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Unternehmensanleihen: Draghi mit erneutem Paradoxon, Bayern ruft zum Sturm auf die EZB

FMW-Redaktion

Es wird immer bunter rund um die am Mittwoch begonnenen Aufkäufe von Unternehmensanleihen durch die EZB. Jetzt wurde aus Bankenkreisen bekannt, dass die EZB wohl auch Schulden von RWE und Siemens gekauft hat, und siehe da, auch Anleihen der weltgrößten Brauerei Anheuser Busch Inbev. Offiziell fließt das Geld an die in Europa sitzende Gesellschaft, aber wie will die EZB nachprüfen, ob das Geld bei so einem Firmenkongolomerat wie diesem Brauereigiganten nicht letztlich auf US-Konten des Konzerns landet? Dann hätte dieser Anleihekauf nichts zu tun mit der Förderung der EU-Wirtschaft, sondern dann würde die EZB die US-Wirtschaft ankurbeln.

EZB Mario Draghi
EZB-Chef Mario Draghi am 2. Juni bei der EZB-Ratssitzung. Foto: EZB

Aber egal. Rund um dieses Thema „Unternehmensanleihen und die EZB“ gibt es ein ganz interessantes Paradoxon, dass genau so bereits auftrat, als Mario Draghi vor mehr als einem Jahr mit dem Kauf von Staatsanleihen für 60 Milliarden Euro pro Monat startete. Damals sagte er mit diesem Programm wolle die EZB den Euro-Mitgliedsstaaten Zeit kaufen, die diese benötigen würden für Strukturreformen – die EZB könne mit ihren Maßnahmen halt nur Zeit erkaufen – die Reformen der Staaten sollten den Karren der lahmenden EU-Konjunktur aber langfristig aus dem Dreck fahren.

Das Lustige oder eher Traurige daran ist: Mario Draghi scheint auch heute noch nicht gemerkt zu haben, das viele Euro-Mitgliedsländer (Italien? Frankreich?) diese Zeit nicht für Strukturreformen genutzt haben, sondern diese EZB-Maßnahmen als das erkannten, was sie wirklich sind: Sie geben den Staaten die Chance einfach auf Reformen zu verzichten – die Maßnahmen der EZB werden zu einem dauerhaften Ersatz für Strukturreformen bzw. werden von den Politikern als Ersatz wahrgenommen – so kann man selbst dringend notwendige Reformen auf die lange Bank schieben – die EZB sringt ja mit immer neuem frischen Geld ein um die Wirtschaft irgendwie anzuschieben, so die Annahme der Politik (was natürlich niemand ausspricht).

Und genau die selbe Aufforderung wie letztes Jahr stößt Mario Draghi jetzt zum Start der Käufe von Unternehmensanleihen wieder aus. Die EZB erkaufe den Staaten ja nur Zeit um Strukturreformen umzusetzen, so Draghi bei einer Rede in Brüssel. Die Politik müsse nun endlich mit Reformen handeln. Es gäbe viele verständliche politische Gründe für die Verzögerung von Strukturreformen, aber nur wenige gute wirtschaftliche, sagte Draghi. Die mit einer Verschleppung von Reformen verbundenen Kosten seien einfach viel zu hoch. Nochmal: Scheint Draghi immer noch nicht gemerkt zu haben, dass er selbst mit seiner Politik der Grund dafür sein könnte, dass die Politik notwendige Reformen bequem aufschieben kann?

Vielleicht kann man das ganz gut vergleichen mit den Schule. Ein Streber-Kind hilft ständig faulen Kindern bei den Hausaufgaben. Und jedes Mal sagt es ihnen „ihr müsst aber auch mal anfangen zu lernen und Hausaufgaben zu machen“. Aber jedes Mal aufs Neue hilft das Streber-Kind den faulen Kindern bei den Hausaufgaben. Frage: Warum sollen die faulen Kinder jemals anfangen selbst was zu machen, wenn der Streber ihnen die Hausaufgaben immer wieder abnimmt?

Bayern bläst zum Angriff

Währenddessen ruft Bayerns Finanzminister Markus Söder passenderweise im „Oberbayerischen Volksblatt“ zum Sturm auf die Bastille ähhh den EZB-Turm. So sagt Söder heute Zitat:

„Nachdem Draghis Politik der Niedrigstzinsen das Sparen entwertet hat, zerstört er nun den Anleihemarkt für Kleinanleger.“

„Die Sprachlosigkeit in Berlin zur EZB-Politik muss jetzt beendet werden. Sparer und Privatanleger erwarten von Bundesfinanzminister Schäuble, dass er ihre Interessen mit Nachdruck vertritt. Werden sie weiter im Stich gelassen, werden sie sich bei künftigen Wahlen Alternativen suchen.“

Auch bei diesem Programm sei der deutsche Steuerzahler mit gut 1/4 in der Mithaftung, so Söder. Und in der Tat ist es ja so: Kauft die EZB z.B. langlaufende Anleihen von RWE, und der Energiekonzern mit seinem (kaputten?) Geschäftsmodell geht in ein paar Jahren pleite, bleibt die Rückzahlung der Anleihe aus, und der deutsche Steuerzahler ist mit 1/4 an diesem privatwirtschaftlichen Zahlungsausfall beteiligt, nämlich als Gläubiger, der sein Geld nicht zurückerhält. Söder bläßt zur Attacke. Nur was soll Wolfgang Schäuble jetzt machen? Verbal intervenieren? Oder auf eine Änderung der europäischen Verträge bzgl. der EZB drängen? Das wäre die Ultima Ratio!



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3 Kommentare

  1. Sehr geehrte Redaktion,

    Sie stellen die Frage, warum Mario Draghi es nicht kapiert. Draghi ist ein Ökonom, ein Keynesianer und ein Theoretiker. Vorzugsweise Ökonomen kennen nur die theoretische Welt, die haben von den Realitäten keine Ahnung! Und dann wundert man sich warum es nicht so klappt wie im Lehrbuch ausgeführt wurde.

    Nur ganz wenige Ökonomen können über ihr Lehrbuch hinaus denken, die abgebildete Person gehört definitiv nicht dazu.

  2. Das ist nicht nur ein Theoretiker.
    a) Bei Goldman Sachs lernt man nicht die Theorie, ganz im Gegenteil! Man lernt Macht und Effektivität. Einerseits wird er nichts gegen seinen ehemaligen weltweitvernetzten Arbeitgeber tun. Falls sein Job in der EU ausläuft, bekommt er sicher wieder einen Posten dort.
    b) Außerdem erhöht er die „Besitz“- und Macht-Rate der EU, verdoppelt, -dreifacht, -hundertfach. Am Schluß gehört alles dem EU-Sozialismus, unter dem Mantel der eifrigen Rettung der Wirtschaft. Im Politiker-Netz-Werk von GoldmanSachs.
    c) Alle schauen Fußball und wachen im Knast auf, indem der Staat „d e r“ Arbeitgeber ist und alles verteilt. Die politisch Korrekten werden bevorzugt.

  3. 100Punkte Sabine

    …und den Theoretiker spielt er nur .Das ist alles geplant !

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