Interessantes aus der Presse

Manche Dinge kann man einfach nicht machen

Von Jürgen Sprenzinger

Manchmal, wenn wir uns treffen – Kurt und ich –, gehen wir auf ein Bier. Meistens bleibt es nicht bei einem Bier, sondern es werden mehrere. Wie viel genau, möchte ich hier lieber verschweigen.

Eines Tages war es wieder mal soweit. Kurt und ich saßen beim dritten Bier, redeten über Gott und die Welt und waren nicht mehr so recht frisch im Kopf, als das Thema „Gewerbefreiheit“ aufs Tapet kam.

„Wir sind hier in Deutschland relativ frei und jeder, der sich selbstständig machen will, hat die Möglichkeit, das Gewerbe anzumelden, das er anmelden will. Das ist sogar gesetzlich verankert“, klärte mich Kurt auf.

„Stimmt nicht. Man kann nicht alles anmelden“, entgegnete ich.

„Doch, kann man schon, da bin ich mir ganz sicher“. Kurt hatte bereits einen leichten Zungenschlag.

„Kann man eben nicht“, erwiderte ich bierselig. „Ich werde dir das beweisen. Ich lasse mir da schon etwas einfallen …“

Wir schlossen eine Wette ab. Eine saublöde Männerwette natürlich. Der Verlierer sollte sich einen Vollbart wachsen lassen.

Drei Tage später rief ich Kurt an. „Kannst du herkommen?“

„Weshalb?“

„Wir gehen zum Amt für öffentliche Ordnung und melden ein Gewerbe an. Wir haben eine Wette laufen, falls du dich erinnern kannst und die werde ich heute gewinnen …“

„Da bin ich aber gespannt! Gut, ich bin in einer Stunde da.“

Ich legte den Hörer auf und rieb mir siegessicher die Hände.

Wie versprochen, stand Kurt nach einer Stunde an der Türe, wir fuhren in die Stadt, betraten das Amt für Öffentliche Ordnung, gingen zur Abteilung „Gewerbeanmeldungen“ und klopften an der Tür. Die schon etwas gereifte Beamtin hinter dem Schreibtisch begrüßte uns freundlich. „Wie kann ich Ihnen helfen?“

„Wir möchten ein Gewerbe anmelden“, sagte ich.

„Gut – welche Branche?“

„Wir würden gerne ein Bankräuberberatungsinstitut gründen“, eröffnete ich ihr.

„Ein was, bitte?“ Vermutlich dachte sie, sie hätte sich verhört.

„Ein Bankräuberberatungsinstitut“, wiederholte ich ungerührt.

„Ein Bankräuberberatungsinstitut?“ Die Beamtin sah mich ungläubig an.

„Genau“.

„Und welche Tätigkeit beinhaltet dieses Gewerbe?“, wollte sie wissen.

„Wir beraten Bankräuber“, antwortete ich.

„Aber – aber das ist doch unmöglich!“, rief die Frau, „Das können Sie doch nicht machen!“

„Warum denn nicht?“, fragte ich mit Unschuldsmiene und erklärte: „Sehen Sie, der Grundgedanke dabei war, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse derzeit immer schlechter werden – folglich gibt es auch wieder mehr Bankräuber. Und die müssen beraten werden.

„Weshalb?“, fragte sie kopfschüttelnd.

„Sie müssen wissen“, fuhr ich fort, „viele Bankräuber gehen viel zu dilettantisch vor. Oft wissen Sie nicht, welcher Schweißbrenner zu welcher Tresortüre passt, da wird dann leicht das falsche Stemmeisen eingesetzt, oft vergessen sie, das Fluchtauto aufzutanken oder planen den Fluchtweg und das Timing nur sehr schlecht – die Folge davon sind Geiselnahmen und Schusswechsel – was wir mit unserer Tätigkeit verhindern wollen. Wir sorgen genau genommen dafür, dass so ein Banküberfall umweltschonend abläuft. Abgesehen davon: Bankräuber sind auch nur Menschen und müssen schließlich von irgendetwas leben. Und wenn Sie ehrlich sind, werden Sie doch zugeben, dass Hartz IV auch keine prickelnde Alternative darstellt.“

„Aber sie unterstützen damit eine kriminelle Tätigkeit“, entgegnete sie.

„Überhaupt nicht“, konterte ich, „denn sehen Sie: Wir beteiligen uns ja nicht selbst an den Überfällen, sondern versuchen lediglich, den Ablauf eines Bankraubs etwas reibungsloser zu gestalten, damit viele Gefahren und Probleme gar nicht erst auftauchen.“

„Aber davon können Sie doch nicht leben“, meinte die Frau.

„Doch – wir haben uns gedacht, wir berechnen den Bankräubern zehn Prozent der erbeuteten Summe als Beratungsgebühr. Zudem hatten wir die Idee, die Bankräuber auch in korrektem Deutsch in Wort und Schrift zu unterrichten – sozusagen als Vorbereitung für die perfekte Drohbrief-Erstellung. Damit könnten dann sicherlich 50 Prozent aller Banküberfälle sogar auf rein schriftlicher Basis abgewickelt werden – also ohne körperlichen Einsatz seitens der Bankräuber und ohne Gefährdung für das Bankpersonal.

„Aha – und wie sollte das funktionieren?“

Ganz einfach: Der Bankräuber schreibt an den Filialleiter einen höflichen Brief mit den einleitenden Worten: ,Sehr geehrter Herr Filialleiter, Hände hoch, dies ist ein Überfall …‘ Ich versichere Ihnen, wir werden bei unseren zukünftigen Kunden den Fokus auch auf eine gehobene Aussprache und auf ein korrektes äußeres Erscheinungsbild legen. Also einfach in die Bank rein rennen und mit der Knarre rumfuchteln, ist out, das war voriges Jahrhundert..
Ungerührt fuhr ich fort: „Und natürlich raten wir den Bankräubern grundsätzlich immer zuerst von ihrem Vorhaben ab – mit dem Hinweis, dass alle Banken heute so hoch verschuldet sind, dass man kaum mehr Bargeldbestände im Tresor findet, sondern nur noch wertlose Schuldverschreibungen und faule Kreditverträge.“ Beschwörend fügte ich hinzu: „Man muss heute mindestens fünf Banken hintereinander ausrauben, um überhaupt gewinnbringend zu arbeiten und auf seine Kosten zu kommen.“

Die Beamtin unterbrach mich und fing schallend zu lachen an. „Also meine Herren, ich habe den Eindruck, sie wollen mich auf den Arm nehmen. Ich kann Ihnen für dieses Gewerbe leider keine Genehmigung erteilen – tut mir herzlich leid!“

Wir verabschiedeten uns höflich – und Kurt war für das nächste halbe Jahr Vollbartträger.



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