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Kommentar: Der Flash-Crash legt die Pfund-Schwäche offen, und die ist auch gewollt!

Drei Tage vor dem Flash-Crash wurde ein neues Tief im Pfund erreicht, und danach ging es weiter runter. Der Flash-Crash hat die Abwärts-Bewegung kräftig beschleunigt. Eigentlich hätte das Währungspaar...

Von Claudio Kummerfeld

Letzten Freitag gab es den Flash-Crash im asiatischen Handel im Pfund vs Dollar (GBPUSD), einer der weltweit liquidesten Hauptwährungen. Warum das geschah, ist immer noch unklar, und eigentlich auch nebensächlich. Wie andere Beispiele zeigen: In einem „gesunden“ Markt erholt sich das Asset zügig und kehrt auf den alten Kurs zurück. Hier aber nicht. Im ersten Chart sieht man die Langfristentwicklung des Pfund gegen den US-Dollar. Nach dem großen Abrutschen Ende Juni direkt nach dem Brexit-Vote konnte man sich zwar einige Wochen um die 1,30 halten, aber seit gut zwei Wochen geht die Tendenz immer weiter gen Süden.

Drei Tage vor dem Flash-Crash wurde ein neues Tief im Pfund erreicht, und danach ging es weiter runter. Der Flash-Crash hat die Abwärts-Bewegung kräftig beschleunigt. Eigentlich hätte das Währungspaar wieder auf die vollen 1,26 steigen müssen, aber noch immer sind wir 230 Pips vom Niveau vor dem Flash-Crash entfernt. Die Tendenz auch im kürzerfristigen Chart ist weiter abwärts gerichtet, und nach unten hin offen – zumindest Stand jetzt! (ich habe auch keine Glaskugel) Die Tatsache, dass man sich nach dem Flash-Crash nicht wieder auf die 1,26 erholte, zeigt eine strukturelle Schwäche im Pfund, die nicht nur auf „Angst“ basiert, und nicht nur auf den Befüchtungen der City of London vor dem Verlust des EU-Zugangs. Es ist auch die Schwäche des britischen Außenhandels, des konstanten und jetzt noch steigenden Handelsbilanzdefizits, dass irgendwie finanziert werden muss.

Die neue Premierministerin Theresa May hat auch mit ihren Äußerungen der letzten Tage klar gemacht, wie die Fahrtrichtung aussehen soll. Die City of London, also die Finanzindustrie, darf keine Unterstützung erwarten. Im Sinne des Wählervotums (tut endlich mehr für „das Volk“?) will sie die Einwanderung begrenzen, so sagte sie es klipp und klar. Dies hat sie aller Wahrscheinlichkeit nach im vollen Bewusstsein gesagt, dass damit ein harter Austritt aus der EU hochwahrscheinlich ist, was den Handel mit dem Festland arg erschwert (Einführung von Zöllen). Vor allem das löste den Einbruch Anfang letzter Woche aus.

Dass das Pfund auch jetzt weiter fällt, dürfte May gut in den Kram passen. Denn was bekommt sie bei einem stetig billigeren Pfund: Britische Produkte werden außerhalb der Insel immer billiger für die dortigen Käufer. Somit können sich britische Produzenten über deutlich bessere Absatzchancen freuen. Da aber die britische Industrie oftmals kaum oder gar nicht mehr vorhanden ist, dürfte May´s Strategie lauten: Mit einem deutlich billigeren Pfund geben wir der Re-Industrialisierung Großbritanniens eine kräftige Anschub-Hilfe! Das könnte eventuell sogar funktionieren. Ähnlich versucht es Argentinien, wo nach der Wahl des neuen Präsidenten die Währung nach einer Einfrierung komplett freigegeben wurde, womit argentinische Waren auf dem Weltmarkt über Nacht deutlich wettbewerbsfähiger wurden.

In beiden Fällen, auch wenn sie nicht 1:1 vergleichbar sind, gilt: Kurzfristig leiden die Verbraucher. Vor allem UK importiert viel mehr als dass es exportiert. Also müssen die Verbraucher für die Importwaren bei stärkerem Euro und Dollar stetig höhere Preise zahlen. Mittel- und langfristig kann das aber möglicherweise ausgeglichen werden durch neue und besser bezahlte Jobs in neu entstehenden Industrien. Es gibt hierfür keinen verlässlichen Ablaufplan, den man einfach nur in Gang setzen muss, und dann läuft alles von alleine. Ein Fazit hierzu kann man vielleicht in 10 Jahren ziehen. Wohin das Pfund gegenüber dem US-Dollar in den nächsten Monaten und Jahren letztlich steuert, weiß niemand! Ist 1,23 der Boden? Oder 1,20, 1,10? Prognosen und Kursziele sind hier fast unmöglich, da wir (Flash-Crash ausgenommen) ständig auf neue Tiefs seit den 80er-Jahren geraten. Auf so lange Sicht macht Charttechnik wohl wenig Sinn! Aber jenseits der Charts ist es ziemlich wahrscheinlich, dass das schwache Pfund mit zur Strategie von Theresa May gehört!

pfund-1
GBPUSD seit April

gbpusd-2
GBPUSD seit Anfang Oktober. der Flash-Crash am 7. Oktober hier sichtbar im dünnen Abwärtsbalken. Er reichte runter bis auf 1,15.



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7 Kommentare

  1. Moin, moin,

    m.E. ist vieles von dem, was wir in den Wechselkursen etc. sehen können von London gewollt. Wer unsere Nachbarn auf der Insel für blöd hält, der täuscht sich gewaltig.

    Die Deutschen haben sich in den letzten 100 Jahren schon zweimal getäuscht, Ausgänge bekannt. Also Vorsicht, ich glaube für meinen Teil, London und USA wissen was sie tun, das mag uns nur nicht immer gleich einleuchten.

  2. Wehe der Brexit macht Schule Mario!Der Austritt aus der EU,bzw.des €uro senkt eine Währung schneller&effektiver ,als es deine ständig höheren&längeren QE-Programme nebst Minuszinsen im Relativitätstheoriebereich,je konnten&können werden!So geht Exportchancen erhöhen heute,Mario!Es gilt nicht:Scheitert der €uro,dann scheiter €uropa,sondern:Wer früher austritt,ist länger konkurrenzfähig!Langnase Mario:Altes deutsches Sprichwort sagen,den letzten beissen die Hunde,zumindest jene,welche vorher dem Kochtopf entronnrn sind!

    1. Demnach müssten Länder mit schwachen Währungen ja Exportmeister sein, so wie Venezuela Südafrika oder Russland, ne so einfach ist es auch nicht:)
      Zuerst einmal müssen Produktionsstätten errichtet werden, dann müssen International wettbewerbsfähige Produkte Produziert werden und dann muss man erst einmal der Konkurrenz die Kunden wegschnappen und Marktanteile sichern. Und natürlich wird die Konkurrenz nicht Kampflos Marktanteile hergeben.
      Hinzu kommt das UK eine Insel ist, alle Produkte müssen auf Schiffe/Flugzeuge be und entladen werden, die geografische Lage England ist für eine Exportnation einfach ungeeignet.

      Eine schwache Währung ist nicht der Heilige Gral.

    2. Der Euro ist von 1,40 zum Dollar auf 1,10 gefallen. Mehr ist dann wohl eher schon ungünstig, schließlich wollen wir auch was importieren oder auf Urlaub fahren. Deutschland und ein paar andere EU-Staaten exportieren seit Jahren wie die Weltmeister.

  3. Italien ist der nächste,der die Eurozone verläßt und dann ist ENDE gelände!!

  4. Hallo Herr Kummerfeld

    „Die Tatsache, dass man sich nach dem Flash-Crash nicht wieder auf die 1,26 erholte, zeigt eine strukturelle Schwäche im Pfund, die nicht nur auf „Angst“ basiert, und nicht nur auf den Befüchtungen der City of London vor dem Verlust des EU-Zugangs. Es ist auch die Schwäche des britischen Außenhandels, des konstanten und jetzt noch steigenden Handelsbilanzdefizits, dass irgendwie finanziert werden muss.“

    Klasse, natürlich könnte man sagen: so kann ich meine Währung auch abwerten.
    Das Problem für die Briten ist dann aber , dass die Import-Preise steigen werden, und die City of London… na ja,das wird nicht lusitig, für die Briten…

    Das GPB ist meiner Meinung nach sowieso überbewertet.Sollte es zu einem harten Brexit kommen, wird das Pfund auf die Parität hinlaufen, vielleicht sogar drunter.
    Macht auch Sinn, weil dann Zölle usw sehr sehr wahrscheinlich sind, nebst einer gewissen „Abwanderung“ aus GB. ;)
    VG

    Marko

  5. Hallo,

    „…m.E. ist vieles von dem, was wir in den Wechselkursen etc. sehen können von London gewollt. Wer unsere Nachbarn auf der Insel für blöd hält, der täuscht sich gewaltig…“

    das ist Unsinn, der Brexit ist eine riesengroße Überschraschung, und von den Briten (eigntlich nicht) gewollt. Beim Brexit gehts um die Flüchtlingspolitik, man will sein „Gesicht wahren“.

    Wenn dem so ist und man „hart“ bleibt, so wird es zu einem harten Brexit kommen, was für GB nicht gerade toll wäre… Aber : schaun mer mal… ;)

    VG

    Marko

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