Von Claudio Kummerfeld
Spanien ist im Aufwärtstrend – das bestätigen Regierung, Statistikbehörde und die EU. Aber nach wie vor findet die wirtschaftliche Erholung auf einem erschreckenden Niveau statt, in allererster Linie bei der Arbeitslosigkeit.
Arbeitslosigkeit
Was die Arbeitslosigkeit angeht, geht es Griechenland bekanntermaßen am Schlimmsten. In dem Land mit 11 Mio Einwohnern gibt es eine offizielle Arbeitslosigkeit von 25%. In einem der bevölkerungsreichsten EU-Staaten Spanien (47 Mio Einwohner) liegt die offizielle Arbeitslosenquote aktuell bei 22% – im Hoch waren es 26%. Jüngste Zahlen geben einen detaillierten Einblick, wie sich das Land nach wie vor im Schneckentempo, aber in die richtige Richtung entwickelt. Für viele Menschen leider zu langsam – sie sind bekanntermaßen gezwungen auszuwandern.
Die Entwicklung der Arbeitslosenquote in Spanien seit 2004. Grafik: INE
Man muss es immer wieder betonen. Das Niveau, über das man berichtet, ist erschreckend hoch, aber in 2013 lag die Jugendarbeitslosigkeit (unter 25 Jahre) noch bei 57%, jetzt bei „nur noch“ 49%. Wie stark der Rückgang verzerrt wurde, weil arbeitslose Jugendliche das Land verlassen haben, ist nicht bekannt. Für Spanien eine „exzellente Entwicklung“, wie Ministerpräsident Rajoy sagte – seine Ausdrucksweise ist verständlich, denn vor den Wahlen braucht er jeden positiven Strohhalm, an der er sich klammern kann.
Spanien und sein Bausektor
Der Immobilien- und Bausektor, der 20 Jahre lang die treibende Kraft für den spanischen Boom und dann gleichzeitig der Grund für den Absturz des Landes war, hat dem Anschein nach in 2014 seinen Tiefpunkt gefunden und ist dabei sich zu erholen. Die Baubranche beschäftigt in Spanien aktuell 1,1 Mio Menschen, Anfang 2008 auf ihrem absoluten Höhepunkt waren es noch 2,8 Mio. Von diesem tiefen Niveau aus startet man jetzt durch. Im Augenblick schafft die Branche so viele Jobs wie seit drei Jahren nicht mehr. Das fünfte Quartal nacheinander legt die Zahl der Arbeitsplätze in der Branche zu. Inzwischen sind sich die Gewerkschaften aber wohl bewusst, wie wacklig der Aufschwung noch ist und stimmen Lohnsteigerungen in der Branche zu, die deutlich unter dem landesweiten Durchschnitt aller Branchen liegen.
Während der Krise waren die Immobilienpreise drastisch eingebrochen. Seit 2014 ein erstes kleines Plus. Grafik: INE
Bei den Hypotheken das gleiche Bild wie bei den Hauspreisen. Seit letzten Jahr stabilisiert sich die Anzahl neuer Hypothekenverträge auf tiefem Niveau. Grafik: INE
Das Wirtschaftswachstum (BIP-Steigerung) hat genau wie die vorher gezeigten Sektoren auch im letzten Jahr die Wende ins Plus geschafft – von der Rezession zurück ins Wachstum ab dem 2. Quartal 2014. Der Tourismussektor ist dieses Jahr auf Rekordniveau, was dort dieses Jahr auch zu Rekordzahlen bei den Arbeitsplätzen führt. Aber dies sind halt nur Saisonjobs, nicht besonders gut bezahlt – und man muss jede Saison aufs Neue hoffen was zu bekommen. Das kann es auf Dauer nicht sein für viele Gutqualifizierte, die jetzt als Kellner arbeiten, obwohl sie jahrelang z.B. Ingenieurwesen studiert haben.
Grafik: Eurostat
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Quelle:
Spanische Statistikbehörde INE
Eurostat
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Hinzu kommt, dass das kleine nominale Wirtschaftswachstum durch fortgesetzte Deflation in 2014 und 2015 real nach oben verzerrt worden ist. Deflation wirkt gewissermaßen als BIP-Botox. Und bei einem allseits bereits bejubelten realen Wirtschaftswachstum (= Preiseffekte berücksichtigend, hier also fallende Preise) von gerade mal einem Prozent möchte ich eigentlich gar nicht so genau wissen, ob die spanische Wirtschaft in den vergangenen Quartalen in absoluten Zahlen wirklich gewachsen ist oder nicht…