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TTIP: Der große Denkfehler von Angela Merkel

Während Sigmar Gabriel aus welchen Gründen auch immer derzeit vom Freihandelsabkommen TTIP zwischen USA und EU abrückt, glaubt Angela Merkel weiterhin felsenfest an einen Erfolg...

Von Claudio Kummerfeld

Während Sigmar Gabriel aus welchen Gründen auch immer derzeit vom Freihandelsabkommen TTIP zwischen USA und EU abrückt, glaubt Angela Merkel weiterhin felsenfest an einen Erfolg. Das Abkommen soll durchgepaukt werden, egal welche Widrigkeiten sich da in den Weg stellen. Warum? Das bringt Angela Merkel derzeit klar zum Ausdruck gegenüber der Funke-Mediengruppe. Sie sagte mit Bezug auf die derzeit hohe Arbeitslosigkeit in der EU man solle alles unterstützen, was Arbeitsplätze schaffen kann. Und das TTIP-Abkommen mit den USA gehöre dazu.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel. Foto: Olaf Kosinsky/Wikipedia (CC BY-SA 3.0 de)

Ich kann mich ja auch irren, denn was weiß ich schon: Aber der Denkfehler von Angela Merkel ist der selbe wie bei vielen Ökonomen. Er lautet: Freihandel = mehr Arbeitsplätze (Freihandel ist gut, davon profitieren alle). Nach meiner Meinung weist Hans-Werner Sinn öfters richtigerweise darauf hin, dass der Verbraucher durch Freihandel an günstigere Produkte kommt, was seinen Geldbeutel entlastet. Das wird bei TTIP wahrscheinlich auch der Fall sein. Günstigere Agrarprodukte aus den USA, das drückt den hiesigen Bauern auch noch weiter runter im Preiskrieg. Doch wer bezahlt die Zeche? Nicht nur der Bauer. Wo der Verbraucher insgesamt in allen Lebensbereichen wohl günstigere und vielleicht sogar bessere Produkte bekommen könnte, muss auf der Gegenseite irgendwer dafür den Preis bezahlen.

Und gerade bei einem so großen Abkommen wie TTIP geht es um verdammt viel. Wozu sind denn die bisherigen Importzölle überhaupt da? Beide Seiten wollen ihre jeweiligen Märkte in Teilsegmenten gegen billigere Konkurrenz aus dem Ausland schützen. Beim Freihandel fällt dieser Schutz weg, was wie gesagt letztlich für den Endkonsumenten positiv ist. Der Unternehmer kann sich jetzt aber im jeweils anderen Wirtschaftsraum, wenn denn möglich, noch günstigere Produktionsstandorte für seine Produkte suchen (Autos, Maschinen, Agrar uvm). Durch günstigere Löhne für zum Beispiel US-Unternehmen, die in Rumänien Standorte eröffnen, können sie zollfrei in die USA Produkte verschiffen, die dort höher bezahlte US-Arbeitsplätze vernichten. Andersrum geht es natürlich genau so.

Aber leider, so meine ich, versteifen sich Ökonomen und auch Politiker wie Angela Merkel stur auf die angeblichen Weisheit „Mehr Freihandel ist besser für alle“. Das ist leider zu einfach. Denn Importzölle haben oft einen Sinn. Wie wäre es zum Beispiel, wenn die EU mit China eine Freihandelszone einführen würde, so richtig komplett zu 100% ohne Zölle? Gerade erst hat die EU nämlich Importzölle für chinesische Stahlerzeugnisse eingeführt, weil die Chinesen ihre Produktionsüberschüsse weit unter Herstellungskosten in Europa verramschen. Damit wurde zuletzt vor allem die britische Stahlindustrie kaputt gemacht – die deutsche Stahlindustrie leidet derzeit auch kräftig, und sucht Fusionspartner. Gäbe es so einen Freihandel mit China, würden ganze Industrien in Europa auf einen Schlag kaputtgehen.

Etwas softer, aber ähnlich wird es zwischen USA und EU in Teilbereichen geschehen, wenn sich Unternehmen ohne die bisherigen Probleme von Importzöllen noch billigere Standorte für die einfachsten Tätigkeiten suchen können. Am meisten verlieren tun demnach beim Freihandel die Arbeitnehmer mit den niedrigsten Löhnen und einfachsten Tätigkeiten – denn die können auch am Einfachsten ins Ausland verlagert werden. Der Abbau von Zöllen mag in manchen Teilbereichen Sinn machen. Und vor allem: Die deutsche Industrie betont ja immer wieder die Vereinfachung durch TTIP – als Beispiel werden immer die berühmten Autoblinker angeführt, die vereinheitlicht werden sollen. Meine Meinung: Solche Vereinheitlichungen kann man auch ohne Freihandelsabkommen einzeln vereinbaren. Das gilt auch für Zölle, die man einzeln abschaffen kann, wenn es sinnvoll erscheint!



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6 Kommentare

  1. „…würden ganze Industrien in Europa auf einen Schlag kaputtgehen“

    Das passt doch ins Gesamtkonzept.
    Macht kaputt, was euch kaputt macht.
    „Nie wieder Deutschland! Deutschland verrecke!“

    Ach nee, tschuldigung, das kam ja offiziell nicht direkt von Frau Merkel. Lautstark geäußert wurde das ja von den linksgrünen Faschisten – und bezog sich ja nur auf Deutschland, nicht auf die gesamte EU.

    1. schon recht, aber ich denke es hat schon vorher angefangen:

      „Und ich bin mehr denn je davon überzeugt, dass wir in den nächsten drei bis vier Jahren in den neuen Bundesländern blühende Landschaften gestalten werden …“ (Helmut Kohl)

      Ob er sich nur auf „die Neuen“ bezog?

  2. Am Beispiel PV-Module sieht man wie gut das war ohne Zölle.
    China hat den Markt mit billigen Modulen geflutet und etliche deutsche Anbieter sind pleite gegangen.

    1. Aber genau das ist freier Markt: wer nicht konkurrenzfähig ist, wird verdrängt – ganz einfach. Dies passt einem (selbst) vielleicht nicht immer, ist aber ein ganz natürliches Prinzip zur Bereinigung des Marktes von Exzessen. Man kann es nicht von anderen fordern, aber selbst mit Schutzzöllen konterkarieren.

      Ihr Kommentar hat definitiv den Beiklang, das Sie das noch nicht ganz realisiert haben.

      1. Mir ist sehr wohl bekannt, was freier Markt bedeutet und den finde ich ja auch gut.
        Im Falle der PV-Module war es aber so (zumindest habe ich das so noch in Erinnerung), dass die chinesischen Anbieter massiv mit Staatsgeldern/Krediten unterstützt wurden und so einen für etliche deutsche ruinösen Preiskampf verursachten. Dies ist mitnichten ein freier Markt.
        Man kann aber natürlich auch anfügen, dass die derzeitige EZB-Politik mit dem Ankauf von Unternehmensanleihen auch eine ungerechtfertigte Finanzierung durch den Staat darstellt. Diese EZB-Politik kann ich aber auch nicht gutheißen.

  3. “ „Mehr Freihandel ist besser für alle“
    Manchmal fragt man sich ob die alle am Rinderwahnsinn leiden.
    Der sog. Markt ist ja nur eine Fantasterei, ein Gedankenkonstruktion, die gewählt wird, um die Auswirkungen von Milliarden von Vertragsabschlüssen die täglich stattfinden, irgendwie beschreibend zusammen fassen zu können.
    Aber jeder dieser Abschlüsse ist ein sog. Nullsummenspiel, d.h. der Gewinn einer Vertragspartei ist immer der Verlust/entgangene Gewinn der anderen.
    Häufig wird von einer sog. Win-Win Situation gefaselt. Dann geht das aber zu Lasten einer Gruppe (zukünftige Generationen/Umwelt/bereits erbrachte Leistungen früherer Generationen etc.) die gar nicht an diesen Abschlüssen beteiligt wurde.

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