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USA: Warum die Krankenversicherungsbeiträge explodieren

Die Freiheitsstatue - Symbol für die USA

Zu Beginn des neuen Jahres werden Versicherte in den USA erneut mit deutlich steigen Beiträgen und Selbstbehalten ihrer Krankenkassen konfrontiert.

Das Gesundheitssystem in den USA ist für viele Amerikaner unbezahlbar

Die Gesundheitskosten in den USA gehören zu den höchsten der Welt. Der Anteil am Bruttoinlandsprodukt beträgt ca. 18 Prozent. Einer im Journal der American Medical Association (JAMA) veröffentlichten Studie vom März 2019 zufolge stiegen die Gesundheitsausgaben in den USA zwischen 1996 und 2015 um fast eine Billion Dollar an. Gemäß der Studie beliefen sich die Gesundheitsausgaben in den USA im Jahr 2017 auf 3,5 Billionen US-Dollar oder etwa 11.000 US-Dollar pro Person. Bis zum Jahr 2027 werden diese Kosten voraussichtlich auf 6 Billionen US-Dollar ansteigen – ungefähr 17.000 US-Dollar pro Person. Im Durchschnitt liegen diese Kosten in anderen Industrienationen, wie z. B. Australien, Deutschland, Frankreich, Japan, Kanada und Großbritannien nur bei etwa der Hälfte. Dennoch ist die Lebenserwartung in den USA niedriger und die Kindersterblichkeit höher. Ein Grund dafür ist die Ineffizienz des US-Gesundheitssystems sowie der relativ ungesunde Lebensstil vor allem ärmerer Bevölkerungsschichten.

Wer sich die hohen Versicherungsbeiträge nicht leisten kann, muss, abgesehen von medizinischen Notfällen, alle Gesundheitsleistungen selbst tragen. Etwa 28 Millionen Amerikaner sind daher trotz Obama-Care (Affordable Care Act von 2010) nach wie vor nicht versichert. Vor der US-Gesundheitsreform im Jahr 2010 waren noch mehr als 47 Millionen Bürger der USA ohne jeden Krankenversicherungsschutz. Doch selbst wer versichert ist, läuft Gefahr, wegen steigender Selbstbehalte und explodierender Versicherungsprämien in finanzielle Not zu geraten. Laut der National Conference of State Legislatures (NCSL) stieg die durchschnittliche jährliche Prämie für die Krankenversicherung im Jahr 2018 um 4,8 Prozent an.

In diesem Jahr sind die Krankenversicherungspreise in den USA nach Berechnungen der Deutschen Bank sogar um über 20 Prozent angestiegen. Die jährliche sogenannte CPI-U Health Insurance Inflation befinde sich demnach auf einem „Multi-Decade High“, so die Analysten der Deutschen Bank. Es ist daher wenig verwunderlich, dass die häufigste Ursache für private Insolvenzen in den USA unbezahlte Arztrechnungen nach Krankenhausaufenthalten ist. Die Versorgung in Krankenhäusern macht 32,7 Prozent der gesamten Kosten im Gesundheitssektor aus, danach folgt die ärztliche Betreuung in Praxen mit 15,6 Prozent.

Warum steigen die Kosten so stark an?

Neben zu viel Bürokratie macht die NCSL vor allem das reformbedürftige Krankenkassensystem in den USA und den Lebensstil der Amerikaner für die Kostenexplosion verantwortlich. Im Jahr 2017 war es der Trump-Administration nicht gelungen, das ineffiziente US-Gesundheitssystem gegen den Widerstand der Demokraten und dem aus den eigenen Reihen zu reformieren. Lediglich die Versicherungspflicht für alle Bürger wurde mit Wirkung zum 1. Januar 2019 abgeschafft, was den Verlust vieler vor allem junger und gesunder Beitragszahler zur Folge hatte. Abgesehen von dieser Änderung, die zu steigenden Kosten für die verbliebenen Versicherten führt, lässt die US-Regierung das Gesundheitssystem seitdem vorsätzlich gegen die Wand fahren.

Regierungsprogramme wie Medicare und Medicaid haben die Nachfrage nach medizinischen Dienstleistungen seit 2010 massiv erhöht, was ebenfalls zu einem Preisschub geführt hat. So dürfen z. B. Personen mit Vorerkrankungen durch die Krankenkassen nicht mehr abgelehnt werden und Eltern können ihre Kinder bis zu einem Alter von 26 Jahren mitversichern. Auch die Zunahme chronischer Erkrankungen, wie Diabetes und Herzerkrankungen, hat sich unmittelbar auf die Erhöhung der Kosten für die medizinische Versorgung ausgewirkt. Diese beiden Krankheiten sind mittlerweile für 85 Prozent der gesamten Gesundheitskosten verantwortlich. Fast die Hälfte aller Amerikaner leidet an einer chronischen Erkrankung. Vor allem die Ernährungsgewohnheiten und Bewegungsmangel lösen diese chronischen Leiden aus.

Ein bedeutender Faktor bei der Kostenexplosion für die Versicherten sind auch die permanent steigenden Eigenbeteiligungen (Selbstbehalte oder „out oft he pocket“). Gemäß dem Affordable Care Act betragen diese im Jahr 2019 7.900 US-Dollar für Einzelpersonen und 15.600 US-Dollar für Familien. Im kommenden Jahr steigen die Limits auf 8.150 bzw. 16.300 US-Dollar an. Neben all diesen Faktoren trägt auch die Verschwendung von Ressourcen zur Kostenexplosion bei. Gemäß Angaben von JAMA aus dem Oktober dieses Jahres soll der Anteil vermeidbarer Kosten eine Höhe von mittlerweile 30 Prozent erreicht haben. Laut JAMA tragen aber vor allem die steigenden Arzneimittel- und Dienstleistungspreise zum Kostenanstieg bei. Über die Hälfte der Mehrkosten seien drauf zurückzuführen. Allein die gestiegenen Ausgaben für Diabetesmedikamente waren seit 2017 für 44,4 Milliarden US-Dollar Mehrkosten verantwortlich.

Gefährliche Nebenwirkung der Preisexplosion

Die sinkende Leistbarkeit medizinischer Leistungen und Vorsorgemaßnahmen führt zu einem kostentreibenden Nebeneffekt: Immer mehr Menschen betreiben keine regelmäßige Vorsorge mehr und gehen nur noch in absoluten Notfällen zum Arzt.
Eine Umfrage des West Health Institute und des NORC an der Universität von Chicago ergab, dass 44 Prozent der Amerikaner sich aus Kostengründen weigerten, einen Arzt aufzusuchen. Etwa 40 Prozent der Befragten gaben an, aus demselben Grund eine Untersuchung oder eine Behandlung ausgelassen zu haben.

Das verschlechtert die allgemeine Gesundheitslage in den USA. Die Amerikaner tun dies aber nicht, weil sie Angst vor Ärzten haben, sondern weil sie schlicht Angst vor den Rechnungen haben, die mit der Gesundheitsfürsorge einhergehen.
Erschreckend ist, dass in vielen Fällen diejenigen, die die Behandlung ablehnen, krankenversichert sind aber die selbst zu tragenden Kosten nicht aufbringen können oder wollen.

Fazit

Gemäß des Institute of Medicine in Washington führen versäumte Reformen, Ineffizienz, überbordende Bürokratie, die Gier der Ärzte und der Pharmaindustrie (Thema Opioid-Krise) sowie der relativ ungesunde Lebensstil vieler ärmerer Amerikaner zu explodierenden Gesundheitskosten in den USA. Auch Anfang des kommenden Jahres werden die Krankenkassenbeiträge sowie die Selbstbehalte wieder signifikant ansteigen. Dies schmälert das für den Konsum verfügbare freie Einkommen der Amerikaner. Für eine Ökonomie, die zu über 70 Prozent ihren Mehrwert aus dem Konsum schöpft, ist das ein wachsender Belastungsfaktor.



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7 Kommentare

  1. Make America great again – Yes!

  2. Man könnte versuchen mehr medizinische Arbeit zu outsourcen und dafür die Markteintrittsbarrieren und die Verschreibungspflicht fallen lassen. Nicht zu vergessen die Patente, mit denen die Pharmaindustrie gemästet wird, und natürlich die irrsinnigen amerikanischen Klagemöglichkeiten / Verdienstmöglichkeiten für Anwälte, oder noch besser gleich ALLE Anwälte.

  3. Inflations-Leugner ?

    Vielen Dank für die Aufklärung in Sachen Gesundheitskosten. Nach den Studentenkrediten, Autokrediten,
    Privatkrediten u.neustens Kredite für trendige Zahnspangen eröffnet sich für die Banken ein neues Geschäftsfeld , KRANKENKOSTENKREDITE ,die natürlich auch wieder etwa ca.17% kosten.
    Alles kein Problem, GEMÄSS HOCHQUALIFAZIERTER FACHLEUTE SPIELT JA DIE VERSCHULDUNG IN EIGENER WÄHRUNG KEINE ROLLE. (MMT = Mirakulöse Monétari Theorie )

  4. Guten Morgen Hannes Zipfel
    Wie immer eine „unschöne“ aber notwendige Analyse ihrerseits.
    ich möchte ihre Recherche noch durch ein paar Zahlen ergänzen, welche aufzeigen, daß der Hegemon so langsam aber sicher von innen heraus „verfault“:

    THURSDAY, Feb. 14 (HealthDay News) — Here’s a new, and sobering, government statistic to ponder on Valentine’s Day: Experts estimate that the number of sexually transmitted infections among Americans now totals more than 110 million.
    https://www.medicinenet.com/script/main/art.asp?articlekey=167843

    The United States has a higher share of single-parent households than 129 other countries, a recent analysis from the Pew Research Center reveals.

    America’s top spot has been a long time coming, data from the U.S. Census Bureau show. In 1960, just 9 percent of U.S. children lived with one parent, and just 3 percent lived with either a non-parent relative or a non-relative. By 2019, the Census Bureau estimated that 26 percent of children lived with single parents (a figure that varies from Pew’s due to methodological differences), while just 4 percent lived with non-parent relatives or non-relatives.
    https://www.census.gov/data/tables/time-series/demo/families/children.html

    In diesem Sinne…besinnliche Weihnachten…

  5. Diese Zahlen sind verheerend. So im Detail hat man noch nie davon gehört. Der Anteil der Gesundheitskoszen von 18 % am GDP , ein Anstieg von 20% wäre dann 3,6% , d.h. ohne Gesundheitskostenwäre das Wirtschaftswachstum = Null. Die Verfechter des ewigen Wachstums sollten bedenken, dass gerade solche Qualität von Wachstum schlecht ist, man könnte es auch unproduktives Wachstum nennen.
    Und eines ist sicher, es wird stark steigen, denn die heutigen Lebensgewohnheiten werden sich wie die Nullzinsen mit brachialer Gewalt wie ein Tsunami in einigen Jahren über die Gesellschaft herfallen.
    Irgendwann wird der Punkt kommen ,wo die Gesunheitskosten krank machen!

    1. Ihren letzten Satz finde ich sehr interessant: das wäre der Moment, an dem das jeweilige System scheitern muss, da daraus kein Nutzen mehr zu ziehen ist. Gemäß dem „Theorem komplexer Systeme“ wäre das der Prozess einer „radikalen Simplifizierung“ (Zusammenbruch, Neuausrichtung).

      Sehr gut beobachtet – nomen est omen, wie es scheint.

  6. Im Gesundheitswesen auch bei uns, braucht man nur dem Gelde zu folgen und dann hat man die Verursacher dieser Kriese. Es werden so viele unnötige Medikamente verordnet, die hinterher größtenteils im Müll landen. Auch viele Operationen werden nur gemacht , um die Krankenhäuser aus zu lasten! Vom Betrug will ich gar nicht reden, denn das wird von Regierung, Krankenkassen und Ärzteschaft stillschweigend geduldet! Es spitzt sich natürlich jetzt zu, da immer mehr Menschen nicht mehr in der Lage sind, selbst den KK Beitrag aufzubringen, also muss der Staat es tun!

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