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TTIP: Malmström´s schöne neue Gerichtswelt – aber wozu das Ganze überhaupt noch?

Von Claudio Kummerfeld

EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström hat heute eine Pressekonferenz abgehalten um die Kernpunkte ihres neuen Vorschlags zu Schiedsgerichten beim Freihandelsabkommen TTIP zwischen EU und USA vorzustellen. Die Schiedsgerichte sollen keine Schiedsgerichte mehr sein, sondern Gerichte. Richtig überzeugend klang ihre Präsentation aber trotzdem nicht. Alles Wichtige hier…

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EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström
Foto: EU-Kommission

Cecilia Malmström machte in ihrer heutigen Pressekonferenz mit kräftiger Stimme klar die bisher für TTIP angedachten Schiedsgerichte zur Schlichtung von Investorenstreitigkeiten mit Staaten sollen einem richtigen Handelsgericht weichen, dass von der EU und den USA installiert wird. Das war eine überzeugende erste Aussage!

Statt Anwälten, die mal als Anwalt einer Partei auftreten, dann später woanders am Schiedsgericht auf einmal als Schiedsrichter, sollen in Malmström´s neuem Gericht richtige Berufsrichter tätig sein, die von den USA und der EU dorthin entsandt werden. Und diese Richter dürfen laut Malmström an diesen Gerichten wie gesagt auch NUR als Richter arbeiten, und nicht die Funktionen wechseln. Auch von der Qualifikation her sollen die Richter auf dem selben Level sein wie Richter an bereits anerkannten internationalen Gerichtshöfen. Hört sich alles gut an… es soll 15 Richter am eigentlichen Gericht geben, dazu 6 Richter für die Berufungsinstanz. Zitat aus dem offiziellen Malmström-Text:

„Investment Court System – this is new: The text proposes the establishment of a new court system composed of:
a Tribunal of First Instance (“Investment Tribunal”) with 15 publicly appointed judges
an Appeal Tribunal with 6 publicly appointed members
On the Investment Tribunal, the 15 judges would be appointed jointly by the EU and the US governments.
five EU nationals
five US nationals
five nationals of third countries.
These judges would be the only ones to hear disputes under TTIP. The judges would have very high technical and legal qualifications, comparable to those required for the members of permanent international courts such as the International Court of Justice and the WTO Appellate Body. Disputes under TTIP would be allocated randomly, so disputing parties would have no influence on which of the three judges will be hearing a particular case. This is a fundamental change compared to the old ISDS system which operates on an ad hoc basis with arbitrators chosen by the disputing parties. Taken together, the elements proposed for the operation of the Investment Tribunal, are an effective way to insulate judges from any real or perceived risk of bias.“

Auch betonte sie unter TTIP dürften die Klageparteien sich ihre Richter nicht aussuchen. Eine kuriose Feststellung, die aber notwendig ist, denn bei bisherigen Schiedsgerichtsverfahren suchen sich beide Klageparteien in der Tat die idR 3 Schiedsrichter selbst aus. Und um das VOLK da draußen zu besänftigen, betonte Malmström wieder mit kraftvoller Stimme alles was in diesem Gericht vor sich ginge, soll komplett im Internet frei zur Verfügung gestellt werden, also volle Transparenz! Bei diesem neuen Handelsgericht, wie die EU-Kommission es jetzt für TTIP haben will, handele es sich nicht mehr um eine Privatjustiz wie bei bisherigen Schiedsgerichten, sondern um richtige Justiz. Auf eine Journalisten-Nachfrage sagte Malmström klipp und klar diese neue Idee von Handelsgerichten für TTIP betreffe nicht das CETA-Abkommen mit Kanada. „CETA ist geschlossen und zu Ende verhandelt. CETA wird nicht neu geöffnet“, so Malmström. Zack aus!

Die NEUEN TTIP-Gerichte, wie sie sich die EU-Kommission vorstellt, in Bildform:

Am Ende ihrer Rede betonte Cecilia Malmström, dass diese neue Art von Handelsgericht das Recht der EU-Staaten oder der EU selbst Gesetze und Regularien zu erlassen, nicht überdecke. Der Staat hat also weiterhin das Recht zu regulieren und muss sich nicht dem TTIP-Abkommen unterwerfen, so kann man es auf Deutsch übersetzen. Zitat aus dem offiziellen Malmström-Text:

„An article on the right to regulate – this is new: It clearly states that the right to regulate for public policies is fully preserved. It also clarifies that investment protection provisions shall not be interpreted as a commitment from governments not to change their legal framework, including in a manner that may negatively affect the investor’s expectations of profits. A further provision clarifies that TTIP will not prevent the EU from enforcing its state aid law.“

Man bedenke: Diese Vorschläge sind nicht die Endfassung für TTIP, sondern nur das, was die EU-Kommission jetzt den USA als Vorschlag präsentieren will. Die USA müssen dem noch zustimmen. Das wird der nächste große Knackpunkt. Da würden viele US-Konzerne ja glatt die Lust am „Drauf los klagen“ verlieren…

Da bleibt nur die Frage offen: Wenn das neue TTIP-Gericht wie ein richtiges Gericht arbeiten soll, mit richtigen Richtern, wozu das Ganze dann überhaupt noch? Warum können US-Unternehmen unter TTIP dann nicht einfach zukünftig vor „normalen“ regulären Gerichten in den EU-Mitgliedssaaten klagen? Da bekommen sie schließlich auch jetzt schon Recht gesprochen von unabhängigen Berufsrichtern!



Quelle: EU-Kommission



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3 Kommentare

  1. Ein Schiedsgericht ist erst dann keines mehr, wenn es eine direkte Anbindung an einen Staat (Völkerrechtsentität) hat – die EU ist aber kein Staat, kann es auch nicht sein und wird es auch nicht werden. Diese „neuen Gerichte“ sind somit immer noch Schiedsgerichte (wieder EU-Betrug von vorn bis hinten). Diese sollen somit jetzt Häppchenweise (Salami-Taktik) eingeführt werden, bis man sein Ziel erreicht hat, getreu dem Juncker-Zitat:
    „Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, ob was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter – Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt.“

    1. man sollte den Trick hierin vielleicht noch etwas näher erläutern:
      Nur weil man einen Richter eines (vermeintlich) [1] nationalen Gerichts in ein Schiedsgericht beruft, heußt das nicht, dass das Schiedsgericht auf einmal etwas anderes wäre – es bleibt das gleiche (Institution), hat sich sein Personal nur von wo anders her besorgt. Der berufene Richter arbeitet dort in seiner Nebentätigkeit – nichts anderes ist das – dann aber unter anderer Flagge, nämlich der Institution (Schiedsgericht). Innerhalb einer Institution gelten aber immer noch die Regeln der Institution und diese hat der Richter zu befolgen, sonst wird er entlassen (offiziell dann: abberufen auf fahdenscheinlichen Gründen, um das Bild zu wahren). Die Beeinflussung, Manipulation und Betrug ist damit kein Riegel vorgeschoben, denn die (Spiel-)Regeln der Institution sind das Problem, nicht welcher Firlefanz dort den Richter mimt. In einer Institution (Firma) gelten immer die Firmenregeln, Ende.

      [1] „vermeintlich“: wenn ein Richter eines nationalen Schiedsgerichts in einem anderen Schiedsgericht seinen Dienst antritt (wenn auch nur temporär), dann macht es selbiges nicht „staatlicher“

    2. ich lasse mich an dieser Stelle mal zu einer gewagten Theorie hinreißen:
      Die Freihandelsabkommen (TTIP) sind nichts anderes als Abwicklungsgesellschaften zur Abschöpfung nationaler Ressourcen, Firmen und Kapital – nur in einem anderen Gewandt, welches andere Ziele vorgauckelt. Das mit den anderen Zielen vorgauckeln hat ja im gesamten EU-Konstrukt seine vollendete Verankerung, wenn man genau hinschaut.
      Als historische Äquivalenz zur besseren Vorstellung nenne ich hier mal die Treuhandanstalt für die DDR [1] (Ziel: verscherbeln von Volkseigentum, Firmen und anderen Ressourcen) und unter anderem auch in Griechenland der „Hellenic Republic Asset Development Fund“ [2]. Das Zeil ist Enteignung und nachfolgend Profitsteigerung, auf welchen Sie als Leser dieses Textes dann selbst an der Börse noch spekulieren dürfen (den Ast unterm Hintern, und so). Zusätzlich verstärkt wird dies auch durch das Grundgesetz, welches keinen abgeschlossenen Katalog der Staatsaufgaben enthält – kann es auch nicht, denn die BRD ist selbst eine Treuhandinstitution (welch Ironie!), somit nicht staatlich (NGO [3]) und nicht staatsgebunden. Somit dürfte klar sein, was dem deutschen Volk hier noch bevor stehen dürfte und bisher eigentlich auch schon geschehen ist. Es verläuft nur langsam, denn man soll es so direkt nicht wahrnehmen.

      [1] Link: https://de.wikipedia.org/wiki/Treuhandanstalt
      [2] Link: https://de.wikipedia.org/wiki/Hellenic_Republic_Asset_Development_Fund
      [3] Link: https://de.wikipedia.org/wiki/Nichtregierungsorganisation

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