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Aktienmärkte: Die Ampel springt auf gelb! Bald auch auf rot?

Die letzte Woche hat deutlich aufgezeigt, dass Entwicklungen aus dem Ruder gelaufen sind, die jederzeit eine größere Korrektur, aber auch eine längere Abwärtsphase der Aktienmärkte einleiten können

Der erste Börsenmonat des Jahres ist für die Aktienmärkte vorüber, in den USA hat sich die politische Lage geklärt, die neue Regierung ihre Arbeit aufgenommen und die Impfung der Bevölkerung verläuft schneller, als in den meisten anderen Industriestaaten. Aber eine andere Entwicklung lässt die Alarmglocken immer lauter werden – die Euphorie bestimmter Anlegergruppen und damit eingehende Spekulationsexzesse. Nach einem schwungvollen Start ins neue Jahr ist der Börsenmotor ins Stottern geraten, trotz geklärter politischer Unsicherheiten.

Kommt jetzt die Phase einer Korrektur, was geradezu typisch für die Zeit nach der Inauguration eines neuen US-Präsidenten wäre? Nach Kommentaren vieler alter „Börsenhasen“ ist die Ampel für die Aktienmärkte zuletzt von grün auf mindestens gelb umgesprungen.

Aktienmärkte: Das Big Picture für den Februar

Auch wenn man vermutlich auch im zweiten Coronajahr nicht allzu viel auf saisonale Muster geben sollte, hat sich eine Lage an den Märkten aufgebaut, die sentiment- und charttechnisch, aber auch fundamental nach Abkühlung schreit. Viel Investoren sind „all-in“ oder sogar noch mehr, ein wirtschaftlicher Aufschwung durch die neue Biden-Administration ist eingepreist. Jetzt könnte man zunächst verstärkt ein Auge auf die Risiken legen und Luft aus der Blase ablassen. Ein langjähriger Chart für die Börsenentwicklung nach einem Regierungswechsel könnte einmal mehr, zumindest für die nahe Zukunft gelten.

Die Aktienmärkte saisonal nach der Wahl eines neuen US-Präsidenten

Zunächst einmal ein Blick auf die Unterstützungsfaktoren

Die innenpolitische Lage nach dem Sturm auf das Kapitol hat sich beruhigt, hinzu kommt eine Situation, wie sie von Gunnar Heinsohn wie folgt beschrieben wurde: „Die Geschichte lehrt, dass Konflikte in einem Land gesellschaftlich dann eskalieren, wenn es zu viele junge Männer gibt, die perspektivlos sind. Daraus könnte man einen so genannten Kriegsindex ermitteln. Dieser ist aber in den USA seit Jahren sehr niedrig, das Land altert. Selbst beim Angriff auf das Kapital waren die Anführer schon keine Jungen mehr. Im Übrigen sind in den USA von 1000 jungen Leuten zwischen 17 und 24 Jahren über 700 untauglich für das Militär.“

Aus sicherheitspolitischer Sicht erst einmal eine gute Entwicklung, viele Kassandrarufe dürften sich nicht bewahrheiten. Amerika ist ein Land der alten weißen Männer.

Von Seiten der Finanz- und Fiskalpolitik kommen weiter keine Störfeuer. Wie Jerome Powell erst in der letzten Woche in seinem Statement dargelegt hat, wird es weiter ausreichend monetäre Unterstützung geben (120 Milliarden Dollar monatlich) bis sich die Arbeitslosigkeit zur Vollbeschäftigung erholt hat. Die Regierung wird ihr neues (reduziertes) Stimuluspaket mit vielleicht Billion Dollar durchbringen. Bis zu den Schecks von 1400 Dollar pro berechtigten Bürger sollte es nicht mehr lange dauern. Geld, welches von vielen Jungen wiederum zum Zocken verwendet werden könnte. Damit haben die Rettungspakete bereits ein deutlich höheres Volumen erreicht, als durch die Rezession 2020 an Wirtschaftsleistung verloren gegangen ist.

Die Zinsen als wichtiger Gefahrenpunkt für die Aktienmärkte sind im Bereich der 10-jährigen US-Treasuries bei 1,07 Prozent stehengeblieben. Das Angstbarometer Fear&Greed ist in den USA auf 38 Punkte in den Angstbereich gefallen. Dieser Index setzt sich aus sieben Subindizes zusammen, was bedeutet, dass man sich der gefährlichen Lage schon bewusst ist. Wie oft hat es einen deutlichen Crash der Aktienmärkte bei einem so tiefen Stand gegeben? In der Regel waren es eher Stände bei extremer Gier über 90 Punkte.

Ein erwähnenswerter Pluspunkt hat sich für die US-Wirtschaft mittelfristig auch durch die „America-First-Politik“ bei der Impfstoffstory (Beschaffung und Impfung) ergeben. Die USA haben bereit eine „offizielle“ Zahl an Infizierten von über 8 Prozent der Bevölkerung – 26 Millionen plus Dunkelziffer – zugleich wurden schon 31 Millionen Menschen geimpft. Da man mit dem Einsatz der Finanzkraft des Landes bereits jetzt für ausreichend Impfdosen gesorgt hat, dürfte es den Gesundheitsstellen nicht schwer fallen, fortan mindestens eine Million Bürger pro Tag zu impfen, mit steigender Tendenz. Ganz anders in Deutschland, wo Gesundheitsminister Jens Spahn darauf hingewiesen hat, dass man in den nächsten 10 Wochen mit reduzierten Impfstofflieferungen rechnen müsse.

Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass bei der Impfstoffproduktion und Auslieferung mehr und mehr das kapitalistische Prinzip durchschlägt. Anfangs hieß es, man wolle die Impfstoffe zu Selbstkostenpreisen anbieten, jetzt sieht man, dass Länder Vorteile haben, die von Anfang an höhere Preise geboten haben.

Die belastenden Faktoren

Hier könnte man eine Liste aufstellen, die das Format dieser Artikel aus Platzgründen sprengen würde. Was wurde in den letzten Wochen nicht alles schon über die Headwinds für die Aktienmärkte berichtet. Hier ein paar Fakten, die kurzfristig eine Rolle spielen können. Langfristig ausgeuferte Parameter, wie der Warren Buffett- Indikator oder das Shiller-KGV wurden schon oft zitiert und immer wieder aktualisiert.

Zunächst einmal die Situation, dass Firmen-Insider (CEOs, CFOs) in den letzten Monaten eher verkauft haben, das Big Money der großen Investmentfonds jedoch so voll investiert ist, wie seit acht Jahren nicht mehr. Eine Cashquote von 3,9 Prozent, damit gibt es nicht das berühmte Fangnetz, wenn die Kurse der Aktienmärkte korrigieren sollten – und die Möglichkeit des antizyklischen Einstiegs. Allerneueste Daten zeigen allerdings, dass die Investitionsquote von extremen 113 Prozent auf 84 Prozent gefallen ist (Stephan Heibel – Sentimentumfrage der Vorwoche). Zudem ist das frische Geld, welches zu Jahresbeginn an die Aktienmärkte fließt, bereits in den Kursen verarbeitet.

Aktuell gibt es natürlich das große Thema mit den Robinhoodern und deren Spekulation gegen die Hedgefonds aber zugleich mit einem unglaublich großen Optimismus für ständig weiter steigende Kurse. Bei FMW in vielen Facetten beschrieben – und kein dauerhaft tragbarer Zustand.

Hierzu der O-Ton alten US-Börsenhasen: „It’s an echo of 1999, trading without risk!“ Der Fondsmanager bei Invesco, Paul Jackson, mutmaßt sogar: „Es wird interessant sein zu sehen, was passiert, wenn die Kaufmöglichkeiten der Kleinanleger erschöpft sind und die Hedgefonds neue Short-Positionen eingehen. Ich vermute, der Crash wird genauso dramatisch sein wie die Kursblase.“

Hier noch ein paar Punkte, die zur Vorsicht mahnen:

Die US-Berichtssaison mit den Big Seven ist bald gelaufen (Höhepunkt diese Woche), eine folgende Sell on News-Phase ist sehr häufig feststellbar. Man konnte bereits beobachten, dass es bei den Quartalszahlen trotz Übertreffen der Prognosen zu Gewinnmitnahmen kommt.
Das Volumen der Call- Optionsscheine hat sich weiter gesteigert, auf fast 38 Millionen, eine Vervierfachung zur Vorwoche.

Viele glauben, dass die Spekulation der Kleinanleger letztlich durch Gegenspekulationen von Großanlegern ausgebremst werden dürfte.
Dies könnte sich aber als Irrtum erweisen. Die Regulation hat es zugelassen, dass eigentlich verbotene „Naked Shorts“ ausgeufert sind. Bei einer Shortquote von über 100 Prozent in Relation zu den frei verfügbaren Aktien, kann man Hedgefonds in den Ruin treiben, denn woher soll man die um 1000 Prozent und mehr gestiegenen Aktien herbekommen?
Das ganze Drama wird erkennbar, wenn man sich die gigantischen Shortwetten gegen Werte aus dem Russell 3000 betrachtet. Die Hedgefonds sind aber auch in anderen Ländern aktiv. Derartige Übersichten machen in Finanzkreis mehr denn je die Runde, die Jagd wird weitergehen.

Welcher Hedgefonds wird dieses Kesseltreiben nicht überleben? Ungefährlich ist die Lage natürlich auch nicht für Neobroker, wie RobinHood.

Der Januareffekt

Wie ich in meinem letzten Montagsartikel schon gemutmaßt hatte, war der so genannte positive Januareffekt noch nicht in trockenen Tüchern.

Der S&P 500 hatte das Jahr mit 3756 Punkten geendet und ist am letzten Tag des Monats noch unter dieses Niveau gefallen: 3714 Punkte

Ebenso haben eine negative Monatsbilanz:

  • Dow Jones 30.606 zu 29.982 Punkte
  • Dax: 13.708 zu 13.432 Punkte
  • Einzig der Nasdaq 100 konnte noch ein paar Pünktchen über die Zielgerade retten: 12.888 zu 12.925 Punkte

Sollte der Spruch: „As goes January, so goes the years“ auch 2021 für die Aktienmärke gelten, wofür es für Dax und Dow immerhin eine 60-80-prozentige Wahrscheinlichkeit gibt, wäre die diesjährige Bilanz kein gutes Omen. Allerdings sind die Rückgänge nicht allzu signifikant.

Die Situation beim Dax

Es werden jetzt viele Charttechniker melden, dass der Dax die Zone bei 13.500 Punkten nicht halten konnte, die für Monate der Deckel für den Leitindex gewesen ist. In einer Range von 12.300 Punkten unten und 13.500 Punkten oben, hatte er 2020 monatelang gependelt. Dann der Durchbruch vor Weihnachten und die neue Zone zwischen 13.500 Punkten und dem Allzeithoch von 14.132 Punkten. In der letzten Woche wurde der neue Bereich nach unten verlassen. Die Börsenampel für den Dax ist bei vielen Technikern von grün auf gelb oder sogar auf rot umgesprungen. Sollte sich der Markt nicht stante pede wieder in die alte Range zurückbewegen, dürfte sich die Korrektur ausweiten.

Fazit

Die letzte Woche hat deutlich aufgezeigt, dass Entwicklungen aus dem Ruder gelaufen sind, die jederzeit eine größere Korrektur, aber auch eine längere Abwärtsphase der Aktienmärkte einleiten können.

Es gibt aus meiner Sicht zwei sehr wesentliche Gefahrenquellen: Wenn sich die Korrektur fortsetzt, was passiert dann, mit den fast 38 Millionen Call-Optionen? Wenn diese teilweise verkauft werden müssen und ein Margin Call zum Verkauf anderer Positionen zwingt? Wenn die Market Maker zusätzlich den Basiswert (das so genannte Underlying) verkaufen, weil es keiner Hedges mehr bedarf? Was ist mit den Hedgefonds, die sich stark in Leerverkäufen engagiert haben und auf die weltweit von den Kleinen und Großen zugleich Jagd gemacht wird, aufgrund deren erkennbarer Verwundbarkeit? Die Zwangslage bei vielen Short Squeezes führt zu ebenso vielen Eindeckungen zu total überhöhten Kursen und zu Verlusten, die wiederum den Verkauf von gut gelaufenen Assets nach sich ziehen wird. Immer wieder droht das Thema „Margin Call“, für Kleine und Große. Schlussendlich könnte auch ein Großer (Hedgefonds) oder auch eine Neobroker umfallen (wie RobinHood), mit dem berühmten Lawineneffekt.

Eine völlig undurchsichtige Situation, weil weder Marktteilnehmer noch Aufsichtsbehörden einen Einblick in die Schattenbranche haben. Kurzum: Auch wenn der monetäre Faktor, der Anstieg der Geldmenge durch die Notenbanken, noch weiterhin die Aktienmärkte gewaltig stützt, hat sich eine Gemengelage mit großer destruktiver Kraft für die Börsen entwickelt. Im Gegensatz zu den vielen Charts, die von den Warnern seit Wochen herumgereicht werden, die schon deshalb ihre Wirkung verfehlt haben, weil sie dem Markt bekannt sind (auch wenn viele Marktbeobachter glauben, daraus in einem reflexiven Markt Schlüsse ziehen zu können), gibt es hier ein Minenfeld, welches nicht eingegrenzt werden kann. Und was machen Politik und Aufsichtsbehörden? Börse hasst Unsicherheit, ein blöder Börsenspruch, denn wann war die Vorhersage der (Börsen)Zukunft je sicher? Aber aktuell dürfte etwas dran sein.

Oder anders ausgedrückt: Wenn sich die Aktienmärkte in der neuen Woche nicht rasch erholen, ist die Korrektur da – und wird sich ausweiten.

Die Ampel für die Aktienmärkte springt auf gelb



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1 Kommentar

  1. Dieser Artikel sollte man mal den Politikern, Bankberater und nicht zuletzt EZB-Verantwortlichen zum lesen geben, die immer behaupten, dass das Volk halt bei Nullzinsen mit Eigeninitiative in den Aktienmarkt gehen müsse, um eine vernünftige Altersvorsorge sicherstellen zu können.

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