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Aktienmärkte: Der plötzliche Auslöser von Gewinnmitnahmen

Die Aktienmärkte haben gestern stark auf die Mutation von SARS-CoV-2 in Großbritannien reagiert. Ist die Jahresendrally damit vorbei?

Die Aktienmärkte haben gestern stark auf die Mutation von SARS-CoV-2 in Großbritannien reagiert. Schnell war wieder die Rede vom Schwarzen Schwan, mittlerweile ein Begriff, den man für plötzliche Ereignisse an den Börsen beinahe schon inflationär verwendet. Dabei sprach der Risikoforscher Nassim Taleb in seinem bekannten Buch von der Macht „höchst unwahrscheinlicher Ereignisse“ – und die Mutation von Covid-19 war bestimmt kein solches Event.

Aktienmärkte: Der Anlass für Gewinnmitnahmen

Wie soll etwas als höchst unerwartetes Ereignis identifiziert werden, wenn eine Virusmutation von Covid-19 in Großbritannien schon Anfang Oktober von heimischen Virologen festgestellt wurde, mit stets zunehmendem Auftreten und selbst bei der Umfrage der Bank of America in ihrer Dezemberumfrage (Global Fund Manager Survey) dieses als größtes Risiko für die Rally bezeichnet wurde? Wer glaubt denn, dass man dies dann nicht auf dem Schirm hatte und sich entsprechend gewappnet hätte. Und dann wurde diese Analyse auch noch millionenfach gelesen. Deshalb noch einmal die Feststellung aus meinem gestrigen Artikel: Märkte reagieren ganz extrem, wenn ein völlig neues Element auftaucht oder eine Nachricht plötzlich extreme Langfristauswirkungen implifiziert.

In der jetzigen Situation wäre das vor allem bei der Meldung der Fall, dass der Impfstoff keine ausreichende Wirkung gegen die Virusmutation besitzt.

Dennoch ist die Nachrichtenlage vom Wochenende für die Aktienmärkte zunächst einmal nicht zu unterschätzen, weil sie auf eine Phase an den Märkten,

  • von extremer Sorglosigkeit,
  • von großer Euphorie mit viel Call-Spekulation,
  • nach großen vorherigen Kursanstiegen und
    fehlender Absicherung trifft.

Nicht zu vergessen die vielen Neulinge (RobinHoodies) an den Börsen diesseits und jenseits des großen Teichs, die von Dopaminen geflutet, immer größere, spekulative Räder drehen.

Deshalb kann eine wirtschaftlich, zumindest kurzfristig sehr negative Meldung, Luftfahrtindustrie und weitere Corona-sensitive Branchen sehr stark treffen, schließlich waren diese auf Monatssicht auch extrem gestiegen.

Die aktuelle Situation

Natürlich ist der Optimismus noch immer sehr groß, Publikums- und Hedgefonds sind hoch investiert, die Cashquote liegt bei niedrigen vier Prozent.

Das so bedeutsame US- Angstbarometer Fear&Greed hat sich aber bereits seit Tagen von seinen Werten von über 90 zu Beginn des Monats sukzessive auf 63 Punkte reduziert. Da sich diese Messlatte aus sieben Einzelindikatoren, wie zum Beispiel Marktbreite, Put/Call-Ratio oder auch dem Volatilitätsindex VIX (aktuell 25 Punkte) zusammensetzt, könnte man von dieser Seite von keinem überbordenden Optimismus sprechen.

Die Reaktion der Aktienmärkte war zunächst sehr deutlich, aber zum Ende des Tages hatte sich Vieles bereits wieder beruhigt.

In den USA beendete der Dow-Jones den Tag mit einem Anstieg von 0,1 Prozent, der Nasdaq mit einem kleinen Minus von 0,1 Prozent und der große S&P 500 mit einem Abschlag von 0,4 Prozent. Und Letzteres war wohl ein wenig dem Abschlag bei Tesla von sechs Prozent geschuldet, am Tag seiner Aufnahme in den S&P 500, da dieser Titel auf Anhieb eine Marktkapitalisierung von 1,69 Prozent im weltgrößten Index einnimmt.

Die Gewinnmitnahmen waren aber fast schon zwingend, nach einem Plus von deutlich über 50 Prozent innerhalb eines guten Monats.

Der deutsche Leitindex reagierte zunächst fast panisch mit einem Test der unteren Begrenzung seiner fünfwöchigen Seitwärtsbewegung und einem Fall auf 13.060 Punkte (ein Abschlag von 570 Punkten gegenüber dem Freitagsschlusskurs), bis zum Tagesschluss hatte man sich aber hierzulande wieder ein wenig beruhigt. Der Kassahandel endete bei 13.246 Punkten, am späten Abend hatte man fast schon wieder die 13.400-Punktemarke im Visier.

Es war wieder einmal ein Tag, an dem man wieder erkennen konnte, dass die Unmöglichkeit Börsenkurse vorauszusehen selbst von langjährigen Börsenprofis immer wieder ignoriert wird. Einhelliger Tenor am Montag Mittag durch Fernsehmoderatoren und manchem Analysten: Die Weihnachtsrally der Aktienmärkte sei vorbei. Kann sein oder auch nicht. Wer kein Depot managen muss, für den ist ein verbaler Fehltritt rasch Makulatur, bei einer aktiven Vermögensverwaltung eher nicht.

Die Zulassung des Impfstoffs in der EU

Eine große Gegenkraft gegen all die Besorgnisse um die Mutation von Covid-19 bildet natürlich der Start der großen globalen Impfaktion. Nachdem es schon seit einiger Zeit in China, Russland, den USA, Kanada, Großbritannien und Saudi-Arabien losging, hat am gestrigen Abend die EU-Kommission den Weg für ihre 27 Mitgliedsstaaten für die Massenimpfung mit dem BioNTech/Pfizer-Impfstoff, Handelsname Corminaty, freigemacht. Damit wird noch in diesem Monat in Tausenden von Impfzentren das Vakzin verabreicht werden, in Dimensionen, die die Infektionsrate von Corona deutlich übertroffen, in Großbritannien ist man schon bei über 300.000 Erstimpfungen angelangt, binnen 12 Tagen, die halbe Million wird noch in diesem Monat überschritten.

Was bedeutet das für Deutschland?

Wie das Gesundheitsministerium mitteilte, sollen am 26. Dezember 151.125 Impfdosen eintreffen, am Sonntag beginnen die Impfungen.

Laut Minister Jens Spahn geht es dann Schlag auf Schlag weiter: Am 28. Dezember mit 521.625 Impfdosen, am 30. Dezember mit 625.750, genauso viele noch einmal in der ersten Kalenderwoche 2021.

Damit könnten im Januar bereits drei bis vier Millionen Dosen zur Verfügung stehen. Im ersten Quartal rechnet das Ministerium mit 11 bis 13 Millionen Impfdosen, was für eine Impfung für etwa 5,5 bis 6,5 Millionen Menschen reichen sollte. Insgesamt hat sich Deutschland über einen EU-weiten Schlüssel bisher mehr als 300 Millionen Dosen gesichert, von Biontech und weiteren Impfstoffherstellern.

Als erstes sollen die über 80-Jährigen, Personal und Bewohner von Pflegeheimen sowie auch Gesundheitspersonal mit sehr hohem Infektionsrisiko geimpft werden.

Nach Angaben des RKI liegt das Durchschnittsalter der an oder mit Covid-19-Verstorbenen in Deutschland immer noch über 80 Jahre. Konkret sind 85 Prozent der Coronatoten über 70 Jahre alt und litten zumeist an einer oder mehrer Vorerkrankungen.

Wenn es also zur Umsetzung des deutschen Impfplanes bei Ü80 u.w. im Winter kommen sollte, sind wir zwar noch weit von einer Herdenimmunität entfernt, die Mortalität von Covid-19 hingegen, sollte aber dann signifikant abnehmen.

Fazit

Ob aus der Geschichte mit der Mutation von Covid-19 eine größere Wende für die Aktienmärkte wird, sollte man relativ schnell erkennen können. Denn zum einen werden Virologen und Mediziner rasch analysieren, ob die verfügbaren Impfstoffe von BioNTech/Pfizer und Moderna Wirksamkeitsprobleme haben und zum anderen gibt es noch weiter den kollektiven globalen Kampf gegen die wirtschaftlichen Einbrüche. Staaten und Notenbanken dürften bei einer temporären Verschärfung der Lage monetär sogar noch stärker auf die Tube drücken.

Zur Mutation von Covid-19 noch eine aktuelle Bewertung des BioNTech-Chefs Ugur Sahin: „Wir haben den Impfstoff bereits gegen circa 20 andere Virusvarianten mit anderen Mutationen getestet. Die Immunantwort, die durch unseren Impfstoff hervorgerufen wurde, hat stets alle Virusformen inaktiviert. Wir müssen das jetzt experimentell testen. Das wird etwa zwei Wochen in Anspruch nehmen. Wir sind aber zuversichtlich, dass der Wirkungsmechanismus dadurch nicht signifikant beeinträchtigt wird.“

Erlebten die Aktienmärkte gestern nur einen kleine Ausrutscher vor der Jahresendrally?



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