Jetzt befinden wir uns im Monat Mai, dem Beginn einer Phase der Aktienmärkte mit der wohl bekanntesten Börsenregel „Sell in may“ – und es ist wieder einmal das Thema schlechthin in fast allen Börsenpublikationen. Besonders nach der Entwicklung in der Vorperiode, die die Indizes trotz beständiger Warnsignale immer noch nicht korrigieren ließ.
Blicken wir zunächst auf den Börsenmonat Mai.
Aktienmärkte: Der Mai ist eher durchschnittlich, nicht aber in Nachwahljahren
An dieser Übersicht sieht man die durchschnittliche Performance der Börsenmonate im Vergleich über 70 Jahre. Mickrig für den Monat Mai selbst, aber nicht in einem Jahr nach einer US-Wahl und dies gilt noch einmal mehr, wenn die Vormonate gut gelaufen sind.
Wenn man sich das letzte Jahrzehnt der Aktienmärkte ansieht, kann man feststellen, dass die saisonale Regel „Sell in May and go away, but remember to come back in September“ ein ziemlich schlechter Tip gewesen ist.
Woran könnte das liegen, dass sich eine Börsenregel, die sich bis ins 19. Jahrhundert zurückverfolgen lässt, nicht mehr funktioniert? Zunächst einmal an der Tatsache, dass im Computerzeitalter standardisierte Regeln an der Börse nicht funktionieren können, zumindest nicht für lange. Tausende von Spezialisten forschen ständig nach signifikanten Zusammenhängen, ob tages,- wochen,- oder jahreszeitlich, mit Algorithmen, die daraus Profit schlagen sollen. Indem man natürlich in Erwartung fallender Kurse bereits vorher verkauft.
Immer wieder verblüfft mich nach wie vor ein Prozedere in der Finanzindustrie. Man „verkauft“ an Kunden besondere Handelsstrategien, die an der Börse eine Überperformance erzielen soll. Warum schlagen dann 95 Prozent der Fondsmanager langfristig nicht einmal ihre Benchmark? Dabei gilt: Wenn jemand ein spezielles System entdeckt hat, so würde er es doch zunächst für sich ausnutzen, denn im Moment seiner allgemeinen Bekanntheit, wird es mit Sicherheit nicht mehr funktionieren.
Um zur Mai-Regel der Aktienmärkte zurück zu kommen: Früher wurde natürlich in den Sommermonaten weniger gehandelt und es kam wegen der Umsatzflaute zu größeren Kursausschlägen – die Folge waren oft schwächere Börsen. Heute wohl nicht mehr im automatisierten Computerhandel und mittels der neuer neuen Allzweckwaffe, dem ubiquitären Einsatz von Smartphones.
Das letzte Corona-Jahr war natürlich extrem, in dem die Mai-Regel erst recht nicht funktioniert hat. 2021 sind die Rahmenbedingungen völlig andere, die Wirtschaft beginnt zu boomen, die Inflationserwartungen schießen ins Kraut und die Märkte beginnen gegen die Federal Reserve zu wetten. Die Aktienmärkte sind heiß gelaufen, es muss aus technischen Gründen Dampf abgelassen werden, aber wie?
Scharfe Korrekturen oder Abbau der Überbewertung über die Zeit?
Innerhalb des langen Zyklus seit der Finanzkrise gab es schon drei Jahre, in denen es keine Korrektur der Aktienmärkte über 7,5 Prozent im ganzen Jahr gegeben hat: 2013, 2014 und 2017. Auch 2021? Eher unwahrscheinlich, denn dagegen sprechen ein paar gewichtige Bedingungen: Zum Beispiel der hohe Einsatz von Wertpapierkrediten und die große Spekulation an den Terminmärkten. Diese Disposition verträgt eines nicht, eine längere Zeit stagnierender Kurse, weil Zeit Geld kostet (Zeitwertverluste – Theta), aber auch keine gemächlich fallenden Kurse (Margin Calls).
Hier noch einmal die Grafik mit den größeren Kurseinbrüchen (Drawdowns) im letzten Zyklus.
Sind die möglichen Investoren wirklich alle All-in?
In vielen Analysen wird darauf hingewiesen, dass die Marktteilnehmer voll investiert seinen, die Fonds ihren Investitionsrahmen ausgeschöpft haben. Sicherlich, aber gibt es nicht noch die Billionen an Cash, die die Verbraucher während der Krise angespart haben, aus allerlei Motiven? Hierzu gibt es eine Umfrage der UBS, die zeigt, dass durchaus noch Geld an der Seitenlinie parkt.
Wohin mit dem Geld, wenn die Inflation kommt?
Fazit
Klar spricht Vieles für eine Korrektur der Aktienmärkte. Aber hat nicht der Wall Street Berichterstatter Markus Koch in seinem Video gestern anhand einer Bloomberg-Grafik gezeigt, dass 2021 technische Indikatoren bisher in großem Ausmaß versagt haben?
Allerdings hat die alte Börsen-Bauernregel nun schon lange nicht mehr funktioniert. Aber 2021 ist das Jahr nach Corona mit alles seinen gegenwärtigen, aberwitzigen Spekulationen und Exzessen. Es müsste schon mit dem „Statistikteufel“ zugehen, sollte diese kommende 6-Monatsperiode tatsächlich von Stagnation, Apathie und Minimalschwankungen der Aktienmärkte geprägt sein. Aber es muss eben nicht sofort geschehen, wobei wir wieder bei so schönen Börsenweisheiten wären, die einmal mehr zur Anwendung kommen könnten: „An der Börse wird weder zum Ein- noch zum Ausstieg geklingelt“ und „Börsenkurse gehen oft den Weg des größten Schmerzes“, auch für bearishe Investoren.
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