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Deutsche Börse: Eine Fusion, die eher einer Selbstabschaffung gleichkommt

FMW-Redaktion

Deutsche Börse und London Stock Exchange (LSE) wollen bekanntermaßen fusionieren. Es handelt sich dabei aber eher um eine Art freiwillige Selbstabschaffung der noch eigenständig tätigen Deutschen Börse in Frankfurt. Zwar sollen bei dieser Fusion die Aktionäre der Deutschen Börse ein Übergewicht von 54,4% erhalten, aber gemäß der letzten veröffentlichten Daten hat die Deutsche Börse ohnehin nur noch 15% deutsche Aktionäre, 20% stammen aus Großbritannien, 37% aus den USA und die Sonstigen stammen aus dem restlichen Ausland.

Der bisherige Deutsche Börse-Chef Carsten Kengeter wird Vorstandschef des neuen Gesamtunternehmens, der bisherige LSE-Chef Donald Brydon wird Aufsichtsratschef. Die interne Geschäftssprache bei der Deutschen Börse ist schon längst Englisch – und Kengeter selbst hat wohl sowieso eher Lust ganz in London zu leben, da seine Familie hier schon wohnt. Denn vor seinem Job bei der Deutschen Börse lehrte er an der London School of Economics. Einen guten Teil seiner Zeit verbringt er auch jetzt schon in London. Hinzu kommt auch, dass er jetzt schon mehrere Führungskräfte aus Großbritannien um sich versammelt hat. Man könnte fast meinen es ginge hier um einen bequeme Art näher an seinem Wohnort zu arbeiten – aber nein, das wäre natürlich zu oberflächlich betrachtet!?

Rein rechtlich soll die neue Firma ihren Hauptsitz in London haben und eine AG nach britischen Recht werden (plc), so eine Mitteilung vom Freitag. Neue Zentrale in London, Führungskräfte nach der Fusion in den Zentrale sicherlich auch deutlich mehrheitlich britisch, Aktionäre nach der Fusion fast gar keine mehr aus Deutschland – und bei der nächsten Personalveränderung im Vorstand, würde da wieder ein Deutscher an die Spitze kommen? Warum, wieso? Dann wäre die Abtrennung des neuen Konzerns von Deutschland endgültig abgeschlossen.

Für die Optik und vor allem zur Beruhigung der „deutschen Volksseele“ soll es natürlich zwei Firmensitze geben, London und Frankfurt, mit der Zentrale in London. Aber wird wirklich noch etwas Nennenswertes in Frankfurt zurückbleiben? Wohl kaum. Man erinnere sich hierzu bitte an die „Fusion“ zwischen der New Yorker Börse und der französisch dominierten Euronext. Die Franzosen hatten Panik von der Deutschen Börse geschluckt zu werden und gingen lieber in einer „Fusion unter Gleichen“ mit den Amerikanern auf. Und dann? Der Sog an Menschen, Präsenz und Geschäftstätigkeit geht immer in Richtung des größten und wichtigsten Standorts. Und bei NYSE/Euronext war dies natürlich New York. Die Euronext war nach der Fusion nur noch eine europäische Außenstelle, die Anweisungen der Zentrale ausführte – darf man es so deutlich formulieren?

Trennt man sich von patriotischen Gedanken, nationaler Engstirnigkeit und sagt sich es ist doch eh egal, ob die Börse hier oder da sitzt, dann kann man diesen Deal ohne Probleme zur Kenntnis nehmen. Als Aufsichtsbehörde der Deutschen Börse hat das entscheidende Wort bei dieser Fusion der grüne hessische Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir. Er könnte die Fusion einfach abblocken. Als Politiker muss er im Sinne des Wirtschaftsstandorts Hessen handeln. Was wird er tun? Wird es ihm egal sein? Frankfurt nur noch Außenfiliale einer neuen Superbörse, egal? Es ist letztlich eine Ansichtssache, denn Zugang zum Börsenhandeln wird man über Frankfurt natürlich nach wie vor haben. Aber seien wir mal ehrlich: Der Finanzstandort Frankfurt ist eindeutig der Verlierer. Ganz am Ende könnte aber noch die EU-Kommission aus Wettbewerbsgründen den schwarzen Peter spielen.



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