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TTIP-Investorenschutz: Gelddruckmaschine für Anwälte?

Von Claudio Kummerfeld

In unserem Artikel vom 30.01.2014 hatten wir bereits auf aktuelle Beispiele aus Kanada verwiesen, wie die Regularien der nordamerikanischen Freihandelszone NAFTA in der Praxis umgesetzt werden und sich finanziell für Staaten auswirken. Heute möchten wir schauen, wie sich bisherige Investorenschutzklagen für Anwälte auszahlen. Daraus lässt sich ableiten, was beim TTIP-Investorenschutz auf europäische Staaten zukommen könnte.

Eine geniale Idee

Sie sind Anwalt und überlegen: „Wie kann man Geld verdienen – richtig viel Geld?“ Dann ein Geistesblitz. Basteln Sie sich doch einfach einen außerstaatlichen privaten Gerichtshof, dazu noch außerstaatliche private Regularien. Und bei diesem Privat-Gerichtshof machen Sie den Prozess und das Urteil einfach zur Geheimsache, – die Möglichkeit der Revision lassen sie gleich ganz weg. Und Sie als Bastler bestimmen die Spielregeln, nämlich endlose überteuerte Verfahren, und sie selbst treten als Anwalt UND Schlichter auf. Perfekte Idee. Geniale Idee. Jetzt müssen Sie nur noch potenzielle Kläger und Beklagte auftreiben… Das was ich gerade beschrieben habe, ist natürlich reine Satire. In der Realität wäre sowas unvorstellbar – eine Utopie, mehr nicht! Oder doch nicht?

Das globale Hauptquartier

Das „International Centre for Settlement of Investment Disputes“ (ICSID) ist eine Sektion der Weltbank in Washington D.C. und ist sozusagen die globale Zentrale der außergerichtlichen Privatschlichtung beim „Investorenschutz„. Hier würde bei TTIP vielleicht auch entschieden werden, ob z.B.ein US-Ölkonzern Schadenersatz erhält, weil er in Niedersachsen nicht in dem Ausmaß Fracking betreiben kann, wie er sich das wünscht. Das ICSID hat nach eigenen Angaben bisher mehr als 490 solcher Fälle bearbeitet. Einen Einblick in die Kosten nur der Institution selbst für die Verhandlungstage und alles drum herum erhält man hier.

Prozesskosten

Investorenschutz-Prozesse dauern in der Regel Jahre – bei TTIP wäre das nicht anders. So ist das eben – komplizierte ellenlange Materie… was soll man da machen als Anwalt. Da muss man durch. Laut einer Studie des „Transnational Insitute“ liegen die Anwalts- und Schiedsgerichtskosten pro Fall im Schnitt bei 8 Millionen US-Dollar, manchmal sogar bei 30 Millionen US-Dollar. Die philippinische Regierung musste laut der Studie insg. 58 Millionen US-Dollar zahlen um sich gegen zwei Klagen des Frankfurter Flughafenbetreibers Fraport zur Wehr zu setzen. Es ging damals um den Bau eines Flughafen-Terminals. Bei den bekannten Investorenschutzklagen haben gerade mal 15 SchiedsrichterInnen, fast alle aus Europa und Nordamerika 55 % aller Klagen entschieden. Allein die drei Anwaltskanzleien White&Case, Freshfields und King&Spalding haben 2011 nach eigenen Angaben 130 dieser Investorenschutzklagen bearbeitet. Anwälte in diesen Verfahren sind oft nicht nur Anwälte der Streitparteien. Sie fungieren in anderen „Verfahren“ auch mal als Schiedsrichter oder als Experte im Zeugenstand, so die Studien. Wenn das Thema nicht so ernst wäre, könnte man fast darüber lachen.
Hier die komplette Studie
Hier die Zusammenfassung

Staatliche Souveränität

So eine gigantische Freihandelszone wie zwischen den USA und der EU hat es noch nie gegeben. Die Klagemöglichkeiten würden ins Unermessliche wachsen. Wenn man sich das vor Augen hält – selbst bei einer Klageeinstellung bleibt der Beklagte auf seinem Teil der Kosten sitzen. Man stelle sich vor ein US-Ölkonzern, der es sich leisten kann einen jahrelangen Prozess zu führen, sucht sich ein kleines wenig finanzstarkes Land wie Slowenien aus und droht ihm mit einem jahrelangen TTIP-Prozess mit Millionen-Prozesskosten – da überlegt sich die Regierung doch vielleicht lieber den Ölförderantrag zu genehmigen, und zack, Klageandrohung vom Tisch. So könnte es laufen. Wenn jedes Unternehmen quasi jedes Land wg. Irgendwas verklagen kann, wozu gibt es dann noch die nationale Souveränität? Was ist deren Gerichtsbarkeit noch wert? Letztendlich ist die von einigen Anwälten veranstaltete private Gerichtsbarkeit nichts anderes als die Entmündigung von Bürgern und Staaten. Dass man als Staat auch anders agieren kann, zeigen diese Länder: Venezuela, Ecuador und Bolivien haben mehrere derartige Abkommen einfach wieder gekündigt. Argentinien weigerte sich schlicht und einfach bei verlorenen Prozessen zu zahlen – Südafrika und Australien wollen generell keine neuen Investorenschutz-Klauseln mehr unterzeichnen.

Fazit: bei TTIP wird es sein wie im Kasino – die Bank (der Anwalt) gewinnt immer. Nur dumm, dass der Steuerzahler gezwungen sein wird am Roulette-Tisch zu sitzen.

Quellen: Transnational Institute / Weltbank ICSID / Corporate Europe Observatory



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2 Kommentare

  1. Globaler Aktionstag gegen TTIP ist am 18. April 2015, wenn es bis dahin nicht schon zu spät ist.
    http://www.muenster-gegen-ttip.de/globaler-aktionstag-gegen-ttip-2015/

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