FMW-Redaktion
19 Ökonomen (hauptsächlich Uni-Professoren) fordern in einem offenen Brief von den EU-Staaten die Vorschläge der Vereinten Nationen für 9 Grundprinzipien bei der Restrukturierung von nicht mehr tragbaren Staatschulden anzunehmen.
Griechenlands Ex-Finanzminister Yanis Varoufakis. Foto: Robert Crc/Wikipedia (FAL)
Weg mit den nervigen Staatsschulden
Die Uno hatte letztes Jahr auf Drängen Argentiniens eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, die eine globale Richtlinie ausarbeiten soll, wie bei der Überschuldung von Staaten zu verfahren ist. Es geht also um eine Art Insolvenzordnung. Gerade der ehemalige griechische Finanzminister Yanis Varoufakis träumt genau davon schon lange. Aus seinem eigenen aktuellen Blogeintrag ist herauszulesen, dass er so eine Richtlinie gerne schon früher gehabt hätte um Griechenlands Schulden loszuwerden. Wie die Ökonomen schreiben, soll diesen Staaten ihre Souveränität zurückgegeben werden. Laut dem aktuellen UNO-Vorschlag soll morgen nur über die Annahme dieser Liste von Grundprinzipien abgestimmt werden, die zukünftig bei der Restrukturierung von Anleihen überschuldeter Staaten beachtet werden sollen, Zitat:
„Sovereignty, good faith, transparency, impartiality, equitable treatment, sovereign immunity, legitimacy, sustainability restructuring.“
Die folgenden Ökonomen fordern die Mitgliedsstaaten der EU auf diesen Prinzipien zuzustimmen.
Piketty Thomas Paris School of Economics
Varoufakis Yanis Former Greek Minister of Finance
Galbraith James University of Texas Austin
Flassbeck Heiner Former Chief Economist of UNCTAD
Guzman Martin Columbia University
Généreux Jacques Sciences Po
Keen Steve Kingston University
Colletis Gabriel Toulouse 1 University
Husson Michel IRES
Lemoine Benjamin Paris-Dauphine University
Mazzucato Mariana University of Sussex
Salais Robert IDHE, Marc Bloch
Théret Bruno Paris-Dauphine University
Timbeau Xavier Principal Director at the OFCE
Zezza Gennaro Levy Economics Institute
Dosi Giovanni Scuola Superiore Sant’Anna
Stockhammer Engelbert Kingston University
Onaran Ozlem University of Greenwich
Vatin François Paris Ouest Naterre University
Worum es den Damen und Herren Ökonomen wirklich geht, ist klar. Nicht Transparenz oder Fairness, sondern „weg mit den nervigen Staatsschulden“. Da ist er wieder der Klassenkampf gegen das böse Kapital, das die Staaten wohl jahrzehntelang gezwungen hatte Schulden bei Anlegern aufzunehmen. So schreibt z.B. Varoufakis hierzu:
„Yesterday Argentina, today Greece, and tomorrow perhaps France as well: any indebted country can be blocked from restructuring its debt in spite of all common sense. Establishing a legal framework for debt restructuring, allowing each state to solve its debt problems without risking financial collapse or the loss of its sovereignty, is a matter of great urgency in promoting financial stability. These nine principles reaffirm the preeminence of political power in handling economic policy. They limit the depoliticisation of the financial system, which until now has not left any alternative to austerity and instead has held states hostages to creditor demands. The UN vote today provides a stark choice between the democratic handling of sovereign debt matters and the continuing rule by debt markets.“
Dass ein Staat eine hohe Schuldenlast hat und verpflichtet ist sie auch zurückzuzahlen, scheinen viele Ökonomen (wie man sieht) als „Verlust der staatlichen Souveränität“ anzusehen. Dabei haben diese Staaten die Schulden ja aus freien Stücken aufgenommen und sind damit automatisch eine Rückzahlungsverpflichtung eingegangen.
Da gibt´s einen Haken an der Sache
Auch wenn der UNO-Vorschlag angenommen wird. Er hätte erst einmal keine richtigen Konsequenzen, da es „warme Worte“ sind. Und sie würden im Widerspruch zu staatlichen Gesetzgebungen stehen. Und noch wichtiger: Wenn es eines Tages eine feste global gültige Regularie gäbe, nach der man sich als Staat wie bei einer Privatinsolvenz planmäßig entschulden kann, könnten reihenweise Staaten ankommen und ihre eigenen Staatsschulden für nicht mehr tragbar erklären. Die Folge: Einerseits wären die Staaten natürlich einen Teil oder Großteil ihrer Schulden los – welch ein toller Vorteil für die Steuerzahler, die entlastet werden. Aber bei so was gibt es immer einen Haken an der Sache. Denn nicht böse Finanzspekulanten sind die Eigentümer der großen Masse der Staatsanleihen.
Welches Geld floss denn all die letzten Jahrzehnte in den Anleihemarkt? Die Ersparnisse von Kleinsparern (natürlich auch Deutsche), die ihr Geld vertrauensvoll in Lebensversicherungen eingezahlt haben – die haben großteils die Kundengelder in Staatsanleihen angelegt – nur mal so als Beispiel. Was würde wohl der fleißige und brave deutsche, französische oder kanadische Kleinsparer dazu sagen, dass zwar viele Länder ihre Schulden los sind, sie selbst im gleichen Zug aber ihre jahrzehntelang angesparte Altersvorsoge verloren haben? Denn die löst sich mit so einem Schuldenerlass automatisch in Luft auf.
Würde man Staaten erlauben umfangreich und planmäßig seine Schulden loszuwerden, würde es vor allem die Menschen treffen, die mühsam jeden Cent auf die Seite gelegt haben, weil sie fürs Alter Reserven schaffen wollten. Mal ganz abgesehen davon: Die Staaten haben diese Schulden gemacht im festen Versprechen, sie auch zurückzuzahlen. Mit einer flächendeckenden Entledigung dieser Last machen sie sich selbst völlig unglaubwürdig als „Staat“. Das ist die Kehrseite der Medaille.
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Tja, die Schulden der einen sind spiegelbildlich die Guthaben der anderen, und zwar bei sehr ungleicher Verteilung. Lange wird das so nicht mehr weitergehen. Dann muss entweder ausgebucht, beides kontrolliert zurückgeführt oder vergemeinschaftet werden. Einen anderen Weg gibt es leider nicht!