Allgemein

Weltbank-Schiedsgericht: Venezuela hatte keine Lust mehr

 

Von Claudio Kummerfeld

Venezuela hatte keine Lust mehr beim außerstaatlichen Weltbank-Schiedsgericht ICSID als „Verklagungsziel“ mitzumachen und beendete seine Mitgliedschaft im Jahr 2012. Trotzdem werden dort laufend neue Klagen gegen Venezuela eingereicht und auch entschieden. Wir erklären warum.

Weltbank Zentrale in Washington

 

 

 

 

 

 

 

Weltbank-Zentrale in Washington D.C.
Foto: Shiny Things – Flickr / Wikipedia (CC BY 2.0)

 

 

Jede Menge Klagen

Zusammen mit Argentinien war Venezuela bisher Spitze bei Klagen durch Unternehmen. Venezuela wurde bisher 39 Mal von Unternehmen verklagt, nur vor diesem außerstaatlichen Schiedsgericht (Privatgericht) namens „International Centre for Settlement of Investment Disputes“ (ICSID), welches bei der Weltbank in Washington D.C. angesiedelt ist. Unsere Meinung über ein Gericht, das außerhalb jeglicher staatlicher Kontrolle liegt und nationale Gerichte komplett ignoriert, hatten wir bereits in früheren Artikeln geäußert.

Mitgliedschaft gekündigt

Es wirkt fast wie die Mitgliedschaft in einem Buchclub oder einer Sekte. Man kündigt, soll aber trotzdem immer weiter zahlen und wird nicht in Ruhe gelassen. 2012 hatte Venezuela seine Mitgliedschaft beim Weltbank ICSID gekündigt. Das bedeutet man war nicht mehr bereit Klagen von internationalen Unternehmen gegen den Staat Venezuela vor einer Art Gericht zuzulassen, das durch keinerlei unabhängige staatliche Instanz gewählt wurde, und von privaten Anwälten „veranstaltet“ wird. Man wollte wieder alles so haben wie vorher. Ein Unternehmen ist z.B. mit der Verstaatlichung eines Industrieprojekts in Venezuela unzufrieden, was natürlich nachvollziehbar ist. Dann muss es vor einem Gericht in Venezuela gegen den Staat klagen. Die Erfolgsaussichten mögen vorsichtig gesagt gering sein, aber dann muss man als Unternehmen die Konsequenzen ziehen und darf dort keine Geschäfte mehr machen.

Warum half das nichts?

Trotz gekündigter „Clubmitgliedschaft“ werden laufend neue Klagen von Unternehmen gegen Venezuela eingereicht. Warum? Wieso ist das möglich? Weil die Artikel 70, 71 und 72 der Weltbank ICSID-Charta anscheinend so unklar formuliert sind (vor allem 72), dass sie das Tor für Interpretationen weit offen lassen. Wenn nämlich ein Staat nicht mehr Mitglied beim ICSID ist, kann er dort trotzdem noch verklagt werden, wenn er mit dem Land, in dem der Kläger ansässig ist, ein bilaterales Handelsabkommen hat. Dieses Abkommen könnte dann indirekt auch eine Klagemöglichkeit vor dem ICSID begründen. Oder auch so ausgelegt: Die ISCID-Charta gilt für Staaten auch nach deren Ausscheiden. Dies sind Interpretationsmöglichkeiten, auf die sich viele Unternehmen zu berufen scheinen. Ebenfalls kann es sein, dass sich Unternehmen auf Klauseln in Verträgen mit Staaten berufen, die bei einzelnen Projekten geschlossen werden, wo eine solche Klagemöglichkeit theoretisch eingeräumt wird, ohne sich aber explizit auf das ICSID zu berufen.

Hier die Original-Artikel der Weltbank ICSID-Charta:

Article 70
This Convention shall apply to all territories for whose international relations a Contracting State is responsible, except those which are excluded by such State by written notice to the depositary of this Convention either at the time of ratification, acceptance or approval or subsequently.
Article 71
Any Contracting State may denounce this Convention by written notice to the depositary of this Convention. The denunciation shall take effect six months after receipt of such notice.
Article 72
Notice by a Contracting State pursuant to Articles 70 or 71 shall not affect the rights or obligations under this Convention of that State or of any of its constituent subdivisions or agencies or of any national of that State arising out of consent to the jurisdiction of the Centre given by one of them before such notice was received by the depositary.

Hier geht´s zur gesamten ISCID-Charta

Beispiel Exxon

Im Oktober 2014 wurde Venezuela von einem „Schiedsgericht“ beim Weltbank ICSID verurteilt 1,6 Milliarden US-Dollar an den Ölkonzern Exxon zu zahlen wegen der Verstaatlichung eines Exxon-Projekts im Jahr 2007. Venezuela hat vor Kurzem beim ICSID die Annullierung dieses Urteils beantragt mit der Begründung der ICSID sei gar nicht zuständig. Genau hier kommt die Tatsache zum Tragen, dass Venezuela seit drei Jahren dort gar nicht mehr Mitglied ist. Diese Begründung ist ja auch mehr als nachvollziehbar. Was kann Exxon machen? 1) In Venezuela vor einem Gericht klagen. 2) Wenn das nicht klappt, haben die USA ja immer noch eine zweite Option…

Hier der Überblick zur Exxon-Klage

Hier der Originaltext des Schiedsspruchs

Die Zukunft

Da es noch keinen einheitlichen und global anerkannten UN-Weltgerichtshof gibt, wird Venezuela Urteile, die beim ICSID weiterhin eintrudeln, ablehnen können, mit der Begründung, dass man dort nicht mehr Mitglied ist – und das ist ja auch ein Fakt. Dass die Schadenersatzansprüche von Unternehmen, die enteignet wurden, durchaus berechtigt sind, ist ein ganz anderes Thema. Nur müssen diese Unternehmen dann eben wieder in Venezuela vor einem Gericht klagen und zukünftig Geschäftskontakte mit dem Land einstellen, wenn ihnen das nicht passt. Denn das Venezuela für Investitionen ein heikles Pflaster ist, war vor 10 Jahren auch schon bekannt.




Quelle: Weltbank ICSID



Kommentare lesen und schreiben, hier klicken

Lesen Sie auch

Hinterlassen Sie eine Antwort

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert




ACHTUNG: Wenn Sie den Kommentar abschicken stimmen Sie der Speicherung Ihrer Daten zur Verwendung der Kommentarfunktion zu.
Weitere Information finden Sie in unserer Zur Datenschutzerklärung

Meist gelesen 7 Tage