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Juncker mit 5 Vorschlägen für die zukünftige EU: Entscheidet bitte, was ihr wollt!

Gefühlt ist derzeit jeder der 500 Millionen EU-Bürger kritisch gegenüber der EU eingestellt. Irgendwie hat anscheinend kaum noch jemand Lust auf die EU? UK tritt aus, Ungarn und Polen entfernen sich...

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Gefühlt ist derzeit jeder der 500 Millionen EU-Bürger kritisch gegenüber der EU eingestellt. Irgendwie hat anscheinend kaum noch jemand Lust auf die EU? UK tritt aus, Ungarn und Polen entfernen sich trotz EU-Mitgliedschaft immer weiter von gemeinsamen Werten. Auch in vielen anderen Ländern gibt es von Links wie Rechts immer stärkere Bewegungen, welche die EU abschaffen oder zumindest arg einschränken wollen. Oder zumindest soll das eigene Land aus der EU austreten. Dies ist ein gefühlter Trend, obwohl wohl niemand genau sagen kann, wie groß der Anteil der EU-Bürger ist, welche die EU satt haben.


Jean-Claude Juncker. Foto: © European Union, 2016

Jetzt geht EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in die Offensive. Von der Öffentlichkeit wenig oder gar nicht beachtet hat er nun ein sogenanntes „Weißbuch“ präsentiert. Dies ist ein Plan mit 5 verschiedenen Varianten, wie es mit der EU in Zukunft weitergehen könnte. Dieser Grundplan soll als eine Art Diskussionsgrundlage dienen, wie die EU in Zukunft weiter funktionieren soll, oder wie sie umgebaut werden könnte. Die Idee dahinter ist verständlich. Aus allen Ecken ständig nur Kritik an der EU. Da scheint Jucker jetzt sagen zu wollen: Das alles gefällt euch nicht mehr? Gut, hier sind Alternativideen. Und jetzt entscheidet euch, was ihr wollt und was nicht… Zitat EU-Kommission:

Das Weißbuch wird den 27 Staats- und Regierungschefs bei ihrer Debatte als Leitfaden dienen und dabei helfen, die Gespräche beim Gipfeltreffen in Rom und darüber hinaus zu strukturieren. Es ist zudem der Ausgangspunkt einer breiteren öffentlichen Debatte über die Zukunft unseres Kontinents. In der Rede Präsident Junckers zur Lage der Union im September 2017 werden diese Ideen weiterentwickelt, bevor auf dem Treffen des Europäischen Rates im Dezember 2017 erste Schlussfolgerungen gezogen werden könnten.

Hier nun die 5 verschiedenen Grundentwürfe einer zukünftigen EU im Originalwortlaut:


Szenario 1: Weiter so wie bisher – Die EU27 konzentriert sich auf die Umsetzung ihrer positiven Reformagenda entsprechend den Politischen Leitlinien der Kommission „Ein neuer Start für Europa“ von 2014 und der von allen 27 Mitgliedstaaten im Jahr 2016 angenommenen Erklärung von Bratislava. Im Jahr 2025 könnte dies bedeuten:
Europäerinnen und Europäer können sich in selbst fahrenden, vernetzten Fahrzeugen fortbewegen, stoßen aber aufgrund ungelöster rechtlicher und technischer Hindernisse an den Grenzübergängen möglicherweise auf Probleme.
Europäerinnen und Europäer passieren Grenzen fast immer, ohne wegen Kontrollen anhalten zu müssen. Verschärfte Sicherheitskontrollen machen das sehr frühzeitige Erscheinen am Flughafen bzw. Bahnhof erforderlich.

Szenario 2: Schwerpunkt Binnenmarkt – Die EU27 konzentriert sich wieder auf den Binnenmarkt, da die 27 Mitgliedstaaten in immer mehr Politikbereichen nicht in der Lage sind, eine gemeinsamen Haltung zu finden. Im Jahr 2025 könnte dies bedeuten:
Regelmäßige Kontrollen an den Binnengrenzen behindern Handel und Tourismus. Einen Arbeitsplatz im Ausland zu finden wird ebenfalls schwieriger, und die Übertragung von Pensionsansprüchen in einen anderen Mitgliedstaat ist keine Selbstverständlichkeit. Wer im Ausland krank wird, muss mit hohen Behandlungskosten rechnen.
Die Europäer halten sich aufgrund des Mangels an EU-weiten Regeln und technischen Standards bei der Nutzung vernetzter Fahrzeuge eher zurück.

Szenario 3: Wer mehr will, tut mehr – Die EU27 Union verfährt weiter wie bisher, gestattet jedoch interessierten Mitgliedstaaten, sich zusammenzutun, um in bestimmten Politikbereichen wie Verteidigung, innerer Sicherheit oder Sozialem gemeinsam voranzuschreiten. Es entstehen eine oder mehrere „Koalitionen der Willigen“. Im Jahr 2025 könnte dies bedeuten:
15 Mitgliedstaaten richten ein Korps aus Polizeibeamten und Staatsanwälten ein, das bei grenzüberschreitender krimineller Aktivität ermittelt. Sicherheitsrelevante Informationen werden unmittelbar weitergegeben, da nationale Datenbanken vollständig miteinander verknüpft sind.
In zwölf Mitgliedstaaten, die eine Harmonisierung der Haftungsregeln und technischen Standards vereinbart haben, werden vernetzte Fahrzeuge in großem Umfang genutzt.

Szenario 4: Weniger, aber effizienter – Die EU27 konzentriert sich darauf, in ausgewählten Bereichen rascher mehr Ergebnisse zu erzielen, und überlässt andere Tätigkeitsbereiche den Mitgliedstaaten. Aufmerksamkeit und begrenzte Ressourcen werden auf ausgewählte Bereiche gerichtet. Im Jahr 2025 könnte dies bedeuten:
Eine europäische Telekom-Behörde ist befugt, Funkfrequenzen für grenzüberschreitende Kommunikationsdienste freizugeben, wie sie beispielsweise für die ungehinderte Nutzung vernetzter Fahrzeuge erforderlich sind. Sie schützt außerdem die Rechte von Internet- und Mobiltelefonnutzern unabhängig von deren Aufenthaltsort in der EU.
Eine neue europäische Agentur zur Terrorismusbekämpfung trägt mit der systematischen Beobachtung und Identifizierung Verdächtiger zur Verhinderung und Prävention schwerer Anschläge bei.

Szenario 5: Viel mehr gemeinsames Handeln – Die Mitgliedstaaten beschließen, mehr Kompetenzen und Ressourcen zu teilen und Entscheidungen gemeinsam zu treffen. Auf EU-Ebene werden rascher Entscheidungen getroffen, die zügig umgesetzt werden. Im Jahr 2025 könnte dies bedeuten:
Europäische Bürgerinnen und Bürger, die sich über ein Vorhaben für ein EU-finanziertes Windkraftanlagenprojekt in ihrer Region beschweren wollen, haben Schwierigkeiten, die richtige Behörde zu erreichen, da sie an die zuständige europäische Stelle verwiesen werden.
Dank klarer EU-weiter Regeln können vernetzte Fahrzeuge ungehindert in ganz Europa unterwegs sein. Fahrerinnen und Fahrer können sich darauf verlassen, dass eine EU-Agentur die Regeln durchsetzt.


Jean-Claude Juncker, dazu im Wortlaut:

Vor 60 Jahren haben die Gründerväter der EU beschlossen, den Kontinent mit der Macht des Rechts und nicht durch den Gebrauch von Waffen zu einen. Wir können stolz auf das sein, was wir seitdem erreicht haben. Selbst unser dunkelster Tag in 2017 wird heller sein als jeder Tag, den unsere Vorväter auf den Schlachtfeldern verbracht haben. Zum 60-jährigen Jubiläum der Römischen Verträge gilt es, für ein geeintes Europa der 27 eine Vision für die Zukunft zu entwickeln. In diesen Zeiten sind Führungsstärke, Einheit und gemeinsamer Wille gefragt. Im Weißbuch der Kommission werden verschiedene Wege skizziert, die dieses geeinte Europa der 27 künftig einschlagen könnte. Das ist der Beginn und nicht das Ende eines Prozesses, und ich hoffe nun auf eine ehrliche und umfassende Debatte. Die Form wird dann der Funktion folgen. Die Zukunft Europas liegt in unserer Hand.“

Die EU-Kommission im Wortlaut:

Im Weißbuch wird der Frage nachgegangen, wie Europa sich in den nächsten zehn Jahren verändern wird; von den Auswirkungen neuer Technologien auf Gesellschaft und Beschäftigung, über Bedenken hinsichtlich der Globalisierung, bis hin zu Sicherheitsfragen und dem zunehmenden Populismus. Das Weißbuch macht deutlich, vor welcher Wahl wir stehen: Entweder werden wir von solchen Entwicklungen überrollt oder wir stellen uns ihnen und ergreifen die neuen Chancen, die sie mit sich bringen. Europas Bevölkerung und wirtschaftliches Gewicht schrumpfen, während andere Teile der Welt wachsen. Im Jahr 2060 entfällt auf jeden einzelnen EU-Mitgliedstaat ein Anteil von weniger als 1 % an der Weltbevölkerung – ein guter Grund, zusammenzuhalten, um auf diese Weise mehr zu erreichen. Europa ist eine positive globale Kraft. Sein Wohlstand ist nach wie vor von der Öffnung und von starken Beziehungen zu seinen Partnern abhängig.



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7 Kommentare

  1. Wieso nur fünf Szenarien? Er hätte 27 machen müssen. Dann wäre für jeden was dabei gewesen. Aber so wird das nichts. Er kann ja noch nicht mal EU und Europa auseinander halten. Das sind zwei grundlegend verschieden Dinge.
    Zum Euro schreibt er übrigens überraschend wenig, nämlich nichts.

    1. Der Euro ist eben die heilige Kuh, aber in Wirklichkeit das Grundübel. Das traut sich in der Politik nur kaum jemand zu sagen, da man den falschen Weg zu lange weiter beschritten hat. Wenn es dann gar keine “ vollvernetzten“ Autos gibt, geht mir das meilenweit am A….. vorbei. Ich stelle mal die gewagte These auf, dass die wenigsten Leute gegen die EU als solches sind, wenn man es von Anfang an richtig gestaltet hätte.

  2. Die 5 Szenarien sind hier sehr stark verkürzt wiedergegeben. Es wurde nur aus den „Möglichen Ausblicken“ selektiv zitert. Den vollen Wortlaut findet man hier:
    europa.eu/rapid/attachment/IP-17-385/de/Weissbuch%20zur%20Zukunft%20Europas.pdf
    Die „Möglichen Ausblicke“ wirken aber tasächlich wie eine Farce. Wen interessieren die in allen fünf Szenarien erwähnten „vernetzten Fahrzeuge“, außer Automobilkonzerne und Datenkraken???
    Von Demokratiedefiziten (das EU-Parlament darf nicht einmal Gesetze einbringen) oder vom neoliberalen Wirtschaftskurs der EU (Privatisierung öffentlicher Güter, zunehmende Ungleichheit bei Vermögen und Einkommen, Einflussnahme von Großkonzernen) ist jedoch nicht oder kaum die Rede, auch nicht im Volltext!
    Mit J.-C. Juncker, dem ehemaligen Chef der innereuropäischen, unsolidarischen Steueroase Luxemburg, hat die EU wirklich den Bock zum Gärtner gemacht.

  3. Ungarn und Polen entfernen sich trotz EU-Mitgliedschaft immer weiter von gemeinsamen Werten.
    Ungarn hält sich an EU-Recht und schützt die Außengrenze und wird dafür massiv gescholten, tolle Werte die die EU vertritt!

  4. Dann sollte man doch mal eine EU-weite Volksabstimmung zu den 5 Szenarien machen:-)

  5. Ich fragte mich schon zur Jahrtausendwende, wie soll das möglich sein, die Wirtschaft der Italiener, Griechen und Spanier mit der deutschen gleichzusetzen, in dem jedes Land einen festen Faktor zum Euro bekam. Es geht eben nicht. Hätte man damals den Euro auf „gleichwertigere“ Länder beschränkt, wären die Briten dabei gewesen, aber dafür keine Olivenländer und wir hätten keinen solchen Schlamassel.

  6. Nicht die EU sondern der Euro hat Europa gespalten. Schon 2012 haben viele gefragt, „was ist das für eine Währung, die ständig gerettet werden muß?“ Unsere Poitiker haben die Ökonomen 2011, nach der Empfehlung Griechenland aus dem Euro zu entlassen, für verrückt erklärt. Im Jahre 2011 hätte dies Deutschland 87 Mrd Euro gekostet, heute weit über 300 Mrd. Die ökonomischen Gesetze werden, wie in den letzten 500 Jahren, über unsere Machthaber die Oberhand gewinnen.
    Unsere Enkel werden in 20 Jahren mit der Peitsche hunderte Mrd zurückholen, und es wird sich zeigen, welch friedenstiftende Rolle der Euro gehabt hat.

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