken war.
Auch von der Federal Reserve wird erwartet, dass sie die Zinsen im November senkt, obwohl revidierte BIP-Daten am Donnerstag zeigten, dass die US-Wirtschaft in besserer Verfassung ist als erwartet. Die Wahrscheinlichkeit für eine weitere große Zinssenkung liegt derzeit bei 50 Prozent. Der von der Fed bevorzugte Inflationsindikator, die PCE-Preisdaten, und eine Momentaufnahme der Verbrauchernachfrage werden heute um 14:30 Uhr veröffentlicht und könnten weitere Hinweise auf den Zinspfad der Fed liefern.
Luxus-Aktien im Aufwind dank China
Innerhalb einer Woche hat sich das Blatt bei den europäischen Luxussegment gewendet. Nach einer mehrmonatigen Korrekturphase springen die Luxus-Aktien wieder an und treiben damit auch die Aktienmärkte an.
Der Sektor, der die meiste Zeit des Jahres aufgrund einer Verlangsamung der chinesischen Nachfrage unter Druck stand, hat sich in den letzten fünf Tagen stark erholt, wobei ein Korb von Luxusunternehmen von Goldman Sachs die beste Woche seit 2012 erleben dürfte.
Aktien wie die des Birkin-Taschenherstellers Hermes International SCA, der Cartier-Muttergesellschaft Richemont und der französischen LVMH sind alle um mehr als 15 % gestiegen, angetrieben von der Zusage Chinas, die Stimulierungsmaßnahmen zu verstärken. Die Investition von LVMH in das Oberbekleidungslabel Moncler SpA hat den Wohlfühlfaktor noch verstärkt.
„Wir hatten das Gefühl, dass wir uns kurz vor dem Tiefpunkt befanden, und das ist normalerweise der richtige Zeitpunkt zum Kaufen“, sagte Piral Dadhania, Analyst bei RBC Capital Markets. „Was uns überrascht und ein wenig aus dem Konzept gebracht hat, ist die Tatsache, dass der chinesische Stimulus kam und einen sehr, sehr positiven Einfluss auf die Aktien hatte.
Angesichts der Tatsache, dass chinesische Käufer eine entscheidende Rolle für das Vermögen von Unternehmen spielen, die teure Handtaschen, hochwertige Kleidung und glitzernde Zeitmesser herstellen, ist dies genau das, worauf die Anleger gehofft hatten, um die Wende nach den Korrektur einzuleiten.
Die überproportionalen Kursgewinne sind vielleicht nicht ganz überraschend, wenn man bedenkt, dass die Analysten in letzter Zeit immer häufiger von einer Baisse sprechen und Aktien wie die des Gucci-Eigentümers Kering SA, der britischen Burberry Group und des deutschen Bekleidungsherstellers Hugo Boss in der Nähe von Mehrjahrestiefs notieren. Alle drei gaben während der Gewinnsaison für das zweite Quartal Gewinnwarnungen heraus und ihre Aktien sind in diesem Jahr um mehr als ein Drittel gefallen.
Luxus-Aktien: Bewertungen
Die starken Rückgänge haben viel von der heißen Luft aus den Bewertungen genommen. Der MSCI Europe Textiles Apparel & Luxury Goods Index wird zwar immer noch mit einem beträchtlichen Aufschlag gegenüber dem MSCI Europe Index gehandelt, ist aber weit von den Höchstständen des Jahres 2021 entfernt.
Günstigere Bewertungen haben das Interesse der Anleger geweckt. Nick Clay, Portfoliomanager von Redwheel, sagte, er habe die jüngste Schwäche des Sektors genutzt, um eine neue Position in LVMH zu eröffnen. Er sieht ein langlebiges Unternehmen, dessen Aktien durch die Sorgen um China und die USA belastet wurden.
„Letztendlich werden sich die Stimmung und das Vertrauen wieder verbessern. Ob dies die Talsohle ist, lässt sich nicht sagen, aber wenn nicht, dann ist es wahrscheinlich, dass weitere Maßnahmen der Behörden folgen werden“, sagte Clay und bezog sich dabei auf die chinesischen Konjunkturmaßnahmen.
Während einige Strategen die Maßnahmen Chinas als unzureichend ansehen, um eine Rallye bei den am stärksten von der chinesischen Wirtschaft abhängigen Aktien aufrechtzuerhalten, haben andere vor dem Risiko gewarnt, etwas zu verpassen (FOMO). Die Strategen von Barclays warnten, dass Anleger, die solche Aktien meiden, mit einem „pain trade“ rechnen müssen. Denn die aktuelle Euphorie kann die Aktienmärkte noch höher treiben. Es ist ein Bullenmarkt.
FMW/Bloomberg
Kommentare lesen und schreiben, hier klicken
