Anleihen

Wer zahlt´s? Die entscheidende Haftungsfrage bei der EZB-Entscheidung

Gerhard Polt dichtete einst:

„Die Tatsache, dass wir Deutschen den Zweiten Weltkrieg gewonnen haben, verdanken wir meiner Meinung nach eindeutig dem Amerikaner. Aber der Amerikaner sagt: ‚I don’t pay!‘ Seitdem zahlen wir. Wir zahlen alles. Die Albaner zahlen wir, damit sie unten bleiben. Wenn sie nach oben kommen, zahlen wir, dass sie wieder nach unten gehen. Brennt in Thailand ein Puff, wir zahlen’s.“

Polt beschrieb satirisch die stark ausgepräge Zahlungsmoral der Deutschen in internationalen Fragen, die es Deutschland vor der Wiedervereinigung erlaubte, sich aus schwierigen politischen Konflikten heraus zu halten. Das hat sich mit der Wiedervereinigung, vor allem aber mit dem EU-Beitritt grundsätzlich geändert. Die EU ist faktisch, vermittelt durch die EZB, zu einer Haftungsgemeinschaft geworden: wenn in Griechenland eine Anleihe ausfällt, wer zahlt´s? Wir!

Das war eigentlich so nicht vorgesehen, ist aber seit dem „Draghi-Schur“ im Juli 2012 Realität geworden. Wenn die EZB alles tut, um den Euro zu retten, garantiert sie faktisch die Anleihen aller Länder innerhalb der Eurozone. Und ausgerechnet jetzt, wo die Finanzmärkte besoffen sind vor Begeisterung über die zu erwartenden Anleihekäufe, steht die Haftungsfrage im Mittelpunkt. Und: Draghis Schwur steht auf der Kippe.

Fast wichtiger als die Frage, welches Volumen die Anleihekäufe der EZB haben werden, ist die Frage nach der Haftung. Bestes Szenario für die Finanzmärkte wäre zweifellos, wenn die Haftung zu 100% bei der EZB – und damit komplett die europäische Notenbank tragenden Ländern läge. Aber das ist nach den jüngsten Meldungen unwahrscheinlich. Vieles deutet darauf hin, dass zumindest die Hälfte der Haftung für zu kaufende Anleihen bei den einzelnen Notenbanken verbleiben wird – was für Anleihehalter etwa von Staatsanleihen der Euro-Peripherie das Risiko erhöhen würde. Und: es wäre faktisch das Ende der Haftungsgemeinschaft und damit des Draghi-Schwurs.

Das, was gestern Kanzlerin Merkel gesagt hat, lässt Böses ahnen. Sie ist gegen Anleihekäufe, meint, dass dies nur dazu führt, dass die Länder keine Reformen durchführen und ihre Haushalte konsolidieren. Deutschland scheint also nicht bereit, die Risiken zu 100% mitzuübernehmen. Und wenn Deutschland dazu nicht bereit ist, muss man morgen mit guter Wahrscheinlichkeit mit einer bösen Überraschung für die Märkte rechnen. Selbst wenn das Volumen der Anleihekäufe für die Märkte positiv ausfallen sollte, wird eine negative Lesart der Haftungsfrage sogar das Potential haben, die Märkte in Panik zu versetzen.

Wir gehen daher davon aus, dass die Hausse (fallende Risikoprämien) bei Staatsanleihen Italiens, Spaniens, Portugals etc. kurz vor ihrem Ende steht. Es war aber genau diese Hausse, die ein starker Beruhigungsfaktor für die Finanzmärkte war. Die Schere zwischen Risikoprämien für deutsche Anleihen und für Anleihen der Euro-Peripherie, die immer geringer geworden ist, wird dann wieder weit auseinander gehen. Vielleicht sogar so weit, dass es das Konstrukt der Eurozone nicht überleben wird..



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