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EZB vs Bundesbank: Der Anti-Draghi macht erneut Druck

FMW-Redaktion

Nach Mario Draghi´s heutiger Neuerfindung seines Sprichworts „ECB will do whatever it takes…“ hin zu „ECB will do what it must to raise Inflation“ kam es kurz danach zum „Gegenschlag“ durch Bundesbank-Chef Jens Weidmann, der auch im EZB-Rat sitzt, aber genau die gegenteilige Meinung vertritt. Er hat gute und schlüssige Argumente auf seiner Seite…

Jens Weidmann Bundesbank EZB
Bundesbank-Chef Jens Weidmann sitzt automatisch auch im EZB-Rat. Foto: Deutsche Bundesbank

EZB-Chef Mario Draghi zeigte sich bei einer Rede heute früh fest entschlossen (wohl im Dezember) weitere Maßnahmen zu ergreifen um die Inflation in der Eurozone zum Laufen zu bekommen Richtung 2%. Dazu darf man zu aller erst die Verlängerung und/oder die Aufstockung des aktuellen Anleihekaufprogramms zählen (aktuell 60 Mrd Euro monatlich). Außerdem kann man davon ausgehen, dass die EZB zusätzlich den Einlagezins für Banken des Euroraums von derzeit -0,2% weiter senken wird. Die Banken müssen bereits also Geld zahlen, wenn sie Guthaben bei der EZB deponieren wollen. Durch noch höhere Minuszinsen sollen sie noch stärker dazu gedrängt werden überschüssige Liquidität an ihre Kreditnehmer herauszureichen. Ob das jemals klappen wird bei jetzt schon -0,2%? Zweifel daran sind mehr als angebracht.

Und da kommt „unser“ Bundesbank-Präsident Jens Weidmann ins Spiel, der heute zwei Stunden nach Mario Draghi an anderer Stelle eine Rede hielt und genau gegenteilig argumentierte. Das darf man durchaus als Affront gegen Mario Draghi sehen, denn Weidmann´s Kommentare zur EZB-Politik werden von mal zu mal schärfer. Als Bundesbank-Präsident sitzt er automatisch im EZB-Rat – die beiden sitzen sozusagen regelmäßig im selben Konferenzraum. Weidmann steht mit seiner Kritik am Gratisgeld für Eurozonen-Banken (Nullzins-Politik) aber fast alleine da im EZB-Rat. Gerade die Notenbank-Chefs der Mittelmeer-Anrainer sind die Verfechter des billigen Geldes, denn angeblich können ihre heimischen Volkswirtschaften nur so gesunden. Trotz Minuszinsen für die Banken bei der EZB lag die Oktober-Inflation in der Eurozone nur bei 0,1% – also gar nichts.

Weidmann erklärte heute genau, warum er die Nullzins-Politik sieht. Wie Draghi und andere EZB-Direktoren vorher auch schon wies Weidmann darauf hin, dass die Inflation vor allem durch den derzeit extrem niedrigen Ölpreis ausgebremst wird. Dies wirke sich aber positiv auf die Konjunktur aus, das Unternehmen und Haushalte so niedrigere Kosten hätten und mehr Geld für Konsum und Investitionen hätten. Und es könne sein, dass sich viele Regierungen in der Eurozone langsam an die niedrigen Zinsen gewöhnen, so Weidmann. Was bedeutet das? Wer sich als Staat quasi umsonst verschulden kann, sieht kaum einen Zwang zu strukturellen Reformen um seine Wirtschaft auf Vordermann zu bringen – ein Effekt den viele Kritiker gerade eben für diejenigen Euro-Staaten anführen, deren Notenbank-Direktoren bei der EZB für die Nullzins-Politik eintreten. Die EZB als (vorübergehender) Problemlöser. Es ist wie im realen Leben. Wenn jemand anders (vermeintlich) meine Probleme löst, warum soll ich mich selbst anstrengen?

Weidmann sprach von den „Risiken der Nebenwirkungen“, die mehr und mehr zum Vorschein kommen, je länger die EZB ihre Nullzins-Politik verfolgt. Dazu gehört auch der große Bereich der schleichenden Enteignung der Sparer. Lebensversicherungen und Sparkonten bringen nichts, und man wird indirekt genötigt ins Risiko zu gehen und Aktien oder Sonstiges zu kaufen. Gewiss, ein Luxusproblem gegenüber vielen anderen Sorgen des Alltags, aber volkswirtschaftlich gesehen werden Millionen von Menschen eine klaffende Lücke in ihrer Altersversorgung haben, die eigentlich ganz bewusst privat etwas ansparen wollten. Der Effekt macht sich erst in 20 oder 30 Jahren bemerkbar, wenn man zurückblickt und bemerkt, dass es damals z.B. 15 Jahre lang keinerlei Verzinsung gab!


Die Rede von Jens Weidmann liegt leider nur in Englisch vor. Hier der wichtigste Abschnitt im Original:

„While monetary policymakers obviously care about real economic developments, the recommended speed they try to maintain is a nominal variable: inflation. And there’s no denying that the clock shows we are currently running below target. The question is this. How should the Eurosystem act in this situation? Inflation rates in the euro area have been significantly below our definition of price stability for some time now, that is, a level of below but close to 2%. And it is expected that inflation will return only slowly to that Level.

An excessively prolonged period of low inflation is clearly not without consequence. It could place a strain on the sustainability of private and public debt in some countries and complicate the economic adjustment process for countries which have lost competitiveness. And if interest rates are near the lower bound, lower inflation might translate into a tighter monetary policy stance than warranted, in particular if longer-term inflation expectations are affected.

But that is not the end of the story. What also matters is the nature of the inflation shock. At the moment, the sharp fall in energy prices is what is mainly driving the low rates. This drop has pushed down headline inflation by about one percentage point. Correspondingly, the core inflation rate stands at 1% and should gradually increase towards our definition of price stability, which is – let me remind you – a medium-term concept. Crucially, the decline in oil prices is more of an economic stimulus for the euro area than a harbinger of deflation. Lower oil prices reduce energy bills for both households and firms. That frees up financial resources which can then be put to use elsewhere – for consumption, investment or for reducing the debt overhang. All of this is good for the economies of the euro-area countries.

At the same time, it seems that the downward risks stemming from international developments have increased somewhat. And uncertainty has risen more generally, as massive migration flows will also leave their mark on the economy. But while the quantitative effects of migration are hard to estimate precisely, it is safe to say that their impact on GDP will be rather stimulative over the projection horizon. All things combined, I see no reason to talk down the economic outlook and paint a gloomy picture. Rather – and despite all this uncertainty – our forecasts were not far off the mark. In the end, we should also not forget that the monetary policy measures already taken still need time to fully feed into the economy.

And we need to be aware that the longer we stay in ultra-loose monetary policy mode, the less effective this policy will become and the more the attendant risks and side-effects will come into play – take the exuberance in some financial markets and the problems faced by life insurers as examples. And we should not ignore the risk that fiscal policy could get used to the very low interest rates – leading to a situation in which consolidation efforts peter out and where monetary policy might come under pressure from governments to continue accommodation even if monetary tightening were called for.“



Quelle: Deutsche Bundesbank



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4 Kommentare

  1. Da gab es doch mal einen Menschen, der in seiner egoistischen Verblendung sagte: Wenn das Blut auf den Strassen fließt, kauf soviel du kannst.

    Natürlich hat diesen Irrsinn ein ehrenwertes Mitglied der Gesellschaft gesagt. Und was braucht man, wenn man so viel als möglich kaufen will? Geld! Viel Geld! Also druckt man es. Folglich ist es zu mindest genau für Die, welche diesen Ratschlag befolgen, genau richtig. Druck Draghi, druck!

    Und warum soll man, wenn das Blut auf den Strassen fließt, so viel kaufen wie man kann? Weil ein Krieg meist mit einer Währungsreform einher geht. Also stimmt der Hinweis. Möglichst viel Geld aufnehmen und in reale Werte investieren. Nach der Währungsreform, haben die Anderen das wertlose Geld und der kluge Kaufmann, ist Herr der realen Güter, die man natürlich in jegliche neue Währung beleihen kann, und man das so gewonnene neue Geld natürlich wieder verleihen kann.

    Kann es denn einfacher sein? Wer denkt da noch daran was zu tun? Man könnte sogar, ob der Leichtigkeit, fast annehmen, daß es diesen Herren ganz gelegen kommt, wenn Blut auf den Strassen fließt. Vielleicht sollte man mal ein Buch schreiben. Die unerträgliche Leichtigkeit der Hochfinanz.

    Man darf halt keine Allergie gegen Blut haben, jedenfalls nicht gegen das Blut Anderer.

    1. Meines erachtens Ihrerseits genau richtig erkannt, jedoch Bücher darüber gibt es schon zur Genüge – einzig lesen tun sie nur die wenigsten. Das „einfachere Schlechte“ liegt den Menschen in vielen Fällen näher, als das „komplexere Wahre“. Es würde sie am Anfang überfordern, worin aber genau der Schlüssel zum Ergünden einer Thematik läge (Bewusstsein aufbauen): die Unwahrheit ist schlicht einfacher zu glauben.

  2. Da Deutschland und Malta in der EZB gleich viel zu sagen haben, kann man den „Druck“ von Weidmann auch mit dem Kläffen eines winzigen Maltesers vergleichen.

  3. Die Frage ist, wo das Bundesamt für Statistik die Inflation versteckt. Bei einem Wachstum der Geldmenge M3 (Kredite=“Geld“=Schulden) von derzeit 8,1% in Deutschland ist eine geringe Inflation kaum vorstellbar. Es war so gewollt, dass Deutschland „nachinflationiert“. Es geht natürlich nicht so, dass die Deutschen mitkriegen, wie sie veralbert werden. Dem der gerade Blut durch die Straßen fließen sieht, als Zocker kann man wohl Gold kaufen, als Sparer oder Anleger noch nicht. Das ist nach wie vor im grundsoliden Abwärtstrend. Technisch in Euro kurzfristig fast überverkauft. Sollten irgendwann die Aktien stürzen, werden auch die Preise für Gold und diverse Kunst mit fallen. Die JunkBonds zeigen, wie die Rohstoffpreise, dass die laufende DAX-Ralleye auf tönernden Füßen steht. Der vergangene Aktien – Einbruch hat bewiesen, dass Draghis Gefasel bedeutungslos ist. Weidemann ist zur Zeit nicht mal stimmberechtigt, wenn ich mich recht entsinne. Der kann erzählen, was er will. Das zählt nicht mit.

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