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TTIP-Investorenschutz: Warum „Schiedsgerichte“ überflüssig sind

Von Claudio Kummerfeld

Rund um das Thema TTIP-Investorenschutz nimmt der Streit immer weiter zu. Bundeswirtschaftsminister Gabriel brachte jüngst „öffentlich-rechtliche Handelsgerichtshöfe“ ins Spiel. Warum private Schiedsgerichte bei TTIP überflüssig sind, abseits jeglicher Polemik und Aufregung, erläutern wir hier.

Weltbank-Zentrale-in-Washington
Zentrale der privaten Schiedsgerichte: Weltbank-Hauptquartier in Washington D.C.
Foto: Shiny Things – Flickr / Wikipedia (CC BY 2.0)

Weltbank

Das wichtigste private „Schiedsgericht“, außerhalb jeglicher staatlichen Aufsicht, komplett veranstaltet von Anwälten aus privaten Anwaltskanzleien, die als Anwälte und auch als Richter auftreten, ist das ICSID in Washington, eine Unterabteilung der Weltbank. Hier können Unternehmen Klage einreichen gegen Staaten, wenn sie sich von diesen Staaten ungerecht behandelt fühlen. Die zu verklagenden Staaten müssen hierfür Mitglied beim ICSID bzw. bei der Weltbank sein. Der Hauptsinn gerade dieser „Gerichtsbarkeit“, die eigentlich gar keine ist, liegt darin begründet, dass es viele Staaten gibt, die es z.B. bei Verstaatlichungen (Venezuela) nicht ganz so genau nehmen mit der Entschädigung der enteigneten Unternehmen. Es ist nachvollziehbar, dass diese Unternehmen Angst haben vor einem Gericht vor Ort nicht Recht zu bekommen, weil es von der Regierung beeinflusst wird. Aber dann muss man sich fragen, warum diese Unternehmen dort überhaupt Geschäfte machen. Und für diese Unternehmen ist derzeit der ICSID eine Möglichkeit an Geld zu kommen.

Die Perversion der „Rechtsprechung“

Die von Unternehmen gewünschte unabhängige Gerichtsbarkeit wird vielmehr zur Perversion. „Richter“ sind auch gerne mal Anwälte in anderen Verfahren, drängen Unternehmen auch schon mal dazu Staaten zu verklagen und haben vorher diese Staaten beraten. „Unabhängigkeit der Justiz“ sieht anders aus. Für Konflikte zwischen Unternehmen und „Dritte Welt“-Ländern ohne unabhängige Justiz wäre es sinnvoll schlicht und einfach bei der Uno einen Gerichtshof mit hauptamtlichen von der Uno eingesetzten Richtern zu ernennen – Problem gelöst. Damit könnten sicher alle leben! Staaten und Unternehmen würden auf jeden Fall die horrenden Anwaltshonorare der „Schlichtungs“-Anwälte sparen.

Bei TTIP komplett überlüssig

Warum sind private Schiedsgerichte (oder überhaupt Schiedsgerichte) bei TTIP vollkommen überflüssig? Das ergibt sich aus der Zusammensetzung der Handelspartner. Bei TTIP verschmelzen die USA und die EU zu einer Freihandelszone. Man kann mit Fug und Recht sagen, dass in diesen beiden Regionen die größtmögliche Rechtssicherheit für Investoren auch heute schon gegeben ist. Viele Beispiele zeigen, dass die unabhängigen Gerichte in den USA, in Deutschland, Spanien, Österreich und allen anderen EU-Staaten frei von staatlicher Beeinflussung Urteile auch gegen den eigenen Staat fällen. D.h. Investoren, die sich von einem Staat ungerecht behandelt fühlen, können auch heute schon in diesem Staat vor ein Gericht ziehen und zu ihrem Recht kommen. Sonst wäre wohl kaum so ein reger wirtschaftlicher Austausch möglich, wie er bereits heute zwischen EU und USA stattfindet.

Und genau dieser Umstand unterscheidet die TTIP-Staaten von Ländern wie Venezuela, wo man zumindest vermuten muss, dass die Gerichte nicht völlig unabhängig sind. Denn genau um diese außenstehende unabhängige Rechtssicherheit zu gewährleisten, wurden einst die unsäglichen Schiedsgerichte geschaffen. Unternehmen, die umfangreich in Südamerika oder Afrika unternehmerisch tätig werden, sollten die Möglichkeit haben der Gefahr einer staatlichen Beeinflussung zu entgehen, in dem vor einem externen unabhängigen Gericht geklagt werden kann.

Auf den Punkt bringt es Mario Ohoven, Präsident des Bundesverbands für mittelständische Wirtschaft, in einem heute veröffentlichten Interview mit der Zeitung „Die Zeit„. Dort sagt er wortwörtlich:
„Es geht hier doch um Rechtsstaaten, um die USA und Europa. Die haben weltweit die besten staatlichen Gerichte, also brauchen sie keine Paralleljustiz. Die Amerikaner haben mehr als die Hälfte ihrer ausländischen Direktinvestitionen in der EU angelegt – ohne ISDS.“

Sigmar Gabriels Versprechen

Wie Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel der „Süddeutschen Zeitung“ vor einigen Tagen sagte, wird es mit der SPD keine Schiedsgerichte bei TTIP geben. „Und wir werden, da bin ich absolut sicher, auch keine Privatisierung der Schiedsgerichtsbarkeit erleben“, Zitat Gabriel. Sozialdemokratische Minister aus 6 EU-Staaten hatten eine Initiative vorgestellt, wonach bei TTIP und beim Abkommen mit Kanada (CETA) „öffentlich-rechtliche Handelsgerichtshöfe“ die privaten Schiedsgerichte ersetzen sollen. Hier sollen Berufsrichter Recht sprechen. Das hört sich doch gar nicht mal so schlecht an – da kann man nur sagen: Jetzt heißt es „Umsetzen, Herr Gabriel“.



Falls es Sie interessiert, mit welchen Mitteln die TTIP-Lobby u.a. kämpft, lesen Sie auch gerne diesen Artikel.



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