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Nach dem Brexit: Das schwache Pfund hat auch Gewinner

Eine deutlich abgewertete Währung ist grundsätzlich eine Katastrophe für eine Volkswirtschaft, ausgenommen für die Exportindustrie. Je größer die Exportindustrie eines Landes ist, desto positiver...

FMW-Redaktion

Eine deutlich abgewertete Währung ist grundsätzlich eine Katastrophe für eine Volkswirtschaft, ausgenommen für die Exportindustrie. Je größer die Exportindustrie eines Landes ist, desto positiver ist demnach so eine Abwertung für die ganze Nation. Daher fällt der Jubel in UK über das seit 24. Juni drastisch abgestürzte Pfund ziemlich gering aus (der Jubel ist eher gar nicht vorhanden). Das Pfund stürzte gegen den US-Dollar auf den tiefsten Stand seit 31 Jahren. Dadurch können ausländische Käufer britische Produkte deutlich günstiger kaufen. Das wäre grundsätzlich schön, wenn die Briten in bedeutendem Umfang Produkte ins Ausland verkaufen würden.

Aber die Industrie als großen Wirtschaftsmotor hat man in UK seit der Thatcher-Ära konsequent abgeschafft und auf Finanzdienstleistungen gesetzt. Wie die große Masse der Bevölkerung davon profitieren soll, wenn ein Banker in London gutes Geld verdient, bleibt das Geheimnis der Londoner Politiker, aber das Thema lassen wir jetzt mal (nicht abschweifen). Autobau gibt es noch in einem kleinen Umfang durch ausländische Hersteller, die ihre Produktion aber bei Einführung von Importzöllen durch die EU durchaus von der Insel verlegen könnten.

Die britischen Bankaktien haben sich seit dem 24. Juni so richtig gut zerlegt, da man mit extrem hoher Gewissheit davon ausgehen kann, das UK nach dem vollendeten Brexit für seine Banken keinen „EU Pass“ mehr haben wird. Also, gibt es in UK Branchen, die vom wohl nachhaltig schwachen Pfund profitieren? Der wichtigte britische Aktienindex FTSE100 hat immerhin seit Schluss 23. Juni bis jetzt 4,76% gewonnen. Das mag auch internationalen Konzernen geschuldet sein, die hierin enthalten sind. Ein absolutes Schwergewicht im Index ist mit 5,32% die HSBC Bank – sie ist extrem international aufgestellt und macht in UK selbst eher wenig Geschäft. Sie legte seit dem 23. Juni 4,85% zu. Das absolute Schwergewicht im Index Royal Dutch Shell (8,45%) legte sogar um 13% zu. Sowas wirkt im Gesamtindex.

Die Party wird aber wohl in der Realität der britischen Wirtschaft ausbleiben. Auch Shell macht seine Umsätze auf globaler Ebene! Auch jubeln dürfen die Aktionäre des Pharmagiganten GlaxoSmithKline (Indexgewichtung 4,31%). Die Aktie steigt sogar um 14%, und ist ebenfalls ein Schwergewicht im FTSE100 (Chart). Auch ein Riese im Index mit 4,79% ist British American Tobacco – die Aktie schafft es immerhin noch auf +12%. Nach Gewichtung die Nummer 8 im Index, der Spirituosenhersteller Diageo, macht z.B. nur 10% seiner Verkäufe in UK. Auch er steigt seit dem 23. Juni gut an um satte 14,3%.

Glaxo
GlaxoSmithKline.

Also gewinnen vor allem große Konzerne, die nicht nur ihren Umsatz größtenteils im Ausland machen, sondern auch größtenteils im Ausland tätig sind. Verlieren dürften langfristig die nicht exportierenden britischen Unternehmen, die Güter importieren. Sie zahlen kräftig drauf. Einerseits gibt es in UK im Gegensatz zu Deutschland keine klassische Industrie mehr wie große Autokonzerne, Maschinenbauer usw. Dafür wird der FTSE100 aber gestützt durch die vorhin aufgelisteten Konzerne. Die Stützen heißen abseits vom Öl vor allem internationale Konzerne aus den Bereichen Konsumgüter und Pharma. Gewinne aus dem Ausland in das billige Pfund umtauschen = viel Gewinn in Pfund. Von der Optik her hat der britische Aktienmarkt das Glück, dass es im FTSE100 diese Unternehmen sind, die mit einer hohen Gewichtung die Richtung vorgeben. Die hart vom Brexit-Vote gebeutelten Banken Lloyds, Barclays und RBS kommen im Index von der Gewichtung her nur auf 2,74%, 1,58% und 0,45%. Zum Glück für den Index!



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2 Kommentare

  1. Zweite Seite der Medallie

    Gegen diese Ausführungen spricht, dass der FTSE All Share oder FTSE Smallcap Index die Stände vom 22.06. auch wieder überstiegen haben.

    Der FSTE 250 liegt noch leicht unter der Wert vom 22.06.
    Der FSTE 350 recht klar drüber (Sprich im Bereich 350 scheinen sich einige Werte zu tummeln, denen der „Markt“ viel Brexitpotential zubilligt).
    Der FSTE all share ist ebenfalls deutlich drüber
    Bei denen könnte man noch teils mit dem Gewicht der großen Unternehmen argumentieren.

    Aber auch der FSTE small Cap liegt leicht über dem Wert vom 22.06.

  2. Soll das eine Erklärung sein, warum Englands Untergang nach der Brexit-Wahl ausblieb? Er sei schon da, nur nicht sichtbar, an der Börse? Und es würde wieder mal nur die Kleinen treffen?

    Jedenfalls hieß es eindeutig, die Börse crashe und das Pfund falle ins Bodenlose… Und definitiv ist das nicht eingetroffen. Geschwätz hin oder her.
    „Die Bankaktien hat es zerlegt.“ Was denn nun? Ist der Crash an der Börse passiert oder nicht? (siehe Punkt c!!!)

    a) Dasselbe Geschrei wie damals bei der Schweiz: „Wenn ihr nicht in die EU geht, wirds euch dreckig gehen. Ihr seid umgeben, aber abgeschnitten vom wirtschaftlichem Aufschwung und der Kraft der EU.“ –> Das Gegenteil ist der Fall!
    b) Erinnert auch an die Zeugen Johovas: „Der Weltuntergang kam zwar nicht sichtbar, aber Jesus kam zum Gericht unsichtbarer Weise.“ Na, dann paßt’s ja.
    c) Witzig ist vor allem, daß es die Aktien der italienischen Banken auch gerade zerlegt, sogar noch viel schlimmer, als in England. Ohne Italexit. Was nun? Und Spanien und Portugal geht es auch schlechter als England? Wechseln wir das Thema. Dank der Lügenpresse merkt den Widerspruch keiner!

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