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Sachverständigenrat der Bundesregierung: Lob und Tadel für die EZB

Der Sachverständigenrat der Bundesregierung hat heute sein Jahresgutachten 2016/2017 an die Bundesregierung übergeben. Darin geht es neben der Bewertung der...

FMW-Redaktion

Der Sachverständigenrat der Bundesregierung hat heute sein Jahresgutachten 2016/2017 an die Bundesregierung übergeben. Darin geht es neben der Bewertung der guten wirtschaftlichen Lage in Deutschland auch explizit um die derzeitge EZB-Politik. Sie bekommt vom Sachverständigenrat ein großes Lob und einen großen Tadel. Auf der einen Seite habe die EZB-Geldpolitik (Negativzinsen + Geldschwemme) „wesentlich“ dafür gesorgt, dass sich die Wirtschaft in Europa erholen konnte, so der Rat. Auf der anderen Seite verdecke diese Geldpolitik das Problem, dass die Eurozonen-Mitgliedsstaaten sich durch die Tätigkeit der EZB ausruhen konnten. Die Eurozonen-Mitglieder wie auch Deutschland hätten die durch die EZB geschaffene Zeit nicht für Strukturreformen genutzt.

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Der Sachverständigenrat der Bundesregierung. Foto: Sachverständigenrat

Das ist genau die Befürchtung, die Mario Draghi mehrmals geäußert hatte. Denn er wies in den letzten Jahren mehrfach darauf hin, dass er mit seinen Maßnahmen der Politik lediglich Zeit verschaffen könne für ihre Reformbemühungen. Und diese Reformen wurden leider kaum angegangen. Die große Umstrukturierung in der europäischen Wirtschaft, die Bürokratie-Entrümpelung gerade in den Mittelmeer-Ländern fand nicht statt. Oft ist das marktwirtschaftliche Bewusstsein gar nicht vorhanden, dass man einem Unternehmer schnellstmöglich eine Baugenehmigung für eine neue Fabrikhalle erteilen sollte, damit er schnell investieren und neue Arbeitsplätze kann.

Das sieht man jüngst auch wieder in Griechenland, wo die griechischen Gewerkschaften den neuen deutschen Pächter von 14 Flughäfen mit allen Mitteln blockieren wollen, obwohl er enorme Zusatzinvestitionen angekündigt hat, die wohl kaum zu Arbeitsplatzverlusten führen dürften. Aber zurück zum Gutachten von heute. Der Sachverständigenrat mahnt dazu, dass die EZB ihre Anleihekäufe früher beenden solle, denn es könne zur einer Gefährdung der Finanzmarktstabilität kommen. Fast schon lustig diese Aussage. Denn eine Gefährdung bzw. Verzerrung ist doch schon längst vorhanden, wenn inzwischen sogar Konzerne sich am Anleihemarkt für 0% verschulden können. Sie haben damit einen krassen Vorteil gegenüber Mittelständlern und Kleinstbetrieben.

Der Zins als Risikoprämie existiert nicht mehr, obwohl das Risiko noch da ist. Trotzdem redet der Rat davon, dass die Finanzmarktstabilität nur gefährdert sei! Aber gut, Ökonomen reden in der Regel immer in allgemeinen und unverbindlichen Sätzen, das ist wohl so eine Angewohnheit. Hier das Originalzitat des Rats von heute:

Im Euro-Raum hat die außergewöhnlich expansive Geldpolitik der EZB wesentlich zum Aufschwung beigetragen. Da nach wie vor erhebliche strukturelle Probleme bestehen, ist der Aufschwung nicht selbsttragend. Der Reformeifer ist erlahmt, und einige Mitgliedstaaten lassen die notwendige Haushaltsdisziplin vermissen. Die Geldpolitik der EZB verdeckt diese Probleme und gefährdet zunehmend die Finanzmarktstabilität. Das Ausmaß der Lockerung ist angesichts der wirtschaftlichen Erholung nicht mehr angemessen. Die EZB sollte daher die Anleihekäufe verlangsamen und früher beenden.

„Die Mitgliedstaaten des Euro-Raums sollten jetzt den Rückenwind des Aufschwungs für Strukturreformen nutzen. Auch die Bundesregierung hat die gute ökonomische Entwicklung der vergangenen Jahre nicht ausreichend für marktorientierte Reformen genutzt“, sagt der Vorsitzende des Sachverständigenrates, Christoph M. Schmidt.

Was schlägt der Sachverständigenrat konkret vor, was in Europa und in Deutschland zu tun ist? Zitat:

Reformen für Europa:

– Das Subsidiaritätsprinzip muss gestärkt werden. In der Klimapolitik, der Asylpolitik und der inneren Sicherheit ist eine stärkere Integration wünschenswert. Die Fiskal-, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik sollten in nationaler Verantwortung bleiben.
– Für EU-Migranten ist eine verzögerte Integration in die Sozialsysteme angemessen. Die vier Grundfreiheiten sollten aber nicht in Frage gestellt werden.
– Die EU sollte die Freihandelsabkommen mit Kanada und mit den Vereinigten Staaten zum Abschluss bringen.
– Die ungewichtete Eigenkapitalquote für Banken (Leverage Ratio) sollte auf mindestens 5 % erhöht werden. Für systemrelevante Banken sind höhere Quoten anzustreben.
– Regeln zur Restrukturierung von Staatsschulden im Krisenfall sind erforderlich.

Reformen für Deutschland:

– Haushaltsspielräume sollten nicht für höhere Ausgaben, sondern zum Abbau der Schuldenquote und für effizienzsteigernde Steuerreformen genutzt werden.
– Bei der Gesetzlichen Rentenversicherung ist das gesetzliche Renteneintrittsalter an die fernere Lebenserwartung zu koppeln. Zusätzlich sollten die betriebliche und private Altersvorsorge gestärkt werden.
– Die verfestigte Arbeitslosigkeit, die geringe Lohnmobilität und die Integration der Flüchtlinge erfordern einen flexiblen Arbeitsmarkt, nicht mehr Regulierung.
– Eine zielgerichtete Bildungspolitik kann die Chancengerechtigkeit und damit die Einkommens- und Vermögensmobilität erhöhen.

Das BIP-Wachstum sieht der Rat nächstes Jahr von 1,9 in 2016 auf 1,3% sinken, was aber einem Kalendereffekt geschuldet sein soll. Insgesamt sieht man die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland positiv. Der Aufschwung setze sich fort.

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Das gesamte Gutachten hat 536 Seiten und ist hier zu finden.




Quelle: Sachverständigenrat



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2 Kommentare

  1. Ich bin auch sachverständig, nur wollte man mich partout nicht in den Sachverständigenrat berufen.

    Ich hatte doch vor zwei Wochen der EZB (BBk) meine Empfehlung an die Hand gegeben. Auf Anregung der Redaktion hatte ich das Schreiben bei FMW eingestellt.

    Aus dem Hause der EZB bekam ich sogar (nicht so bei der BBk) die Antwort, dass man meine Ideen zur Kenntnis genommen hätte. Mich aber gleichzeitig um Verständnis gebeten, dass die EZB grundsätzlich keine Stellung zu Szenarien hypothetischer Natur bezieht.

    Das Verständnis habe ich natürlich. Anders ginge es ja auch gar nicht. Selbst oder gerade für den Fall, dass meinen Vorschlägen
    ein gewisser Gebrauchswert zugesprochen würde, dürfte man das ja nicht zu erkennen geben. Sonst hätte ich in der Tat so was wie Insider-Wissen.

  2. Die 536 Starke Daseinsberechtigungserklärung !

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