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Absicht? Verschwörung? Die EZB-Liste, die Mittelständler benachteiligt, und Konzernen massiv bei der Marktkonzentration hilft

Seit genau einem Jahr kauft die EZB Unternehmensanleihen (CSPP), die in der Eurozone begeben wurden. Damit soll neben dem Markt für Staatsanleihen auch dieser Markt verzerrt werden, damit die...

FMW-Redaktion

Seit genau einem Jahr kauft die EZB Unternehmensanleihen (CSPP), die in der Eurozone begeben wurden. Damit soll neben dem Markt für Staatsanleihen auch dieser Markt verzerrt werden, damit die Banken, die hier normalerweise kaufen, ihr Geld in Kredite an kleine und mittelständige Unternehmen stecken sollen. Das geschieht nur in relativ geringem Umfang, und in vielen Ländern der Eurozone wohl fast gar nicht. Auch sollen die Konzerne mit dem EZB-Geld mehr investieren, Arbeitsplätze schaffen, und so indirekt die Preise anheizen.

Eines aber kann man mit Sicherheit sagen. Die Käufe der EZB, die auch direkt in der Erstemission stattfinden, kommen den Unternehmen direkt zu Gute mit deutlich niedrigeren Zinskosten als üblich. Außerdem wissen sie, dass man gerade jetzt enorm große Summen aufnehmen kann, dank dem Kaufhunger der EZB. Dass nur große Konzerne in den Genuss der EZB-Schwemme kommen, liegt an der Notwendigkeit einer Anleihebewertung durch eine Ratingagentur, was sich für kleine Unternehmen mit kleinen Anleihevolumen gar nicht lohnen würde. Denn Ratingagenturen lassen sich für ihre glorreichen Bewertungen fürstlich entlohnen.

Mittelständler klagen zu Recht darüber, dass sie gegenüber Konzernen massiv benachteiligt werden, weil sie keinen Zugang zur schönen EZB-Geldflut haben. Die Käufe der Unternehmensanleihen der EZB (CSPP) finden über einzelne Notenbanken der Eurozone statt, also die Bundesbank, die französische Notenbank usw. Aber nicht alle Notenbanken haben die Details der Käufe veröffentlicht. Erst auf Druck von EU-Parlamentariern hat die EZB nun eine gesamte Liste aller gekauften Wertpapiere veröffentlicht.

Hier ist die Liste einsehbar.

Nestle

Darunter findet sich zum Beispiel der interessante Fall des weltweit größten Nahrungsmittelkonzerns Nestle. Der Firmensitz ist in der Schweiz, also außerhalb der Eurozone, und auch der EU. Wieso kauft die EZB dennoch Anleihen von Nestle? Nun, die Wertpapierkennummern der Nestle-Anleihen verraten mit den Anfangsbuchstaben „BE“, dass Nestle offensichtlich die Anleihen über eine Tochtergesellschaft mit Sitz in Belgien (BE) ausgegeben hat. Denn die belgische Notenbank kaufte diese Anleihen.

So leicht kommt also ein Unternehmen außerhalb der Eurozone an schön billiges Geld einer gebietsfremden Notenbank. Die belgische Notenbank hat im Auftrag der EZB bei sechs Anleihen von Nestle mit gekauft. Der Gesamtwert dieser Anleihen liegt bei 3,35 Milliarden Euro. Wie viel davon durch die Notenbank gekauft wurde, ist unklar. Aber wie erst diese Woche verkündet wurde, startet Nestle ein milliardenschweres Rückkaufprogramm eigener Aktien. Das hilft sicherlich dem Aktienkurs, dank der EZB.

Anheuser-Busch

Auch finden sich in der Liste der EZB insgesamt neun Anleihen des weltweit größten Bierbrauers Anheuser Busch-Inbev aus Belgien. Ob der wirklich ohne EZB-Geld weniger investiert hätte, ist mehr als fraglich. Letztes Jahr kaufte Anheuser den britischen Konkurrenten SAB Miller, womit man noch größer und marktbeherrschender wurde. Viele Beobachter der Kapitalmärkte sind sich ziemlich einig, dass Anheuser ohne EZB-Geld auch den Kauf nicht getätigt hätte. Denn ein Großteil des Kaufs fand letztlich finanziert durch Anleihen statt, und nicht durch eine Kapitalerhöhung.

Bayer

Ähnliches gilt für Bayer. Der deutsche Pharmariese ist gerade dabei den umstrittenen Pflanzenschutz-Konzern Monsanto in den USA zu übernehmen. Auch hier wird ein Großteil der Summe durch Schulden aufgebracht. Die Bundesbank hat im letzten Jahr von Bayer bereits bei drei Anleihen mitgekauft im Auftrag der EZB. Möglich ist hier eine Beteiligung von bis zu 2 Milliarden Euro. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass Bayer sich nach einem GO der Kartellbehörden für die Übernahme erst recht kräftig bedienen wird am frischen EZB-Geld.

Atlantia

Die italienische Notenbank kaufte zwei Anleihen des italienischen Autobahnbetreibers Atlantia. Aktuell brisant ist daran, dass Atlantia gerade erst ein Übernahmeangebot für den spanischen Konkurrenten Abertis abgegeben hat, von dem die spanische Notenbank ebenfalls Anleihen kaufte. Die Übernahme im Volumen von 16 Milliarden Euro soll wie auch bei Bayer vor allem mit Anleihen finanziert werden. Ohhh Wunder. Hier kann man sogar vermuten, dass nationale Notenbanken nationale Industriepolitik betreiben – aber beweisen kann man das natürlich nicht.

Auffällig ist, dass seit dem Start des CSPP der EZB Übernahmen vor allem durch neue Schulden mittels Anleihen finanziert werden. Vorher war es öfters üblich, dass man nicht kauft, sondern einfach Aktien tauscht, und so ganz auf neue Schulden verzichtet. Mal ganz abgesehen von dem Effekt, dass durch neue Schulden bei den Konzernen die langfristige Schuldenlast arg zunimmt (ohhh Wunder). Bei 0% Zinsen sieht das jetzt vielleicht gar nicht so schlimm aus.

Ist es eine böse Absicht der EZB oder gar eine Verschwörung von Mario Draghi und Konzernbossen, dass man die großen Unternehmen so arg bevorzugt? Davon wollen wir natürlich nicht sprechen. Draghi hat natürlich gute Argumente, die in der Theorie immer toll klingen. In der Realität ist es aber eine eindeutige Bevorzugung großer Konzerne gegenüber kleinen und mittelständischen Unternehmen. Noch schlimmer ist: Werden die Käufe irgendwann eingestellt, und die Anleihen laufen nach und nach wieder aus, bleibt der Fakt, dass große Konzerne dank dieser billigen Gelder ihre Marktmacht durch Käufe von Konkurrenten noch weiter konzentriert haben. Die Anzahl von Anbietern in vielen Branchen sinkt.




Das Logo der EZB. Grafik gemeinfrei



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6 Kommentare

  1. Danke für die Hintergrundinformationen zu diesem Skandal. Ein Grund mehr, auf einen Erfolg der – wie sie hier http://finanzmarktwelt.de/dax-das-experiment-nach-dem-experiment-62538/ genannt wurden – „populistischen Bewegungen“ zu hoffen.

    Die Notenbanken und das Fiat-Geld sind die Grundübel. Solange man an diesem System fest hält, wird es keine grundlegenden Verbesserungen für die Mehrheit der Bevölkerung geben. Nur Wahlfreiheit beim Zahlungsmittel bedeutet Freiheit.

  2. das konnte ja keiner ahnen! ;)

  3. Das hat mit Marktwirtschaft nicht mehr viel zu tun. Das ist gelenkter Staatskapitalismus der von der EU (EZB) betrieben wird. Kein einzelner Nationalstaat hat Einfluss auf diese Politik, die EZB agiert hier völlig autonom. So ein Europa will ich nicht, deshalb wähle ich AfD.

  4. Doch, genau das ist Marktwirtschaft. Vermutlich will man die großen Unternehmen stützen, um einen Dominoeffekt für den Fall der Fälle zu vermeiden.

    Was passiert eigentlich mit diesen Papieren in Zukunft? Irgendwann ist schließlich Zahltag.

  5. Nestle nimmt das Geld der EZB ja um Aktien zu kaufen, also könnte die EZB ja auch gleich die Aktien kaufen.
    Wer weiß, vielleicht kommt das auch noch.

  6. Irgendwann arbeiten wir alle für die gleiche Firma: alles Kollegen.

    (Und wer Kollegen hat, braucht bekanntlich keine F… mehr. :-D )

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