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Aktien: Schlägt 2020 die Stunde Europas?

Europäische Aktien haben seit Jahren eine gigantische underperformance gegenüber Aktien aus den USA. Wird sich das im Jahr 2020 ändern?

Europäische Aktien haben seit Jahren eine gigantische underperformance gegenüber Aktien aus den USA. Wird sich das im Jahr 2020 ändern?

Aktien: Europas Wirtschaft, lange Zeit im Bann des Brexit

Obwohl Europas Börsen in diesem Jahr eine ähnliche Performance wie ihre amerikanischen Pendants aufweisen, liegen sie im Dekadenvergleich doch meilenweit zurück. Hierzu ein paar Kennziffern:

  • Während sich amerikanische Aktien seit 10 Jahren fast vervierfachten, liegen europäische Papiere ohne Berücksichtigung der Dividende sogar niedriger als vor zehn Jahren.
  • Europäische Dividendentitel werden auf Basis der Buchwerte nur zu 54 Prozent des Niveaus gehandelt wie Aktien an der Wall Street. Oder anders gerechnet: Verhältnis US-Buchwerte 3,5  – Europas Stoxx 600 – 1,9.
  • Vor der großen Finanzkrise wurden Europas Aktien nur mit einem 10-prozentigen Abschlag gehandelt.

Aus dieser Sicht ist die Annahme eines Aufholprozesses gewiss nicht aus der Luft gegriffen. Vielleicht war die Brexit-Wahl so etwas wie ein Weckruf. Die sozialistischen Ideen eines Jeremy Corbin kamen bei den Wählern nicht allzu gut an. Der europäische Index steuert auf sein bestes Jahr seit 2009 zu – und dies obwohl Anleger seit März 2018 fast ununterbrochen Mittel aus europäischen Aktienfonds abgezogen haben. Man war sehr vorsichtig angesichts eines möglichen Fiaskos mit dem EU-Austritt der Briten.

Jedenfalls zeigte der größte europäische Aktien-ETF jüngst die höchsten Mittelzuflüsse seit dem Jahr 2018. Der Umschwung begann Mitte Oktober, als der  Optimismus hinsichtlich einer Brexit-Vereinbarung unmittelbar zu Umschichtungen in Richtung Europa geführt hat.

Nachdem europäische Aktien gemäß einer Umfrage der Bank of America Merril Lynch unter Vermögensverwaltern lange Zeit eine der weltweit am stärksten untergewichteten Papiere waren, stieg die Quote im November auf den höchsten Stand seit August 2018. Nach Aussagen von Analysten dieses Instituts befindet sich die Renditedifferenz zwischen Anleihen und Aktien weiterhin auf einem Jahrhunderthoch, jenes der europäischen Aktien dagegen im Vergleich zu anderen großen Märkten auf einem 50-Jahreshoch. Aus diesem Grund sei man, so die Bank of America Merril Lynch, bei Aktien aus dem Euroraum und dem Vereinigten Königreich übergewichtet.

 

Deutschlands Dax, ein Anachronismus in der Börsenwelt 

Der Vergleich zwischen Äpfel und Birnen: so könnte man den ständigen „Unsinn“ bezeichnen, der tagtäglich bei abendlichen Vergleichen der Indizes wiederholt wird. Während Dow Jones oder S&P 500 als Kursindizes ohne die vierteljährlich ausgeschütteten Dividenden berechnet werden, reinvestiert man diese beim deutschen Leitindex, so dass man den deutschen Performance-Index mit amerikanischen Kursindizes in Relation stellt. Dazu die konkreten Zahlen seit der Finanzkrise am Beispiel Dax versus S&P 500:

  • Der Dax (in seiner Performance-Version) war am 6. März auf sein Tief von 3666 Punkten gefallen, sein zyklisches Hoch hatte er am 23. Januar 2018 mit 13559 Punkten erreicht. Immerhin eine Performance von 269 Prozent, wenn man die jährlichen Dividenden mit einbezieht.
  • Der S&P 500 notierte an jenem 6. März bei 666 Punkten, sein bisheriges neues Hoch lag am Freitag bei 3182 Punkten, ein Faktor von 4,80 oder 380 Prozent Kurssteigerung.
  • Der eigentlich zum Vergleich heranzuziehende Kurs-Dax lag an diesem Märztag bei 2420 Punkten. Am gestrigen Montag schloss er bei 5963 Punkten und hätte damit gerade mal 146 Prozent zugelegt. Das wäre die Rechnung, die man zugrunde legen müsste. Ohne die Einbeziehung der Dividenden ergibt sich eine gewaltige Underperformance unseres Leitindex.

Wie kam diese gigantische Divergenz des Dax zum amerikanischen Leitindex zustande? Lag es am Wachstum? Nur zum Teil: das US-Wachstum betrug im Zeitraum von 2010 bis heute im Schnitt 2,3 Prozent, jenes von Deutschland 1,7 Prozent.

Es war eher das so genannte amerikanische Financial Engineering in Form von Aktienrückkäufen in Höhe von 5,3 Billionen Dollar. Einer Verknappung des freien Cashflows, welches das KGV ständig in die Tiefe drückte. Das wird in Zukunft nicht mehr so möglich sein angesichts der Verschuldung der US-Unternehmen, die weitere Aktienrückkäufe begrenzen dürfte. Die Effekte der billionenschweren Steuerreform sind zudem nicht mehr so einfach replizierbar.

 

Fazit

Auch wenn einige hinsichtlich der Eurozone inklusive ihrer Aktienmärkte den Teufel an die die Wand malen, so spricht doch fundamental einiges für Europas Aktienmärkte. Natürlich nur für Fall, dass in den nächsten Monaten keine umfassende Rezession auftritt. Für diesen Fall spielen Bewertungsunterschiede zwischen Europa/Deutschland und den USA keine Rolle mehr in der vernetzten Wirtschaftswelt. Wann konnte sich der Dax jemals von einem US-Einbruch abkoppeln?  Erschwerend kommt noch die Eigentümerstruktur des deutschen Leitindex hinzu, der sich  bekanntermaßen zu über 50 Prozent in ausländischen Händen befindet. Diese würden bei einem heimischen Crash sofort das Kapital repatriieren, allein schon um die eigenen Verluste (Margin Calls) auszugleichen.

Aber sollten wir tatsächlich noch für längere Zeit von einer Schrumpfung der Gesamtwirtschaft verschont bleiben, könnte Europa durchaus einen Aufholprozess  starten. Warum liegt denn der Dax mit seiner Performance von 27 Prozent nahezu gleichauf mit dem S&P 500, trotz vergleichsweise anämischen Wachstums? Anscheinend ist man bereit, die Schere in den Bewertung zumindest etwas schließen zu wollen.

Schließlich haben US-Banken, allen voran Bank of America Merril Lynch, schon seit Monaten für Europa die Aktien-Werbetrommel gerührt..

Schaffen Europas Aktien im Jahr 2020 eine Aufholjagd?

Foto: Deutsche Börse AG



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11 Kommentare

  1. @Wolfgang M., eine kleine Anmerkung zur „Brexit-Wahl“:
    Es gibt eine Parallele zwischen der Wahl von Donald Trump und Boris Johnson: Beide haben nicht die meisten Stimmen auf sich vereint. Aber ähnlich wie in den USA repräsentiert in Großbritannien die Zusammensetzung des Unterhauses nicht das Verhältnis der abgegebenen Stimmen. Rudimentäre Demokratie im Versuchsstadium könnte man dieses Wahlsystem nennen.

    Die eigentlichen Gewinner verlieren
    Im Vergleich zur Wahl von Theresa May vor zwei Jahren haben die Tories gerade mal einen Prozentpunkt mehr gewonnen. Eigentlich haben die Parteien, die ein zweites EU-Referendum gefordert haben, mehr Stimmen erhalten, als der Wahlsieger. So gewannen beispielsweise die Liberal-Demokraten, die gegen den Brexit Wahlkampf geführt haben, eine Millionen Wählerstimmen dazu. Aber im Vergleich zur letzten Wahl 2017 haben sie trotzdem einen Sitz im zukünftigen Parlament verloren. Die Brexit-Befürworter liegen mit nicht einmal 47% der Wählerstimmen klar hinten.

    1. Dieses hier angesprochene „Mißverhältnis“ zwischen der Wahl gemäß lokalen Gebieten gegen die einfache Quantität ist ja nicht seit vorgestern, sondern bei allen Wahlen so.
      a) Aber dies fällt den Linken immer dann auf, wenn sie gerade eine Wahl verloren haben. Sonst nicht. (Das war der verlorenen Wahl von Brandt und Schröder damals genauso, als sie „heraus“-fanden, daß die CSU ja eigentlich als eigene Partei gerechnet werden müsse und man somit doch gewonnen habe. Heute spielt das keine Rolle mehr, da die SPD bald einstellig ist.)
      .
      b) Mein englischer Kollege (an sich auch Labour, aber diesmal für Boris) hat mir dies System erklärt. Es sind nicht einfach z.B. die Reichen, deren Stimmen mehr wiegt, sondern ländliche Gebiete, die von Massenstädten nicht einfach weggebuttert werden wollen. Es ist ja demagogisch viel leichter, die Massen der Stadt zu beeinflußen, als die vielen für Massenmedien eher unrentablen Kleinorte.
      .
      c) Insofern wird sich laut Kollege dieses angebliche Mißverhältnis so schnell nicht ändern!
      .
      Das hoff ich zwar auch. Aber Boris will GEZ-Verweigerer entkriminalisieren. Ob er das überlebt, glaube ich nicht! (2020)
      https://twitter.com/hashtag/gez

      1. “ Es ist ja demagogisch viel leichter, die Massen der Stadt zu beeinflußen, als die vielen für Massenmedien eher unrentablen Kleinorte“

        Weil es in kleinen Orten kein Fernsehen und Internet gibt?

        1. Nein, weil Sie auf dem Land noch eher an die frische Luft gehen, also weniger Medien konsumieren.
          Fällt Ihnen noch etwas anderes ein?

          @deutschlandfk: (nach der verlorenen Wahl)
          Nach Parteien gerechnet sei die SPD die stärkste Macht. Aus historischen Gründen würde die CDU und CSU automatisch als eine Fraktion angesehen, dies könne aber durch eine Änderung der Geschäftsordnung verändert werden, betonte Stiegler.
          Flenn, Flenn.
          https://www.deutschlandfunk.de/es-ist-fuer-mich-ein-dogma-dass-gerhard-schroeder.694.de.html?dram:article_id=62543

      2. @sabine, Sie verstehen es wirklich meisterhaft, wie ein naives Milchmädchen zu argumentieren. Würden Sie sich vor dem Schreiben auch etwas informieren, wäre das Ihrer Glaubwürdigkeit und Seriosität sehr förderlich. Mehr als der sog. Kollege oder Freund, den Sie als Insider und quasi Live-Berichterstatter zu jedem nur erdenklichen Thema als „gewichtiges“ Argument anführen.

        Erst einmal fällt dieses seltsame Wahlsystem „den Linken“ (vermutlich meinen Sie damit meine Wenigkeit) immer auf, egal wer gewinnt oder verliert. Zweitens habe nicht ich eine Wahl verloren, sondern der größte Teil der britischen Wähler, der mehrheitlich gegen einen chaotischen Brexit-Boris gestimmt hat.

        Gerade auch in den Städten konnten die Tories stark zulegen, was tatsächlich für Ihre These des Demagogen Boris sprechen würde ;) Besonders eindrücklich waren die Gewinne der Konservativen in den traditionellen Hochburgen der Labour-Partei in den alten Industriestädten im Norden. London hat etwa 9 Millionen Einwohner, Großbritannien etwa 67 Millionen. Selbst bei einer 2/3-Mehrheit für Labour in London wären das landesweit gerade mal 9%.
        Dennoch scheint Labour auch nach der Wahl 2019 die Partei der Menschen in strukturschwachen Regionen zu bleiben. Gerade in Regionen mit guter sozialer Lage, hohem Wohlstand und geringer Arbeitslosigkeit (also bei den Reichen) waren die Konservativen die großen Gewinner.

        Was Willy Brandt angeht, wählte ihn der Bundestag am 21. Oktober 1969 zum vierten Bundeskanzler in der Geschichte der Bundesrepublik. 1972 führte ein langer, intensiv geführter und stark mobilisierender Wahlkampf bei der vorgezogenen Bundestagswahl mit 91 % zu der höchsten Wahlbeteiligung aller Bundestagswahlen. Beide Parteien der Regierung Brandt gewannen hinzu und die SPD wurde mit 45,8 % der Stimmen erstmals stärkste Bundestagsfraktion.

        1974 folgte sein Rücktritt infolge der Guillaume-Affäre. Also nix verlorene Wahl und CSU-Geplapper.

        1. @Michael: „Milchmädchen“ – lalala. Tüpisch links. Erstmal runtermachen. Aber dann immerhin argumentieren.
          .
          Gemäß meinem englischen Kollegen sind die Linken in London und anderen Großstädten sehr stark. (So, das reicht für heute. Tschüß. Muß noch Holz hacken, heize mit Holz.)

          1. @sabine, Sie sind schon ein interessanter Tüp! Erstmal runtermachen und niemals argumentieren. Eine tüpische Holzhackermethode – lalala.

          2. @sabine: Und ich muss noch eine Kuh abschlachten für’s Abendessen ;-) Aber Spass beseite: Das mit dem Holz hacken gefällt mir. :-)

            Und was den „Streit“ hier betrifft: Geht es nicht um Mehrheitswahlrecht versus Verhältniswahlrecht? Also ich finde das Verhältniswahlrecht deutlich besser, weil dabei nicht – wie beim Mehrheitswahlrecht – so viele Wahlstimmen unter den Tisch fallen. Bei einem Verhältniswahlrecht würden die Wahlergebnisse in GB und USA ganz anders aussehen!

            Meiner Meinung nach hat Boris nur wegen „Let Brexit done“ gewonnen – womit er mMn auch Recht hat. Der Brexit-Geist ist aus der Flasche, und in GB würde keine Ruhe einkehren, solange dieser nicht vollzogen ist. Ob das nun gut oder schlecht ist, ist eine andere Frage. Ggf. können die Briten in zehn oder zwanzig Jahren der EU ja wieder beitreten – nachdem ihr Größenwahn zurechtgestutzt wurde!

    2. Ächz,Flenn,Schrei,Michael!So würde ein Comicschreiber ihr Demokratieverständnis zu Blatt bringen.Die Alten und die Dummen,haben also schon wieder die Wahl gewonnen,dieses Mal auch noch angeblich mit einer Stimmenminderheit.Haben die Schlauen und Jungen etwa vergessen ein „vernünftiges“Wahlrecht zu installieren oder hatten sie schlicht keine Zeit dafür,die Highpotentials?P.s.Ob das deutsche Wahlrecht mit der ständig mehr Abgeordnete erzeugenden Überhangmandatepraxis der Weisheit letzter Schluss ist,ist ebenfalls fraglich.Rule Britannia,eben ohne notlügende und postenschachernde Superdemokraten in Brüssel und Strasburg.

      1. @Koch, nehmen wir der Einfachheit halber an, wir hätten 5 Wahlkreise. In Wahlkreis A, B und C leben jeweils 11 Wähler, in den Wahlkreisen D und E leben jeweils 1 Million.
        Der blaue Kandidat gewinnt in A, B und C jeweils mit 6 zu 5 Stimmen, während er in D und E nicht eine einzige Stimme holt. Das Wahlergebnis wäre also 18 : 2.000.015 = 0,0009% für Blau, aber dennoch eine komfortable 60%-Mehrheit nach Sitzen.

        Und was das angeblich bei Stimmenminderheit angeht, sollten auch Sie sich vor dem Posten erst einmal informieren. 43,6% + 2% von der Brexitpartei, mehr werden es einfach nicht. Ächz, stöhn, heul, Herr Koch!

        https://de.statista.com/statistik/daten/studie/156557/umfrage/stimmanteile-bei-der-wahl-zum-britischen-unterhaus-2010/
        https://www.bbc.com/news/election/2019/results
        https://www.theguardian.com/politics/ng-interactive/2019/dec/12/uk-general-election-2019-full-results-live-labour-conservatives-tories
        https://ig.ft.com/uk-general-election-2019-results/

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