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Aktien: Keine Alternative mehr – auch für deutsche Aktien-Muffel?

Keine Alternative mehr füür Aktien?

Der folgende Artikel ist nichts für Skeptiker von Aktien. Denn er beschäftigt sich gerade im Land der Geldsparer und Aktienmuffel mit einer Ausnahmesituation, die es zwar schon seit 10 Jahren gibt, die aber in Zukunft noch dramatischer werden könnte – wenn man EZB-Präsidentin Christine Lagarde auch nur ein wenig Glauben schenken mag.

Aktien: Deutsche sparen gegen Niedrigzinsen an, bald 3 Billionen Euro

Der aktuelle Vermögensbericht der Deutschen Bundesbank vom 16. Juli zeigt das ganze Dilemma. Die Bundesbürger legen immer mehr Geld auf die Seite, aber durch die anspringende Inflation verliert das Kapital auf den Geldkonten immer mehr an Kaufkraft. Der Effekt der finanziellen Repression, also die relative Entschuldung des Staates durch niedrigste Zinsen, Entwertung der Schulden durch Inflation und Anstieg des Bruttoinlandsprodukts wird immer deutlicher:

  • 2852 Milliarden Euro liegen auf Geldkonten der Deutschen – und damit fast soviel wie das deutsche BIP ausmacht, welches infolge der Rezession 2020 auf 3,3 Billionen Euro gesunken war.
  • Laut Bundesbank ist das Geldvermögen der privaten Haushalte im ersten Quartal (insgesamt) um 192 Milliarden auf 7,143 Billionen Euro gewachsen.
  • Der Zufluss an Bargeld und Sichtanlagen betrug 47 Milliarden Euro.
  • Aber auch in punkto Anlage in Aktien ging es nach oben. Die privaten Haushalte erwerben für vier 25 Milliarden Euro Anteile an Investmentfonds und 3 Milliarden an Aktien.
  • Aber was bedeutet ein Anstieg des Aktienvermögens auf 447 Milliarden Euro bis Ende Q1 für die Privatanleger, wenn sich gleichzeitig das unverzinsliche Geldvermögen auf einsamen Höhen von über 2,85 Billionen Euro befindet? Wenn sich neben der Negativzinsphase ein weiterer Kapitalvernichter breit macht?

Die Inflation frisst die Kaufkraft

Es ist beileibe nicht so, dass sich die Vernichtung von Anlegerkaufkraft heimlich still und leise vollzieht. In allen Tageszeitungen gibt es Aufstellungen über die deutsche Zinslandschaft, aber man kommt eben nicht mehr als auf 0,1 Prozent Rendite bei Tages- oder Festgeld oder auf Girokonten.

Im Gegenteil, die Zahl der Geldinstitute, die ein so genanntes Verwahrentgeld (Strafzinsen) verlangen, wird immer größer, Vergleichsportale kommen schon auf 350 Institute. Bei einer Inflationsrate von über zwei Prozent im Durchschnitt des letzten Quartals, kommt man auch auf einen Realzins von mehr als minus zwei Prozent. Negativrealzinsen sind kein Ausnahmezustand in Deutschland, dies dürfte in zwei Dritteln der Zeit seit der Hochzinsphase in den 1970-ern der Fall gewesen sein. Aber noch nie war die Summe der Spareinlagen so hoch und noch nie betraf es des deutschen liebstes Kind, das Sparbuch, so vehement. Erste Berechnungen der Commerzbank zufolge, dürfte der Realverlust bei den Sparanlagen schon 22 Milliarden Euro im ersten Halbjahr betragen haben. Und sprach nicht selbst Bundesbank Präsident Jens Weidmann davon, dass die Inflationsrate sich im zweiten Halbjahr noch auf die 5 Prozent-Marke zubewegen könnte?

Was machen die Großen in dieser Lage?

Der Zinsnotstand betrifft aber nicht nur die Kleinanleger, sondern auch das große Geld bei Versicherungen oder anderen Kapitalsammelstellen, die auf Rendite angewiesen sind. Bislang konnte man sich von den Langläufern „ernähren“ und deren hohe Kupons, aber auch bei den 10-Jährigen herrscht Ebbe, sie sind ausgelaufen und aktuell gibt es rekordtiefe Realzinsen, wie aus dem Tweet von Holger Zschäpitz klar wird.

Aktien und Anleihen

Von woher sollen sich die Versicherer künftig ihre Rendite holen, von Private Equity, aus Immobilienanlagen, von inflationsbesicherten Rentenfonds?

EZB-Präsidentin Christine Lafarde hat der Hoffnung auf baldige Besserung der Situation in der letzten Sitzung eine klare Absage erteilt. Auch wenn die Anleihekäufe auf Jahresfrist abebben sollten, gibt es noch lange kein besseres Zinsniveau. Zumal das Inflationsniveau speziell in Deutschland nicht so leicht sinken kann, so sind die Steuererhöhungen über die CO2-Abgabe bereits bis 2025 beschlossene Sache.

Die Vorhersage von Börsenurgestein Gottfried Heller

Was also sollen Pensionsfonds und Versicherungen tun, um Rendite zu bekommen? Vielleicht doch die Statuten ändern, die eine höhere Anlagequote in Aktien erlaubt? Und nicht nur zehn oder vielleicht 20 Prozent? So wie es der norwegische Staatsfonds schon vor Corona gemacht hat, als dieser die Aktienquote im Portfolio von 60 auf 70 Prozent angehoben hatte (letzter Stand: 72% Aktien, 24 % Anleihen, vier Prozent Immobilien).

Gottfried Heller, ehemaliger Partner von André Kostolany, sprach schon vor drei Jahren auf einem Vortrag auf dem Börsentag in München davon, dass den Geldsammelstellen, angesichts der Politik von Mario Draghi gar nicht anders übrig bliebe, als ihre Anlageregularien zu ändern, wollten sie ihre Verpflichtungen aufrechterhalten. Jetzt kam der Schuldenanstieg durch Corona und Madame Lagarde wirkt noch „dovisher“ als Mr. „Whatever it takes“.

In Deutschland wurde ein aktienbasierter Staatsfonds schon einmal abgelehnt. Kein Wunder bei einem Finanzminister, der sich rühmt, sein Angespartes auf Geldkonten zu mehren. Aber welche Schlussfolgerungen wird man zum Thema Zinsnotstand nach dem 24. September, der Entscheidung um ein neues Regierungskabinett fällen?

Die Privatanleger reagieren schon einmal auf die Zinsklemme. Wie eine Aufstellung von 15 Direktanlagebanken ergab, ist die Zahl der ETF-Sparpläne im Juni 2021 auf 2.714.954 gestiegen, ein Anstieg gegenüber Jahresbeginn um 36 Prozent.

Fazit

Ausgerechnet im Land der konservativen Sparer wirkt sich die finanzielle Repression auf unabsehbare Zeit besonders stark aus. Deutschland, mit seinen gigantischen Geldbeträgen auf diversen Konten und zugleich mit den niedrigsten Zinsen, die es auf der Welt gibt (neben der Schweiz und Japan). Wird sich das Sparsystem über Jahre so fortsetzen lassen, ohne dass es zu einer Gefährdung der Vorsorgesysteme kommt?

Oder wendet man sich seitens der großen Kapitalsammelstellen sowie der Sparer nicht vermehrt der Anlage in Aktien zu, weil die Zinsen verschuldungsbedingt gar nicht auf die Höhen von vor 2010 steigen können? Weil es dann den Kollaps der großen Idee eines gemeinsamen Wirtschaftsraums in Europa zur Folge hätte?

Wie eingangs erwähnt, der Inhalt dieses Artikels wird Skeptiker von Aktien weder erfreuen noch überzeugen.



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