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Hans-Werner Sinn erinnert „uns alle“ nochmal an die fortlaufende Griechenland-Krise

FMW-Redaktion

Unser aller Ökonomie-Liebling und ehemaliger ifo-Präsident Hans-Werner Sinn ist aktiv wie eh und je, wenn es darum geht auf wirtschaftliche Probleme hinzuweisen. Wohl ganz gut ist, dass er „uns alle“ mal wieder daran erinnert, dass sich in Griechenland eigentlich gar nichts geändert hat. Dem griechischen Portal „Naftemporiki“ gab er vor Kurzem ein Interview. In seinem Twitter-Account notierte er hierzu vielsagend „auch die normale griechische Bevölkerung sollte erfahren, was am besten für sie ist“…

Hans-Werner-Sinn Griechenland-Krise
Der ehemalige ifo-Präsident Hans-Werner Sinn. Foto: Romy Bonitz, ifo Institut / Wikipedia (CC BY-SA 3.0)

Gefragt nach dem aktuellsten 86 Milliarden Euro-Agreement zwischen den EU-Kreditgebern und Griechenland, sagte Sinn diese Vereinbarungen seien sehr weitreichende Zugeständnisse für Griechenland. Er sehe hierin keine vereinbarten Details die dabei helfen würden die Wettbewerbsfähigkeit Griechenlands zu steigern. Mit dieser Vereinbarung (86 Milliarden Euro neue Staatsschulden für Griechenland) sei nur das Fundament gelegt worden für eine weitere zukünftige Schuldenspirale.

Sinn´s Hauptziel für Griechenland vertritt er nicht nur in der deutschen Medienlandschaft, sondern auch in Griechenland selbst aktiv. So sagt er in dem Interview dem Land einen Schuldenschnitt zu geben und vor allem statt dem Euro die Drachme in Griechenland einzuführen, sei so als würde man den „Reset-Button“ drücken. Griechenland könne sich danach schnell erholen, da die neue Währung (wieder die Drachme) nach ihrer erneuten Einführung schnell abwerten würde (stimmt ja auch). Er beschreibt auch die Folgen für die griechischen Bürger, nämlich dass alles im Land per sofort auf Drachme umgestellt werden würde, Löhne, Preise, Mieten, Schulden etc.

Hans-Werner Sinn macht auch interessante Vorschläge, wie Europa ganz automatisch seinen deutlichen Teil zur Entschuldung Griechenlands beitragen könnte. Nach seinen eigenen Plan würden neben der bloßen Währungsumstellung in Griechenland auch alle Schulden in Drachme umgestellt, darunter auch die Staatschulden, die Schulden von Privatpersonen, Firmen und die der Zentralbank. Somit hätten Gläubiger im Ausland keine „harte“ Euro-Forderung mehr gegenüber griechischen Schuldnern, sondern „weiche“ Drachme-Forderungen. Über die rasche Währungsabwertung würden die Gläubiger so an Griechenlands Entschuldung mitwirken – so darf man es verstehen. Auch sollte die EU Griechenland mit Subventionen unterstützen, damit das Land wichtige Importe wie z.B. Medizin finanzieren kann, die nicht im Land hergestellt werden.

Wie weit eine Abwertung der neu eingeführten Drachme gehen würde, so die Frage an Sinn. Vielleicht 50% so seine Antwort. Durch eine spätere Erholung vielleicht nur noch 30%. Aber eine wichtige Folge der Abwertung sei, dass das Land wieder zurückkehre auf die „globale Landkarte für potenzielle ausländische Investoren.“ Die wirtschaftliche Erholung in Griechenland werde nach dem Euro-Austritt binnen 1-2 Jahren eintreten. Woher er das wisse? Im Rahmen seiner ehemaligen ifo-Tätigkeit habe man die Entwicklungen in 71 Ländern nach Währungsabwertungen dokumentiert und daraus Erfahrungswerte gezogen. Gut, eine Anmerkung haben wir da noch: Griechenland hat gar keine Exportindustrie – die müsste man erst einmal aufbauen!

Aber abgesehen davon klingt der Plan gar nicht mal so schlecht. Aber wir haben ja alle in den letzten Jahren gelernt: Vielen inhaltlich guten Vorschlägen steht die „europäische Staatsraison“ im Weg. Ein Austritt aus dem Euro, die Staatspleite eines Euro-Landes – solche Dinge sind unvorstellbar und passen nicht ins Bild eines wohlhabenden Europa. Also alles weiterhin zuschütten mit immer neuen Schulden, wie Hans-Werner Sinn es beschrieben hat?



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5 Kommentare

  1. Grundsätzlich ja nicht falsch. Nur der Schnitt hätte kommen müssen, bevor sich die privaten Gläubiger durch Verkauf an den Steuerzahler ohne Schaden verabschiedet haben.
    Und was bitteschön hat Herr Sinn in Dresden bei den Bilderbergern verloren, http://www.bilderbergmeetings.org/participants.html??

  2. Mit dieser ökonomisch vernünftigen Position riskiert Sinn, zum Bilderberger-Treffen im Taschenbergpalais Kempinski in Dresden an den Katzentisch gesetzt zu werden. Auf der Einladungsliste steht er noch. Oder hat er damit vielleicht gar einen Auftritt, den er jetzt schon ankündigt: Für Griechenland und gegen EU/Deutschland? Merkel hat ja abgesagt – oder kneift wie üblich. Und Schäuble wird sich vielleicht anschnallen müssen.

  3. Karsten Goldberg

    Sie (Autor des Artikels) habe da etwas nicht verstanden. Sinn will ja gar nicht unbedingt die Exporte der Griechen steigern. Die Griechen sollen z. B. ihre eigenen Tomaten anbauen anstatt sie aus den Niederlanden zu importieren. Dies ist der gewünschte Effekt, weil durch die Drachme die Importe zu teuer werden. Griechenland soll sich auf seinen komparativen Vorteil besinnen. Nur bei teuren und überlebensnotwendigen Importen (z. B. Medizin) soll die EU vorerst helfen.

  4. „…Gut, eine Anmerkung haben wir da noch: Griechenland hat gar keine Exportindustrie….“

    Kann man das so glattweg sagen?
    Was ist mit Export von Urlaubsbräune, dem Sand in den Schuhen und in den Koffern der Strandurlauber. Griechenland exportiert eben Erholung vom Arbeitsalltag. Urlaubsindustrie. Und ein paar Südfrüchte und Olivenöl.
    Aber was wäre Bayern wohl, wenn es da nur Audi, BMW und Siemens gäbe? Ohne Berge, ohne Seen? Ohne Touristikindustrie.
    Ob das Land dann auch noch so viel zum Länderfinanzausgleich beitragen könnte?

    Schäuble hatte übrigens schon vor etlichen Jahren mal ins Spiel gebracht, Griechenland beim Aufbau riesenhafter Solaranlagen zur Seite zu stehen – zum Solarstrom exportieren. Hat er wohl ganz vergessen, vergessen, vergessen – verdammte Inzucht aber auch. Neue Gene braucht unser Land, da scheint er richtig zu liegen. Böswillige sagen, er sei der lebende Beweis dafür, dass er Recht hat mit seiner These: „Abschottung würde uns kaputtmachen und uns in Inzucht degenerieren lassen.“

  5. Ein bisschen mehr Respekt bitte vor einem der bedeutendsten Ökonomen der Gegenwart.

    Dass seine Positionen oder Thesen, dem einen oder anderen Politiker unangenehm sind, ist nicht neu. Daraus hat er aber auch bereits früher keinen Hehl gemacht.

    Soweit ich selbt die Diskussionen seit Beginn der Finanzkrise 2008 verfolge (ohne selbst Lehrstuhlinhaber eines Lehstuhls für Wirtschaftswissenschaften zu sein), ist er der einzige Ökonom der (1.) seine Thesen nie geändert hat und (2.) mit seinen Analysen weitgehend Recht behalten hat.

    Den europapolitischen „Elfenbeinturm“ – dass man „die ökonomische Realität nicht wahrhaben“ wolle – hat er bereits 2010 offen kritisiert, und ist dafür nur ausgelacht worden.

    Demgegenüber wirkt das in Europa parteiübergreifend verbreitete Credo „Man muss es nur wollen“ nachträglich betrachtet fast lächerlich – wenn da nicht dieser Riesenhaufen an Geld wäre, der versengt worden ist.

    Kommentare oder Meinungen, die nicht ökonomisch-argumentativ entgegentreten, sondern nur ins Lächerliche ziehen, kann ich deshalb nicht teilen. Und übrigens: Den linearen Zusammenhang von Abwertung der Drachme und wachsenden Exportüberhängen hat Hans Werner Sinn bereits 2011 umfassend begründet.

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