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Griechenland erhält Treuhandanstalt 2.0 – Cash machen heißt die Parole

Von Claudio Kummerfeld

Unglaublich aber wahr: Griechenland erhält eine Treuhandanstalt 2.0! Sie heißt heute nur nicht „Anstalt“, sondern Fonds. Unternehmen und Immobilien, die als Wertgegenstände betrachtet werden, sollen hier „eingebucht“ und verwertet werden, es sei denn…

Vielleicht erhält Griechenland Aufpasser von Eurogruppe und ESM
Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem und ESM-Chef Klaus Regling. Gut möglich, dass beide Aufpasser zum Treuhandfonds nach Griechenland entsenden.
Foto: ESM

Griechenland bekommt Treuhandanstalt

Die Mitglieder der Eurogruppe haben gestern früh einen Kompromiss mit Griechenland erzielt. Neben vielen anderen Maßnahmen hat man auch beschlossen einen Treuhandfonds einzurichten, der griechische Vermögensgegenstände aufnehmen und zu Geld machen soll. Hier das Originalzitat der Europäischen Kommission aus dem gemeinsamen Beschluss des „Eurosummit“:

„On top of that, the Greek authorities shall take the following actions:
to develop a significantly scaled up privatisation programme with improved governance;
valuable Greek assets will be transferred to an independent fund that will monetize the assets through privatisations and other means. The monetization of the assets will be one source to make the scheduled repayment of the new loan of ESM and generate over the life of the new loan a targeted total of EUR 50bn of which EUR 25bn will be used for the repayment of recapitalization of banks and other assets and 50 % of every remaining euro (i.e. 50% of EUR 25bn) will be used for decreasing the debt to GDP ratio and the remaining 50 % will be used for investments. This fund would be established in Greece and be managed by the Greek authorities under the supervision of the relevant European Institutions. In agreement with Institutions and building on best international practices, a legislative framework should be adopted to ensure transparent procedures and adequate asset sale pricing, according to OECD principles and standards on the management of State Owned Enterprises (SOEs);“

Der Fonds sollte ursprünglich von Luxemburg aus arbeiten, und durch die räumliche Distanz zu Griechenland auch eine tatsächliche Unabhängigkeit von der dortigen politischen Einflussnahme garantieren. Hier hat sich Alexis Tsipras in den Verhandlungen durchgesetzt. Der Fonds wird seinen Sitz doch in Athen haben und er soll von Griechen geleitet werden, „unter der Aufsicht der relevanten europäischen Institutionen“, wie es offiziell heißt. Also sitzt de facto neben dem griechischen Manager des Fonds ein EU-Beamter z.B. von der EZB, der Eurogruppe oder dem ESM als Aufpasser.

Die Funktionsweise des „Fonds“

In diesem „Fonds“ soll der Staat Griechenland seine Vermögensgegenstände einbuchen, die bisher nicht privatisiert wurden, aufgrund mangelnden politischen Willens oder sonstigen Gründen. Der Fondsmanager soll dann einzelne Vermögensgegenstände möglichst gewinnbringend veräußern. Es gäbe für den Fonds nur einen Grund Vermögenswerte nicht zu veräußern, sondern zu behalten – nämlich wenn der Vermögenswert in seinem aktuell laufenden Geschäftsbetrieb profitabel arbeitet und Gewinne abwirft, die an den Fonds abgeführt werden können.

In den Fonds eingebucht wird wahrscheinlich der alte Athener Flughafen, der als Bauruine vor sich hin gammelt – ebenfalls kleinere Flughäfen in Griechenland sollen mit zur Privatisierungsmasse kommen – hier wollte der Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport vor der Tsipras-Wahl im Januar als Käufer zuschlagen und mehr als 1 Milliarde Euro in die griechische Staatskasse spülen – was Alexis Tsipras verhinderte, da er sich ja im Wahlkampf klar gegen Privatisierungen ausgesprochen hatte. Der zukünftige Fondsmanager wird aber genau dieses Vorhaben wohl in die Tat umsetzen. Auch große Häfen mit Containerterminals und die Hafenverwaltungen können versilbert werden – die Chinesen stehen als Investoren schon parat. Auch im Gespräch sind die Bereiche Bahnen/Schienennetz, Strände, Krankenhäuser etc.

Ganze 50 Milliarden Euro sollen die in den Fonds einzubringenden Vermögensgegenstände wert sein – mehr als fraglich, ob diese Summe tatsächlich erzielt werden kann. Von den Erlösen des Fonds sollen 50% in den kaputten Bankensektor fließen um deren Eigenkapital wieder auf Vordermann zu bringen. 25% sollen in die Tilgung der griechischen Staatsschulden und 25% in inländische Investitionen fließen.

Vergleich Treuhandanstalt und Fonds

Was unterscheidet den jetzt zu schaffenden griechischen Fonds von der Treuhandanstalt aus den 90er-Jahren in Deutschland? Eigentlich kaum etwas – im Detail könnte man sagen die Treuhand hatte offiziell den Auftrag die DDR-Industrie auf Westniveau zu bringen – die Folgen sind bekannt – größtenteils überhastete Schließungen und schnelle Verkäufe. In Griechenland ist das Ziel möglichst zügig Cash zu generieren. Wie es heißt, soll darauf geachtet werden, dass nicht überhastet unter Wert verkauft wird.

Wenn sich aber z.B. nur die Fraport als Kaufinteressent für die griechischen Flughäfen meldet, und der Fonds unbedingt verkaufen muss, was passiert mit dem Preis? Er fällt. Denn 10 oder 20 Jahre werden die Gläubiger nicht warten, bis endlich Cash in den Fonds reingespült wird. Ob da wirklich wie im EU-Papier beschrieben „OECD“-Standards eingehalten werden?

Letztlich wird es ähnlich wie bei der deutschen Treuhandanstalt laufen, dass Betriebe schnell verkauft werden. Durch die Krise in Griechenland sind für Unternehmen und Immobilien derzeit kaum realistische Preise zu erziehen, daher werden so manche Käufer Schnäppchen machen können.

Die Auswirkungen für Griechenland

Positive Auswirkungen der Privatisierungen werden sein: Der Fonds bekommt Geld in die Kasse, so erhalten Gläubiger und das kaputte Bankensystem Geld, und es fließen Gelder in Investitionen in Griechenland. Und in vielen privatisierten Betrieben werden die neuen Eigentümer die Produktivität schon im eigenen Interesse hochfahren, so dass die Betriebe auf ein internationales Wettbewerbsniveau gehoben werden. Langfristig wird sich dies sehr positiv für die Volkswirtschaft auswirken.

Kurz- und mittelfristig wird diese Produktivitätssteigerung zu Entlassungen führen. Desweiteren werden z.B. Leistungen in privatisierten Krankenhäusern oder die Benutzung von bisher öffentlichen Stränden kostenpflichtig. Auch durch die Privatisierung der Bahn könnten z.B. die Kosten für Pendler steigen. Generell wird die Benutzung vieler alltäglicher Dinge plötzlich Geld kosten oder teurer sein als bisher – denn private Investoren kaufen nicht als purer Nächstenliebe staatliche Betriebe, die bisher unrentabel waren.

Was aus dem EU-Papier bisher nicht ersichtlich ist: Wer entscheidet überhaupt darüber, welche Vermögenswerte letztendlich in den Fonds eingebucht werden? Der Fonds selbst, die griechische Regierung, die EU oder beide zusammen?




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1 Kommentar

  1. ich würde eher sagen: die Parole heißt enteignen. Die griechische Wirtschaft wird „abgewrackt“, die Arbeitslosigkeit wird -auch aus Renditegründen- steigen, Armut wird grassieren. Dann bzw. parallel geht die Enteignung der Bürger weiter, da diese per Einführung einer Zivilprozessordnung (ZPO) [1] nun zum absoluten Freiwild der Willkür werden. Das ganze Spiel scheint schon weit vorher abgekartet.

    [1] BRD ZPO (offiziell, aktuelle Fassung): http://www.gesetze-im-internet.de/zpo/

    Diese mal durchlesen und tief durchatmen – wir sind nämlich schon weiter als die Griechen.

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