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Solarworld-Pleite: Ach, es war so schön mit dir!

Die Pleite von Solarworld zeigt: die Revolution frißt gerne ihre eigenen Kinder! Persönliche Anmerkungen zu einem jetzt insolventen Unternehmen, das ein nicht unwichtiger Teil meiner Vergangenheit war..

Von Markus Fugmann

Als ich Anfang 20 war, infizierte mich ein Freund mit einem Virus: dem Börsenvirus. Wen dieser Virus einmal erwischt, der wird nie wieder davon vollständig geheilt, jedenfalls kenne ich niemanden, der sich mit den Finanzmärkten beschäftigt hat, der dann das Interesse für diese Materie vollständig aufgegeben hat. Eine solche Haß-Liebe findet man ganz selten in anderen Bereichen – mit dem Rauchen aufzuhören ist sicher einfacher als von den Märkten zu lassen.

Das liegt auch daran, dass an den Finanzmärkten die Zukunft ge- und verhandelt wird. Und der Mensch ist ein Zukunfts-Tier: animalisch, aber stets der Blick nach vorne gerichtet. Und eigentlich ist unser Gehirn für das Geschehen an den Finanzmärkten nicht wirklich geschaffen: der Mensch neigt zur Sicherung der Beute (streicht also Gewinne zu früh ein) und zur Hoffnung (lässt Verluste zu lange laufen). Und weil das so ist, hat der Mensch die Algos erfunden, die diese Schwäche nicht kennen.

Das Motto an den Finanzmärkten lautet: kaufe, wenn etwas teurer wird, weil die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass es dann noch teurer wird. Auf dem Gemüsemarkt wäre ein solches Verhalten in jeder Hinsicht kontraproduktiv und schädlich, an den Finanzmärkten macht es Sinn. Da wir Menschen sind, suchen wir ständig den Sinn in den Märkten, und tun uns sehr schwer damit, dass eben diese Märkte meist doch irgendwie sinnfrei sind – auch wegen der Dominanz der Algos.

Zurück zum Virus Börse: Mein Freund jedenfalls hatte damals einen Favoriten – Solarworld. Absolutes Zukunftsmodell, Solar war damals der letzte Schrei, der Umwelt zuliebe und der Rendite wegen auch. Gutes Gewissen inklusive – wenn ich Solarworld kaufe, so der Subtext der Aussagen meines Freundes, tue ich etwas Gutes für die Menschheit.

Solarworld war schon immer eigentlich eine Ein-Mann-Show von Frank Asbeck. Also fuhren mein Freund und ich nach Düsseldorf zu einem Vortrag von Asbeck, und was er sagte, war in jeder Hinsicht visionär und hat mich damals tief beeindruckt. Das glaubten auch die Märkte und schickten die Solarworld-Aktie in geradezu astronomische Höhen. Mein Freund machte satte Gewinne mit der Solarworld-Aktie (ich selbst habe die Aktie nie gekauft, warum, weiß ich gar nicht mehr genau), alles war perfekt: gutes Gewissen mit guter Rendite. Natürlich verkaufte er zu früh, wer tut das nicht.


Frank Asbeck
Foto: Wolkenkratzer – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=21522228

Gut kann ich mich erinnern, als er mir dann später erzählte, dass er wieder Solarworld gekauft habe, aber er liege leider zurück derzeit, aber das werde schon wieder. Dass etwas nicht mehr so toll ist mit Solarworld, wurde spätestens klar, als mein Freund mit nicht unerheblichen Verlusten die Reißleine zog. Damals stand der Kurs noch gefühlt 200 Ebenen höher als derzeit.

Und so war für mich Solarworld immer irgendwie ein Thema. Mit Entsetzen las ich später, dass Frank Asbeck ein Kitsch-Schloss gekauft hatte (2012), Verkäufer war Thomas Gottschalk – und das Schloss passte perfekt zu Gottschalks miserabel-kitschigen Kleidungs-Geschmack, aber eben eigentlich nicht zu Asbeck. Das war für mich das erste Anzeichen von Größenwahn: wie kann man sich ein so scheußliches Monster kaufen?

Und der Größenwahn von Asbeck ging weiter: dann wollte er Opel kaufen. Also ein für Asbeck völlig unbekanntes Geschäftsfeld, einfach nur Wahnsinn. Je größer der Größenwahn von Asbeck wurde, desto geringer der Kurs der Solarworld-Aktie, da bestand eine ziemlich enge Korrelation.

Man kann nicht wirklich sagen, dass der Niedergang von Solarworld sich nicht angekündigt hätte – Schuld waren natürlich, wie Asbeck meint, nur die Chinesen, die das 1,3-Fache des gesamten Weltbedarfs an Solarmodulen produzieren und damit die Preise kaputt gemacht haben. Die einzige Chance wäre gewesen, das Geschäftsmodell zu ändern – aber so einfach ist sowas natürlich nicht.

Jetzt also geht es zu Ende mit Solarworld, und damit stirbt auch ein Teil meiner Vergangenheit. So wie bei den vielen Unternehmen aus meiner Jugend, die es inzwischen nicht mehr gibt, darunter ganz große Namen, von denen niemand damals geglaubt hatte, dass sie jemals untergehen könnten. Das zeigt, dass wir in einem revolutionären Wandel der Wirtschaft sind, und Asbeck und Solarworld wollten bei diesem Wandel eine führende Rolle spielen. Aber die Revolution frißt gerne ihre Kinder, und gestern nahm sie sich das nächste Opfer..



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9 Kommentare

  1. Tja, lieber Herr Fugmann,
    schon der alte Kosto sagte: „Normalerweise macht 2×2=4, aber an der Börse lautet die Gleichung 2×2=5-1. :-)
    Herzlichst Sprenzi

  2. Irgendwie erinnert mich die Story an Musk und Tesla….

  3. für mich war klar, daß Asbeck komplett durchgedreht ist als ich gesehen hab wie er damals bei Opel aufgetreten ist.
    Elon Musk zeigt ähnliche Züge wie damals Asbeck, insofern neige ich zur Ansicht, daß sich die Geschichte hier wiederholen wird.

  4. Upside down you turning me ,man muß halt,wie für viele Dinge im Leben ein
    Rythmusgefühl haben,sonst bleibt man ein Plattfußtreter oder Fettnäpfchenexperte.
    Shiny days for sunny girls and boys.
    Elon Musk hat die Umlaufbahn eines Außerirdischen,der wird noch läger im Licht der Sonne stehen,als mancher denkt.

  5. Max Otte, der ja hier gerne und oft zitiert wird, hatte ja 2012 Solarworld zum Kauf empfohlen.

  6. Ich hoffe nur, dass dieser Asbeck irgendwann mal zur Rechenschaft gezogen wird für das, was er seinen Aktionären angetan hat.

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