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Finanztransaktionssteuer im Zombie-Status

Von Claudio Kummerfeld

Die Finanztransaktionssteuer ist im Zombie-Status gefangen. Kommt sie oder kommt sie nicht? Ist sie überhaupt gewollt, und wenn ja, von wem? Teilweise existiert sie schon, ist aber ungeliebt. Keiner weiß nichts genaues. Finanzmarktwelt.de bringt etwas Licht ins Dunkel…

Finanztransaktionssteuer Wolfgang Schäuble ist eigentlich dafür
Finanzminister Schäuble ist eigentlich für die Finanztransaktionssteuer
Foto: Tobias Koch / Wikipedia (CC BY-SA 3.0 de)

Das lästige Thema

Seit 7 Jahren, seit Ausbruch der Finanzkrise, kreist das Thema Finanztransaktionssteuer nervend über den europäischen Finanzministern. Irgendwie will sie jeder, aber komischerweise wird sie nicht eingeführt. Sie soll als eine Art Umsatzsteuer auf Finanztransaktionen berechnet werden, vor allem bei Aktien und Devisen. Finanzminister Schäuble sagte erst gestern an Deutschland soll die Finanztransaktionssteuer nicht scheitern. Ferner sagte er man solle erst einmal mit einem Minimalkonsens beginnen. Damit will er wohl darauf anspielen, dass es in vielen EU-Mitgliedsstaaten völlig unterschiedliche Ansichten gibt, was überhaupt besteuert werden soll, wie hoch, und wie die Umsetzung aussehen soll – direkt beim Bürger besteuern oder direkt bei seiner Bank. Von Seiten der EU-Kommission jedenfalls ist nicht viel zu erwarten. Außer ihrem Entwurf aus dem Jahr 2013 hat sie keine neue Initiative veröffentlicht um das Thema voranzutreiben. Die Realisierung der Finanztransaktionssteuer bleibt also an den Finanzministern der EU-Staaten hängen.

Deutschland, Österreich und Frankreich bilden derzeit den „harten Kern“ der Befürworter der Finanztransaktionssteuer. Österreich drängt darauf, dass es beim Eurogruppen-Treffen am 11. Mai doch bitte endlich einen Durchbruch zu dem Thema geben soll – kaum anzunehmen, dass sich die EU-Finanzminister bei dem Griechenland-Chaos jetzt auch noch dem Thema Finanztransaktionssteuer widmen wollen. Es wird wohl heißen: „Sprechen wir doch gerne ein anderes Mal darüber“.

Laut einer aktuellen DIW-Studie würde die Finanztransaktionssteuer für Deutschland Einnahmen von 45 Milliarden Euro bringen. Kaum vorstellbar… aber die Studie wurde von der SPD in Auftrag gegeben – da ist klar, dass solche Summen dabei rauskommen.

Hier zur kompletten DIW-Studie.

Finanztransaktionssteuer existiert bereits

Ja, die Finanztransaktionssteuer existiert bereits, und zwar seit 2012 in Frankreich – mehr oder weniger erfolgreich, je nachdem, wie man sie betrachtet. Auf große französische Aktienwerte muss man 0,2% Steuern entrichten, pro Transaktion! Hört sich gut, mag man meinen. Endlich werden „die Reichen“ zur Kasse gebeten. Nur ist davon genau so jeder Kleinsparer betroffen, der Aktien kauft, und auch jeder Kleinsparer, der Aktienfonds für seine Altersvorsorge kauft. Letztlich zahlt er kräftig mit. Und die Großanleger? Die machen seitdem einen Bogen um Frankreich. Wozu französische Aktien handeln? Wirklich attraktiv waren die eh nie so richtig, da geht man doch lieber nach Deutschland oder Spanien. Die EU-weite einheitliche Einführung der Finanztransaktionssteuer könnte von daher dafür sorgen, dass solche Ausweicheffekte auf andere EU-Länder verhindert werden.

Großbritannien blockiert

In unserem Artikel vom 15. April hatten wir bereits über den „Blockierer“ Großbritannien geschrieben, der eigentlich nur in der EU ist um alles zu blockieren. Genau für Fälle wie die geplante Finanztransaktionssteuer ist es ideal besser IN der EU zu sein als draußen. Gerade wenn schwere Brocken wie Deutschland und Frankreich die Finanztransaktionssteuer mit voller Wucht durchdrücken wollen, braucht Großbritannien nichts weiter machen als zu blockieren. Letztendlich… wenn die Briten 2018 entscheiden sollten aus der EU auszutreten, könnten sie als „freier Finanzplatz“ EU-Bürger wie ein Staubsauer anziehen nach dem Motto „eure bösen Regierungen auf dem Festland wollen eure Aktientrades besteuern – macht eure Konten in London auf, da könnt ihr sorgenfrei zocken“.

Was würden die Zocker machen?

Was würden die Zocker machen, die aktiv europäische Aktien handeln? Der Trend ist jetzt schon mehr als erkennbar. Sie weichen aus auf synthetische Aktien, sogenannte „Contracts for Difference“ (CFDs). Man kann es abgekürzt so erklären: Banken und Broker fungieren als Wettanbieter/Buchmacher und geben dem Anleger die Chance auf Aktien, Rohstoffe, Devisen uvm zu wetten. Gewinne und Verluste sind die selben, als würde man die eigentliche Aktie kaufen, nur dass man eben die Aktie nie wirklich besitzt. Der Broker, bei dem man sein Konto hat, gibt pro abgeschlossener Transaktion eine Gewinngutschrift oder belastet den Verlust. Würden sich die EU-Regierungen darauf einigen auch solche synthetischen Aktienwetten mit in die Steuer aufzunehmen, würden die aktiven Zocker auf CFD-Broker ausweichen, die außerhalb der EU sitzen. Davon gibt es jetzt schon viele. Sie tummeln sich z.B. an solch hoch seriösen Finanzplätzen wie dem mittelamerikanischen Belize. Dann müsste die große Hatz der Steuerfahnder auf Privatanleger beginnen, Geldströme auf ausländische Konten müssten nachvollzogen werden – dort müsste man dann nachvollziehen, ob der Kunde dort wirklich Aktien oder CFDs gehandelt hat – erst dann könnte man eine Nachversteuerung durchführen. Sehr aufwendig, aber das wäre wohl die Folge.

Finanztransaktionssteuer 2.0

Was wäre ein Lösungsansatz, um Privatanleger und Fondssparer nicht zu benachteiligen? Man könnte z.B. die Finanztransaktionssteuer für Aktiengeschäfte weglassen, und stattdessen Geschäfte besteuern, die ausschließlich im Interbankenhandel stattfinden und keinerlei volkswirtschaftlichen Nutzen haben. Hier sind insbesondere die sogenannten „Credit Default Swaps“ (CDS) zu erwähnen, also Versicherungsprämien auf den Ausfall von Staatsanleihen – diese Prämien werden seit Jahren zwischen Banken im Sekundentakt hin und her gehandelt und haben für die Realwirtschaft keinerlei Nutzen. Hier könnte man kräftig besteuern – die Banken müssten intern jedes Geschäft dokumentieren und mit immensen Strafen belegt werden, wenn sie nicht alles versteuern. Deutsche Banken, die CDS-Geschäfte über außereuropäische Filialen betreiben, müssten durch so ein Gesetz mit einbezogen werden. Das wäre schon mal ein Weg in die richtige Richtung Extra-Steuern von der Finanzindustrie einholen, ohne Privatanleger zu belasten.

Tritt Großbritannien 2018 aus der EU aus, könnte man EU-weit die Finanztransaktionssteuer einführen, mit Fluchterscheinungen von Privatzockern Richtung London. Erhebt man die Steuer auch auf Aktien, muss man das Ansässigkeitsprinzip anwenden, also wo der Bürger wohnt bzw. wo die zockende Bank ihren Sitz hat. Sitzen die Zocker in der EU, kann das Finanzamt die Steuer eintreiben – aber das würde einen immensen „fahndungstechnischen“ Aufwand bedeuten. Erst die Praxis würde zeigen, ob es funktioniert, oder in einer großen Hatz endet.



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