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China setzt auf gezielte Gegenschläge 100 Tage Trump 2.0: China bleibt ruhig

„Strategische Gelassenheit“

China 100 Tage Trump Handelskrieg
Foto: penacreatipss - Freepik.com

Hundert Tage nach Donald Trumps Amtsantritt tobt der Handelskrieg zwischen den USA und China mit Zöllen von bis zu 145%. Doch statt Panik herrscht in Peking eine bemerkenswerte Ruhe. Führende chinesische Experten, von Ökonomen bis Politikwissenschaftler, plädieren für „strategische Gelassenheit“, präzise Vergeltung und ein selbstbewusstes Auftreten als Verfechter des freien Handels. Gleichzeitig beobachten sie Trumps chaotische Politik mit einer Mischung aus Skepsis und Opportunismus: Ist der US-Präsident ein unberechenbarer Gegner oder eine Chance für China, die globale Bühne zu erobern? Ein Blick auf die Analysen zeigt, wie China seine Position stärken will – und warum Russland und der globale Süden dabei eine Schlüsselrolle spielen.

China: Antwort auf Trump – Geduld statt Provokation

„Strategische Gelassenheit“ – so fasst Wang Jiangyu, Professor für Rechtswissenschaften an der City University of Hong Kong, die Stimmung in Chinas Eliten zusammen. Statt auf Trumps Provokationen impulsiv zu reagieren, soll China langfristig denken. „Wir müssen unsere eigenen Dinge gut machen“, betont Jin Canrong, ein einflussreicher Politikwissenschaftler an der Renmin-Universität und bekannt für seine nationalistischen Kommentare. Für ihn bedeutet das, die Wirtschaft zu stabilisieren und US-Druck auszuhalten, ohne in eine Eskalationsspirale zu geraten.

Diese Zurückhaltung ist kein Zeichen von Schwäche. Wang Jiangyu warnt: Zugeständnisse würden in Washington keinen Wohlwollen ernten. Dennoch bleibt die Mehrheit der Experten vorsichtig. Chinas jüngste Gegenzölle von 125% auf US-Importe zeigen zwar Muskeln, doch die meisten Analysten bevorzugen gezielte Maßnahmen, um den Handelskrieg nicht außer Kontrolle geraten zu lassen.

China will Stabilität durch gezielte Wirtschaftsimpulse

Wie genau soll China „seine Dinge gut machen“? Die Experten sind sich uneinig, doch alle sehen fiskalischen und monetären Spielraum. Yu Yongding, ein prominenter Ökonom und ehemaliges Mitglied des geldpolitischen Ausschusses der Chinesischen Zentralbank (PBoC), setzt auf Infrastrukturinvestitionen als „systemischen Vorteil“. Er schlägt Großprojekte in grüner Energie, Altenpflege und Stadtsanierung vor, um langfristiges Wachstum zu sichern.

Li Cheng, Direktor des John L. Thornton China Center an der Brookings Institution, plädiert hingegen für „weiche“ Infrastruktur: Sozialversicherung, Gesundheit, Bildung und öffentlicher Wohnungsbau. Zhao Yanjing, Professor für Stadtplanung an der Xiamen-Universität, fordert eine Belebung der Kapitalmärkte, etwa durch staatliche Börseninvestitionen, um den Konsum anzukurbeln.

Zhang Ming, ein Ökonom an der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften, schlägt eine Mischung aus Staatsanleihen, Marktliberalisierung und Einkommensreformen vor.
Die Immobilienkrise und lokale Schulden bleiben Hürden. Yao Yang, Dekan der National School of Development an der Peking-Universität, empfiehlt, 4–5 Billionen Yuan in Kommunalanleihen zu pumpen und ein „national Team“ (ähnlich dem, das im Börsenhandel auftritt), um 600.000–700.000 unverkaufte Wohnungen aufkaufen zu lassen. Die Vielfalt der Ansätze zeigt: China sucht einen robusten Weg, um Trump und seinen Zöllen zu trotzen.

China setzt auf gezielte Gegenschläge

Trotz der Forderung nach Gelassenheit gibt es offensive Vorschläge. Jin Canrong schlägt vor, US-Landwirtschaftsexporte weiter zu besteuern, da diese bereits früher Ziel chinesischer Zölle waren. Eine Einstellung der Fentanyl-Zusammenarbeit, die Peking kürzlich als Verhandlungsmasse angeboten haben soll, ist eine weitere Option. Jin nennt die Einschränkung von US-Dienstleistungen, etwa in Finanzen und Beratung, einen „Todesstoß“, da die USA hier einen Handelsüberschuss haben.

Wang Jiangyu, Professor für Rechtswissenschaften an der City University of Hong Kong, schlägt Untersuchungen gegen US-Firmen wegen Kartellrechtsverstößen und Verletzungen geistiger Eigentumsrechte in China vor, wie sie bereits gegen große Technologieunternehmen liefen. Solche gezielten Maßnahmen sollen Druck auf die USA ausüben, ohne den Handelskrieg eskalieren zu lassen. Doch Chinas jüngste flächendeckenden Gegenzölle von 125% auf US-Importe stehen im Widerspruch zu diesem Ansatz und offenbaren eine Ambivalenz in der Strategie, die in den Analysen unterschwellig spürbar ist.

China präsentiert sich als Alternative

Einige Experten sehen im Handelskrieg eine Chance, China als Verfechter des Multilateralismus zu positionieren. Wu Si, ein renommierter Historiker und Chefredakteur der Zeitschrift Yanhuang Chunqiu, fordert, eigene Zölle zu senken, um „moralische Autorität“ zu gewinnen. Er greift auf das klassische Konzept „den König ehren, die Barbaren vertreiben“ zurück, um China als Anführer des globalen Südens zu etablieren.

Zhao Yanjing betont hingegen externe Investitionen: China solle Kapital exportieren und sich im Ausland „neu erfinden“, wie einst Großbritannien oder Japan. Der globale Süden ist ein wachsender Exportmarkt, doch Zhang Ming warnt vor zunehmendem Protektionismus in diesen Ländern. Nachhaltige Handelsbeziehungen seien entscheidend, um Rückschläge zu vermeiden.

Trump-USA: Niedergang oder Gefahr?

Die Einschätzung der USA unter Trump ist zwiespältig. Die Mehrheit der Experten sieht einen strukturellen Niedergang, geprägt von Polarisierung und institutioneller Lähmung. Liu Dian, Forscher am nationalistischen China Institute der Fudan-Universität, spottet über Trumps Regierungsstil als „stumpfes Messer, das viel hackt, aber wenig Blut zieht“.

Zheng Yongnian, Professor an der Chinese University of Hong Kong und Direktor des Institute for International Affairs, sieht Trump als Fortsetzung US-amerikanischer Machtpolitik, nur unverhüllter.

Doch einige, wie Yu Yongding, warnen davor, die Dynamik der US-Wirtschaft zu unterschätzen. Trump selbst wird ambivalent beurteilt: Manche, wie Zhang Ming, halten ihn für einen Verhandler, der nicht zwangsläufig anti-chinesisch ist. Li Cheng widerspricht: Trump sei ein Produkt der harten US-Politik und strukturell feindselig. Die meisten sehen die US-China-Beziehungen als dauerhaft angespannt, unabhängig von Trumps Launen.

Russland: der Unsicherheitsfaktor

Russland taucht häufig in den Analysen auf, besonders im Kontext von Trumps Annäherung an Moskau. Feng Yujun, Professor und stellvertretender Dekan am Institut für Internationale Studien sowie Direktor am Center for Russian and Central Asian Studies der Fudan-Universität, liefert eine scharfe Kritik: Russland sei von „angeborener Unsicherheit“ und „grenzenlosen territorialen Ambitionen“ geprägt. Er sieht Russlands hybride Kriegsführung als Faktor, der die USA polarisiert und Trump als „strategische Investition“ Moskaus installiert habe.

Viele Experten fürchten, dass ein US-russisches Tauwetter Chinas strategische Lage erschweren könnte. Doch die Mehrheit, darunter Zheng Yongnian, bezweifelt eine „umgekehrte Nixon-Strategie“, da das Misstrauen zwischen Russland und dem Westen zu tief ist. Russland bleibt ein unberechenbarer Faktor, der Chinas Kalkül beeinflusst.
Hundert Tage nach Trumps Amtsantritt zeigt China eine Mischung aus Selbstbewusstsein und Vorsicht. Chinas Strategie – Gelassenheit, gezielte Vergeltung und ein Bekenntnis zum freien Handel – zielt darauf, die eigene Position zu stärken, während Trump die Weltbühne durcheinanderwirbelt. Dabei versucht sich China als Führer des globalen Südens zu positionieren.



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1 Kommentar

  1. Walter Brodowsky

    S.g. Doi Ennoson, ich lese jeden Ihrer Beiträge mit großem Interesse, weil sie für einen Europäer die beinahe einzige Möglichkeit sind, das ökonomische und politische Verhalten Chinas einigermaßen realistisch einzuschätzen. Ich schätze dabei Ihre Detailangaben besonders, weil sie häufig Einblicke in die Mentalität der Machthaber im Reich der Mitte ermöglichen, die man anderweitig nur sehr selten erfahren kann. Herzlichen Dank dafür.

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