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Aktien: Ist eine Wirtschaftsabschwächung wirklich eingepreist?

Aktien und die Wirtschaftsabschwächung

Ist eine Wirtschaftsabschwächung auch nur annähernd in den Kursen der Aktien eingepreist?

Täuscht die Berichterstattung über die neuen Allzeithochs bei großen Indizes nicht etwas über die künftige Wirtschaftsentwicklung hinweg? Klar gab es beim riesigen S&P 500 schon 54 neue Rekordhochs, aber viele davon waren auch nur Steigerungen in homöopathischen Größenordnungen und verantwortlich dafür einige wenige Aktien der Tech-Giganten, die den Markt nach oben zogen. Die Masse der Aktien lief in den letzten Monaten eher seitwärts, was nichts anderes bedeutet, als dass die Unternehmen mit ihrer Kursentwicklung „Peak Growth“ für die nächsten Monate widerspiegeln.

Aktien: Apple und Co, Treiber für die großen Indizes

Vergleichen wir nur einmal die Kursentwicklung von einigen Indizes und den großen Tech-Aktien in den letzten fünf Monaten, so wird diese Situation veranschaulicht. Die ganz großen Zuwächse für die Aktienbarometer gab es nämlich zumeist schon in den ersten drei Monaten des Jahres.

Von Mitte April bis Mitte September:

S&P 500: + 7,71 Prozent

Dow Jones: +2,48 Prozent

Nasdaq: + 8,62 Prozent

Dax: +2,41 Prozent

Die großen Fünf Aktien:

Apple: +16,2 Prozent

Microsoft: + 16,3 Prozent

Amazon: + 3,68 Prozent, wegen des großen Absturzes im Juli um 10 Prozent

Alphabet: +27 Prozent

Facebook: + 25,25 Prozent

Da allein diese fünf Schwergewichte schon eine Marktkapitalisierung von fast zehn Billionen Dollar (aktuell 9,58 Bio.) im 37 Billionen Dollar schweren S&P 500 ausmachen, kann man schlussfolgern, dass weit über 400 Werte im Weltleitindex in diesem Jahr eine mäßige Kursentwicklung vollzogen haben müssen.

Der Nebenwerte-Index Russel 2000

Die Nebenwerte weisen schon ein halbes Jahr keine positive Kursentwicklung mehr auf.

Die Aktien aus dem Russell 2000 laufen seitwärts

Selbst beim großen Sammelindex von Warren Buffet, Berkshire Hathaway, mit seinen vielen Industriewerten: Trotz des gigantischen Gewichts von Apple von über 40 Prozent in der Beteiligungsgesellschaft – Stillstand seit fünf Monaten.

Berkshire Hathaway: plus 4,21 Prozent

BigTech trieb auch den MSCI World

Der riesige Anstieg der Tech-Aktien in den USA im laufenden Zyklus seit der Finanzkrise 2009, mit teilweise Zuwächsen von über 1000 Prozent, hat zu einer immer größer werdenden Gewichtung der US-Aktien im Weltindex MSCI World geführt.

Ganze 65 Prozent beträgt der Anteil, was gleichzeitig bedeutet: Wer zur Diversifikation die ganzen Industrieländer kauft, erwirbt trotzdem zu zwei Dritteln US-Aktien. Dabei fallen laut Berechnungen von Bloomberg wiederum 18 Prozent auf ganze sieben Techtitel aus den USA mit folgender unglaublicher Gewichtung:

Apple 4,5 Prozent, Microsoft 3,8 Prozent, Alphabet 3,1 Prozent, Amazon 2,6 Prozent, Facebook 1,8 Prozent, Nvidia 1,2 Prozent, Tesla 0,9 Prozent.

Warum diese ungleiche Entwicklung in der Reopeningphase?

Die Ursachen für die Underperformance bei dem Industrietiteln sowie den Nebenwerten wurden schon oft aufgeführt: Die hohen Lieferkosten, die steigenden Produzentenpreise, die Materialknappheit, besonders bei Halbkeitern, all das drückt die Gewinne bei den Industrietiteln mehr als in der Hightech-Industrie.

Aber warum fallen die Börsenkurse trotzdem nicht stärker?

Natürlich sind die Geschäftsmodelle der großen Tech-Aktien gerade in einer verlängerten Corona-Krise noch sehr stabil und es gibt den ganz großen Faktor, der Anleger geradezu nötigt, im Aktienmarkt zu verbleiben: Negativrenditen von minus vier Prozent bei der großen Benchmark, der 10-jährigen US-Staatsanleihe, dem validesten Investment überhaupt auf dieser Welt. Die Basisanlage für Pensionskassen, Versicherer, Stiftungen und viele konservative Anlagevehikel, die händeringend nach Rendite heischen.

Fazit

Rechnet man also die großen Technologie-Aktien aus den Indizes heraus, so muss man eigentlich Stillstand konstatieren. Die Börse blickt außerdem nicht auf die Unternehmensergebnisse der Gegenwart, sondern antizipiert das Wirtschaftsgeschehen des Jahres 2022.

Meine alte Leier: Viele Tausende Firmeninsider liefern in den Börsenkursen der Unternehmen zumeist ein besseres Bild, als Analysten mit ihren Prognosen dazu in der Lage sind – allerdings nicht bei Zockerwerten, oder Aktien mit einer geringen Marktkapitalisierung. Was natürlich auch niemals möglich sein wird, ist die Einpreisung von externen Schocks oder einem rapiden Stimmungswechseln bei Anlegern, aus welchem Grunde auch immer.

Aber genau wie man im letzten Jahr im zweiten Quartal davon gesprochen hat, dass es nie und nimmer eine Wirtschaftsentwicklung geben kann die nur annähernd dem Börsen-V entspricht, so hat man in diesem Jahr das Bild einer prosperierenden Wirtschaft im Auge, welches bis weit in das Jahr 2022 hineinreichen soll. Selbst EZB-Chefin Christine Lagarde, die für die Eurozone in diesem Jahr ein Wachstum von 5 Prozent und im nächsten von 4,6 Prozent prognostiziert hat. Die Kurse viele Aktien sagen etwas anderes aus, zumindest für die nächsten Quartale.

Aber zusammenfassend noch einmal auf die Frage eingehend: Wo stünden die großen Aktienindizes in den USA und auf der Welt ohne die Performance von Apple und Co im Jahre 2021? Mit Sicherheit nicht bei 54 Allzeithochs im S&P 500.

Langfristig bedeutet dieses Klumpenrisiko in den Indizes aber auch eine große Belastung, sollten die Gewinne von BigTech einmal stagnieren oder gar zurückgehen. Die Kursreaktionen an der Börse dürften dann selbst ein Taper Tantrum in den Schatten stellen..



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