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Aktien: Growth gegen Value, das Thema des Börsenjahres 2021

Aktien: Growth oder besser Value?

Eigentlich bestimmt der Meinungsstreit über die Inflation „transitory or not“ die Schlagzeilen, aber in der großen Anlagestrategie geht es eigentlich um den Wettstreit zweier Klassen von Aktien, die man streng genommen eigentlich gar nicht trennen kann, da die Übergänge fließend sind: Growth gegen Value. Derzeit meldet sich der Nasdaq mit neuen Höchstkursen zurück, aber bleibt das so?

Aktien: Die Periode seit der Finanzkrise, die Dominanz von Growth

Als Anhänger von großen Trends blicke ich gerne auf größere Zyklen, die sich fast in jedem Jahrzehnt herausbilden. Vor der Dotcom-Bubble gab es für Aktien aus dem Bereich Growth kein Halten mehr, nach der schmerzlichen Korrektur blähte sich der Value-Sektor der Banken im Immobilienbereich ins Astronomische aus: die Folge war die große Finanzkrise. Anschließend schlug wieder die Stunde (das Jahrzehnt) der Aktien aus dem Tech-Sektor, der Nasdaq erfuhr bisher von seinem Tief im Jahr 2009 mit 1043 Punkten bis zum heutigen Tag fast eine Vervierzehnfachung (unglaubliche 1300 Prozent).

Dann im letzten Jahr der game changer, der sich schon im Herbst angekündigt hatte: für mich war bereits der Hype um die Aktiensplits bei Apple und Tesla das große Signal. Apple etwa hat sich seit seiner Verdoppelung von einer auf zwei Billionen Dollar (in weniger als zwei Jahren) nicht mehr so sehr weiter bewegt. Doch der eigentliche Auslöser für das Revival der Aktien aus dem Bereich Value war die Impfstoffgeschichte vom 9. November, in Koinzidenz mit dem Infrastrukturprogramm der neuen US-Regierung.

Growth, das durch seine ständigen Steigerungen ein KGV im Nasdaq von über 60 erweicht hatte, dreimal so hoch wie das der Old Economy, war plötzlich etwas out.

Das Börsenjahr 2021, zunächst die Fortsetzung der Value-Story

Im Winter gab es sogar noch einen Extra-Boost für Value, als die Rendite der 10-jährigen US-Staatsanleihe von 0,92 Prozent zu Jahresbeginn bis auf 1,77 Prozent im März gestiegen war. Steigende Kapitalmarktzinsen, Gift für die Wachstumstitel mit ihrer Abzinsung der Erträge in Abhängigkeit vom Zinsniveau.

Für die großen Investoren war ein weiterer Zinsanstieg infolge einer galoppierenden Inflation eine „gmahde Wiesn“ (wie der Bayer sagt) und gleichzeitig eine Milliarden-schwere Fehlspekulation. Die Zinsen fielen (bis auf 1,43 Prozent) und Aktien aus dem Bereich Growth bekam wieder Oberwasser, bis zum heutigen Tag. Das dies kein reines amerikanisches Thema ist (trotz der langfristig nicht haltbaren Dominanz der USA im MSCI World) zeigt der Vergleich der Performance MSCI Growth und MSCI Value.

Auf Sicht von fünf Jahren, eine klare Sache:

MSCI Growth: plus 125 Prozent

MSCI Value: plus 40 Prozent

Seit Jahresbeginn:

MSCI Growth: plus 8 Prozent

MSCI Value: plus 13 Prozent

Nachdem der Vorsprung von Value durch den Zinsrückgang der letzen Wochen schon um einiges geschrumpft ist – aber es geht hier um die globalen Indizes.

In diesem Zusammenhang möchte ich als „Boomer“ wieder einmal an Japan erinnern, die Ende der 1990-er-Jahre einen Anteil im MSCI World von fast 40 Prozent erreicht hatten, mit einer relativ kleinen Bevölkerungszahl. Das Industrieland Deutschland fürchtete sich damals, von Japan „gefressen“ zu werden. Wo steht Japan heute? Bei 7,5 Prozent im MSCI World.

Das nur am Rande, wenn es um die großen Zyklen geht. Hier noch einmal das ganz große Bild des Vergleichs der Entwicklungen von Wachstumstiteln und dem breiten Markt. U.a. aus meinem Artikel vom 6. Mai: „Die aktuelle Schwäche von Growth: Es sind nicht nur die Zinsen“, wo ich mich auf Daten des Wirtschaftsprofessors Ken French bezogen habe, mit seiner Langzeituntersuchung:

Im langfristigen Vergleich zwischen Hightech und dem US-Gesamtmarkt kam er zu folgenden Ergebnissen:

2015 bis 2020: 19,2 Prozent p.a. zu 8,5 Prozent p.a
1970 bis 2020: 6,8 Prozent p.a. zu 6,9 Prozent p.a.
Aufgeteilt in zwei Hälften:

1970 bis 1995: 4,8 Prozent p.a. zu 6,8 Prozent p.a.
1995 bis 2020: 8,9 Prozent p.a. zu 7,1 Prozent p.a.

Fazit

Nicht nur die historische Erfahrung spricht für eine Mean Reversion bei Aktien aus dem Bereich Growth, nach einer Vervierzehnfachung beim Nasdaq, die automatisch zu Monopolstrukturen bei den dominanten Werten führen muss. Mit entsprechenden politischen Reaktionen.

Auch ist nicht zu erwarten, dass die Kapitalmarktzinsen auf einem so niedrigen Niveau bleiben werden, auch wenn die Inflation sich auf einem mittleren Level einpendeln sollte. Selbst bei einem übervorsichtigen Vorgehen der Federal Reserve wird die ultralockere Geldpolitik im Notfallmodus ein Ende haben müssen, ansonsten kann die Teuerung nicht eingefangen werden. Dazu kommen noch die Infrastrukturprogramme, diesseits und jenseits des Atlantiks, auch das spricht für Value-Aktien.

Auf der anderen Seite gibt es sicher die Anleger, die bei einer größeren Schwäche der FANGMA-Titel immer wieder einsteigen werden, weil man in den letzten Jahren so gute Erfahrungen gemacht hat. Die Wissenschaft nennt das Phänomen „Recency Bias“, die menschliche Angewohnheit die jüngere Vergangenheit in die Zukunft fortzuschreiben.

Es könnte also im Jahr 2021 so manche Rotation von der Rotation geben, aber mit einem Gewinner: Aktien der Kategorie Value. So meine Schlussfolgerung, ohne zu hellseherisch werden zu wollen..



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1 Kommentar

  1. Vielen Dank Herr Müller, wie so oft ein Horizont erweiternder Beitrag von Ihnen.

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