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Mindestlohn und wirtschaftlicher Erfolg: Aktuelle Daten und eine interessante Frage

Wenn der Mindestlohn kommt, geht die Welt unter in Deutschland. So war die Befürchtung der Arbeitgeberseite. Bisher ging sie nicht unter, auch wenn es negative Folgen gab. Die halten sich bislang...

FMW-Redaktion

Wenn der Mindestlohn kommt, geht die Welt unter in Deutschland. So war die Befürchtung der Arbeitgeberseite. Bisher ging sie nicht unter, auch wenn es negative Folgen gab. Die halten sich bislang anscheinend volkswirtschaftlich gesehen in Grenzen. Heute nun vermeldet die „Hans Böckler-Stiftung“ (gehört zum DGB) neueste Daten zum Mindestlohn in Deutschland und Europa. Die Mindestlöhne in den 22 von 28 EU-Staaten, die über eine allgemeine gesetzliche Untergrenze verfügen, seien zuletzt im Durchschnitt kräftig gewachsen. 21 Staaten haben demnach ihre Lohnuntergrenze zum 1. Januar 2017 oder unterjährig im Jahr 2016 angehoben, Aus Arbeitnehmersicht nachvollziehbar weist die Stiftung heute darauf hin, dass der Mindestlohn in Deutschland mit aktuell 8,84 Euro pro Stunde (vorher 8,50 Euro) am unteren Ende anderer EU-Mitglieder liegt (Westeuropa). Zitat:

„Der deutsche Mindestlohn ist mit 8,84 Euro pro Stunde spürbar niedriger als die Lohnuntergrenzen in den westeuropäischen Euro-Staaten, die mindestens 9,25 Euro Stundenlohn vorsehen, in Luxemburg sogar 11,27 Euro. Der Mindestlohn in Großbritannien liegt in Euro umgerechnet mit 8,79 Euro auf dem gleichen Niveau, wäre ohne die jüngste Abwertung des Britischen Pfundes aber deutlich höher.“

Oh Wunder, dass die Forschungsstiftung einer Gewerkschaft das fordert: Man sehe Nachholbedarf beim deutschen Mindestlohn (inhaltlich nachvollziehbar, denn 8,84 Euro sind nicht gerade viel bei den Lebenshaltungskosten in Deutschland). Der deutsche Mindestlohn sei gemessen am mittleren Lohnniveau in vielen Ländern nach wie vor niedrig. Positiv sieht man (da stimmen wir zu), dass EU-weit im Schnitt die Mindestlöhne letztes Jahr um 4,6% gestiegen sind, und damit stärker als die Inflation. Zitat:

Nominal legten die Mindestlöhne 2016 im Mittel der EU-Länder um 5,0 Prozent zu gegenüber 3,0 Prozent 2015. Dabei gab es weiterhin erhebliche Unterschiede. In West- und Südeuropa reichten die nominalen Anhebungen von 0,9 Prozent in Frankreich über 2,0 Prozent in Belgien und 4,0 Prozent in Deutschland bis zu 7,5 Prozent in Großbritannien und 8,1 Prozent in Spanien. In Osteuropa stiegen die Mindestlöhne überall um nominal mindestens fünf Prozent, in Polen, Tschechien, den meisten baltischen Staaten, Bulgarien, Ungarn und Rumänien sogar zwischen 8,1 und 19 Prozent. In fast allen EU-Ländern lag die Mindestlohnentwicklung über der – meist sehr niedrigen – Inflationsrate. Die reale mittlere Erhöhung der Mindestlöhne betrug daher 2016 4,6 Prozent, das ist der höchste Zuwachs seit der Jahrtausendwende.

Man weist darauf hin, dass Griechenland aufgrund der strikten Vorgaben der Troika von Mindestlohnsteigerungen ausgenommen war. Damit driftet Griechenland also in Sachen Armut und Kaufkraft logischerweise weiter ab vom Rest der EU. Aber man weiß ja, was der Hintergrund ist. Für die Geldgeber muss Griechenland seine Wettbewerbsfähigkeit wieder herstellen. Mangels Möglichkeit der Währungsabwertung (die Drachme gibt´s ja nicht mehr) müssen also die Löhne sinken, oder zumindest nicht weiter steigen, damit der griechische Arbeiter wieder konkurrenzfähig wird.

Die folgende Berechnungsmethode kann man anerkennen, aber auch als subjektive Argumentationsgrundlage von DGB/Hans Böckler-Stiftung ansehen, je nachdem wie man es sehen will. Zitat:

„Der deutsche Mindestlohn findet sich nach Schultens Analyse bei der absoluten Höhe „am unteren Ende der ersten, westeuropäischen Gruppe“. Schaut man auf das relative Niveau, rangiert Deutschland im internationalen Mittelfeld: Gemessen am jeweiligen Medianlohn, den Vollzeitbeschäftigte verdienen, hätte die deutsche Lohnuntergrenze im Jahr 2015 – dem letzten, für das derzeit international vergleichbare Daten vorliegen – 48 Prozent betragen. Beim Medianlohn handelt es sich um denjenigen Lohn, bei dem die Hälfte aller Beschäftigten mehr und die andere Hälfte weniger verdient. Ähnlich ist das Niveau in zahlreichen Ländern innerhalb und außerhalb Europas (siehe auch Tabelle 1 im Bericht). Nach verbreiteter wissenschaftlicher Klassifikation gelten Löhne unterhalb von zwei Dritteln des Medians als Niedriglöhne.“

Man verweist auch auf eine Empfehlung des EU-Parlaments zum Mindestlohn:

„So habe etwa das Europäische Parlament zum wiederholten Male im Herbst 2016 als Ziel formuliert, europaweit „nach Möglichkeit stufenweise ein Niveau von mindestens 60 Prozent des jeweiligen nationalen Durchschnittslohns zu erreichen“. Damit wollten die Parlamentarier erreichen, dass „keine übermäßigen Lohngefälle entstehen und damit die Gesamtnachfrage, die wirtschaftliche Erholung und die soziale Konvergenz auf hohem Niveau gestützt werden.“

Zusammenhang zwischen Mindestlohn und wirtschaftlichem Erfolg?

Es gibt eine einfache und verständliche Theorie aus Arbeitgebersicht: Je höher der Mindestlohn, desto geringer die Chance, dass man hierzulande einfache Produktion halten kann. In vielen Fällen zeigt sich auch, dass einfache Produktion stetig in Billiglohnländer abwandert. Unser Nachbar Polen hat zu unserem Mindestlohn von 8,84 Euro ein drastisches Gefälle, weil man selbst einen Mindestlohn von 2,65 Euro aufruft. Da können Produzenten kaum widerstehen.

Ähnlich müsste es eigentlich aussehen in Griechenland, wo mal bei gerade mal 4,29 Euro liegt. Eigentlich müssten Produzenten reihenweise das Land stürmen bei so billigen Arbeitskräften. Aber was in der Tat von Wolfgang Schäuble und vielen anderen konservativen Beobachtern bemängelt wird: Griechenland ist viel zu bürokratisch und gerade unter der jetzigen Regierung anscheinend auch investitionsfeindlich. Wer dort investieren will, müsste eigentlich den roten Teppich ausgerollt bekommen. Das Gegenteil scheint aber der Fall zu sein, weil das Bewusstsein von Alexis Tsipras zu fehlen scheint, dass Kapitalinvestitionen etwas Gutes sein können… man hat sich dort auf seine Opfer-Rolle eingestellt, so könnte man es ausdrücken.

Im Vergleich zu praktisch allen EU-Partnern liegt Deutschland in fast allen Statistiken immer vorn, beim Arbeitsmarkt, beim Wachstum und und und. Kann das daran liegen, dass man im Vergleich zu Staaten wie Frankreich oder den Niederlanden (9,76 und 9,52) immer noch deutlich günstiger beim Mindestlohn liegt? Wie man hier und da immer wieder hört, soll es in Deutschland auch eine Art stillschweigendes Agreement geben, dass der Staat nicht wirklich genau hinschaut, ob der Mindestlohn zum Beispiel mit nicht bezahlten Überstunden uvm pulverisiert wird.

Hierzu gab es erst vor Kurzem eine ARD-Doku über LkW-Fahrer, wo von Zöllnern berichtet wurde, dass es von höchster Stelle die Anweisung gäbe sich eher als Partner der Wirtschaft zu begreifen, und nicht genau hinzuschauen. In Staaten wie Belgien und Frankreich sieht das ganz anders aus. Geht das zu Lasten der Wettbewerbsfähigkeit? Hält Deutschland seinen Arbeitsmarkt mit geringerem Mindestlohn und mit dem Zudrücken beider Augen bei dessen Überprüfung konkurrenzfähiger im Vergleich zu seinen westlichen Nachbarn? Diese Annahme könnte gar nicht mal so falsch sein.



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2 Kommentare

  1. Ein Artikel für unglaublich viel Diskussion….
    Wer der Meinung ist, der Mindestlohn sei in Deutschland zu Hoch, der möge mal ein halbes Jahr damit auskommen.
    Versteht mich nicht falsch, ich bin selber Arbeitgeber, aber unser Wirtschaftssystem trägt den Namen „soziale Volkswirtschaft“.
    Klar haben wir unglaublich viele Nebenkosten, von denen sich all jene die nicht zufällig auch selbstständig sind, kaum ein Bild machen können.
    Aber müssen wir auf Kosten unserer Mitarbeiter denn hier Gewinne erwirtschaften?
    Meine Mitarbeiter sind auch Kunden von anderen Unternehmern, die mit ihrem erwirtschaftetet Geld das Bsp in Deutschland befeuern.
    Kosten abbauen ist natürlich immer gut.
    Aber wir sollten bei den unnötigen Kosten anfangen.
    Vor einigen Tagen hatten wir hier die Meldung über die Rebellion in der Hamburgischen Industrie- und Handelskammer. Das nenne ich mal einen Ansatz für unnötige Kosten.
    Steuerberater werden auch überflüssiger, wenn unser Steuersystem vereinfacht würde. Ein hoher Kostenfaktor in einem Unternehmen.
    Ich sehe die Dinge sowohl aus betriebswirtschaftlicher Sicht, als auch aus Volkswirtschaftlicher Denkweise.
    Hilft es einer Volkswirtschaft, wenn wir die Mindestlöhner noch mit einer Hartz- Aufstockung unterstützen müssen ? Ich denke nicht wirklich !
    Hilft es dem Unternehmen, welcher die Arbeit nur gering entlohnen muss ? Nun, Ihr kennt die Antwort.
    Die Frage ist: Was genau wollen wir erreichen ?
    Wohlhabende Unternehmer, oder etwas weniger Armut für alle ?
    Ach, und bitte nicht wieder so Kommentare wie „ideologisch verblendet“ posten.
    Ich verdiene auch gerne Geld, bin aber immer selbstkritisch meinem Handeln verpflichtet.
    Ihr könnt mir glauben, ich habe auch schon Mitarbeiter gehabt, die aus Sicht der Lohngerechtigkeit auch weniger als den Mindestlohn verdienen müssten….oder alle anderen eben mehr, was betriebswirtschaftlich eben blöd ist.

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