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EZB-Coeure: Insiderinfos ab sofort nicht mehr auf Sektempfängen – nur noch in der Kneipe?

Von Claudio Kummerfeld

Benoit Coeure, Mitglied des „Executive Boards“, also des höchsten Gremiums der EZB, hatte am 18. Mai auf einer Veranstaltung (Sektempfang) für Hedgefondsmanager in London verkündet, dass die EZB ihre Anleihekäufe im Mai und Juni aufstocken würde, dafür aber im Juli und August weniger kaufen würde. Diese Info war bares Geld wert für die versammelte Gemeinde, denn die EZB veröffentlichte diese Information offiziell erst am nächsten Tag. In der Folge fielen z.B. die Renditen deutscher Staatsanleihen. Wer der anwesenden Fondsmanger sich einen Vorteil verschaffte, ist nicht bekannt, aber Herr Coeure durfte sich wohl einiges anhören von Mario Draghi. Börse Zungen behaupteten Coeure hätte an dem Abend zu tief ins Glas geschaut… aber wie gesagt, böse Zungen! Im Nachhinein spielte die EZB den Vorfall herunter – die Verspätung bei der Pressemitteilung wäre schuld gewesen… na ja. Nun hat Benoit Coeure der Börsenzeitung ein Interview gegeben, welches bei der EZB abgerufen werden kann. Hier sagte Coeure wortwörtlich:

„As for me personally, I will no longer speak at events organised by banks.“

Er wird also nie wieder auf Kongressen oder sonstigen Veranstaltungen der Branche auftreten. Die EZB habe durch diesen Vorfall gelernt, dass gerade derjenige (also die EZB), der für die Bankenaufsicht zuständig sei, eine gewisse Distanz zu den Überprüften halten müsste (das lernt man erst durch so einen Vorfall?) Hier seine vollständigen Antworten zu diesem Vorfall:

Frage Börsenzeitung:
Back in May, you attracted a lot of attention when you indicated at a non-public event involving hedge fund managers that the ECB would frontload some QE purchases before the summer, with the speech not being published until 12 hours later. President Draghi announced that the rules governing such appearances would be changed. What lessons need to be learned from that?

Antwort Coeure:
As the ECB has stated publicly, the discussion that was triggered was primarily a result of several misunderstandings relating to the substance and the news content of the speech, as well as an internal procedural error regarding the timing of its publication. But I have also drawn my own personal lessons from the incident.

Frage Börsenzeitung:
What are they?

Antwort Coeure:
For me, the key lesson from this episode is what the reaction said about people’s expectations of us at the ECB. The discussions about it have clearly shown that central banks must be above any suspicion that they are too close to market participants. That is true of central banks generally, and even more so when they are also responsible for banking supervision, as in the case of the ECB. As for me personally, I will no longer speak at events organised by banks. I did that in the past, there are no problems with that from a legal perspective and indeed, it is useful to learn from market participants. But we must be careful that people do not get the wrong impression.


Und was hatte Benoit Coeure Interessantes zu den Kapitalmärkten zu sagen?

Die Frage wurde gestellt, ob 25 Milliarden Euro reichen werden um die griechischen Banken zu rekapitalisieren. Die EZB-Bankenprüfer seien jetzt gerade dabei bei den griechischen Banken neu zu prüfen, wie hoch der Bedarf aktuell ist. Dies wird noch einige Wochen dauern, so Coeure. Bis Ende des Jahres müsse die Rekapitalisierung aber durchgeführt werden. Unsere Anmerkung dazu: Wenn die EZB das noch nicht einmal weiß, wie konnten dann die Europartner ein Gesamtpaket von 86 Milliarden Euro schnüren, wo schon ein fixer Betrag für die Banken-Rekapitalisierung enthalten ist?

Zu den Kapitalverkehrskontrollen sagte Coeure, es sei nicht an der EZB zu entscheiden, wann sie wieder aufgehoben werden. Die griechische Regierung müsse selbst entscheiden.

Zu den monatelangen Grexit-Überlegungen, also dass Griechenland aus dem Euro austritt, sagte Coeure ganz klar, dass es für die Stabilität des Euro wichtig sei, dass die Mitgliedschaft im Euro unumkehrbar sei. Diese Aussage ist natürlich letztlich gut für Griechenland. So weiß Alexis Tsipras, dass die EZB auch in Zukunft seine Banken immer weiter mit ELA-Notkrediten versorgen wird, um die „Staatsraison“ der Eurogruppe zu erhalten. Die EZB will keinen Euro-Austritt eines Mitglieds – dann muss sie kaputte Mitglieder dauerhaft durchfüttern, so kann man es direkter ausdrücken.

Zu dem Problem, dass die Inflation in der Eurozone nicht wirklich anspringe, sagte Coeure das Anleihekaufprogramm der EZB laufe ja noch bis September 2016, und könne notfalls verlängert werden. Eine mögliche Zinserhöhung in den USA sei ein gutes Zeichen, weil das bedeute, dass die Wirtschaft in den USA gut läuft, und das wäre auch gut für Europa. Man könnte es auch direkter ausdrücken: Europa freut sich, dass der Euro dann nochmal schwächer wird, und EU-Produkte im Dollar-Raum noch günstiger werden.



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4 Kommentare

  1. zu „unumkehrbar“: jeder Vertrag kann aufgekündigt werden – unumkehrbar oder unwiderruflich ist hier gar nichts, auch wenn öffentliche Fehlaussagen einiger Personen damit den Anschein erwecken wollen.
    (siehe Vertragsrecht)

    1. „unumkehrbar“ ist genau so ein blödes Wort wie „alternativlos“…ich muss gleich kotzen…

  2. Mir geht es genauso, Joch. ich bin ein friedfertiger Mensch, aber wenn ich Frau Merkel im Zusammenhang mit TTIP das Wort „alternativlos“ sagen höre, könnte ich ausflippen. Das ist ein Unwort und dürfte im Wortschatz eines Politikers nicht vorkommen.

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