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Aktienmärkte: Die US-Präsidenten und die Börsenentwicklung

Derzeit gibt es für viele Analysten und ihre Häuser ein großes Thema: Wie wird der Ausgang der US-Wahlen die Entwicklung der Aktienmärkte beeinflussen, durch veränderte Steuern, durch Stimulusprogramme und Weiteres? Dass dies wieder einmal sehr viel „Noise“ bedeuten wird, der in relativ kurzer Zeit seine Wirksamkeit verlieren wird, zeigen historische Zyklen, mit den unterschiedlichen Präsidentschaftskonstellationen.

Aktienmärkte: Kein Präsident regiert gegen die Interessen der Wall Street

Klar ist der Ausgang der Wahlen momentan von überragendem Interesse für die Finanzwelt. Fleißig werden Biden- oder Trump-Depots vorgestellt mit Aktien, die von dem jeweiligen Gewinner profitieren sollten. Dabei gibt es selbst bei Kenntnis des Siegers viele Unwägbarkeiten:

Welche Konstellation ergibt sich im Kongress? Welche seiner Wahlversprechen kann er überhaupt durchsetzen, gegenüber der eigenen Partei, dem Kongress und vor allem gegenüber der Wall Street? Wie werden die Aktienmärkte und ihre Sektoren nach dem Wahltag überhaupt reagieren? Es wird immer unterschätzt, dass der Markt ein selbstreflexives Gebilde darstellt, welches stets ein Ergebnis zu antizipieren versucht. Dazu noch ein Blick in die jüngere Vergangenheit. Als Barrack Obama gewählt wurde, gab es nicht wenige, die einen großen Einbruch an der Wall Street prognostizierten, eben weil die Ideen des neuen Präsidenten so radikal waren. Was folgte war ein langer Bullenmarkt mit weit über 100 Hochs im S&P 500.

Beim Sieg von Donald Trump sprachen einige sogar von einem möglichen Crash der Aktienmärkte. Bis zum 2. September 2020 gab es jedoch nicht weniger als 130 neue Höchststände beim amerikanischen Leitindex.

Kurzum: Der langfristige Trend der Aktienmärkte ist seit vielen Jahrzehnten positiv, egal bei welchem Präsidenten.

Kürzlich lautete ein sarkastischer Kommentar auf FMW: „Auch Nancy Pelosi sitzt auf einem Berg von Aktien“, ergo werden sie und ihre Parteifreunde sich nicht selbst schädigen. Quod esset demonstrandum!

Der langfristige Aufwärtstrend

Hier eine Übersicht über die Präsidentschaftszyklen seit der großen Wirtschaftskrise. Die große Unterschiede ergeben sich zumeist durch externe Faktoren wie Inflation, Zinsen, Kriege oder Terroranschläge.

Die Zuflüsse in die Aktienmärkte

Interessant ist die Höhe der Aktienkursentwicklung unter Berücksichtigung der politischen Gewichtungen im Kongress:

Nach dem Ende der Weltwirtschaftskrise 1933 bis heute, ergaben sich folgende prozentuale Gewinne für die Aktienmärkte:

Kongress demokratisch – Präsident Republikaner: 4,9 Prozent p.a.
Kongress demokratisch – Präsident Demokrat: 9,3 Prozent p.a.
Kongress republikanisch – Präsident Republikaner: 12,9 Prozent p.a.
Kongress republikanisch- Präsident Demokrat: 13,0 Prozent p.a.
Senat republikanisch – Repräsentantenhaus demokratisch – Präsident Republikaner: 13,4 Prozent p.a.
Senat demokratisch – Abgeordnetenhaus republikanisch – Präsident Demokrat: 13,6 Prozent p.a.

Damit wäre für Börsianer aus historischer Sicht ein Sieg Bidens mit einem republikanischen Regulativ im Abgeordnetenhaus nicht der schlechteste Wahlausgang.

Die Einbrüche in den Zyklen

In jedem Präsidentschaftszyklus seit 1933 gab es natürlich zwischenzeitliche Kurseinbrüche.

Erstaunlicherweise fiel dieser beim schwachen Jimmy Carter in seiner kurzen Amtszeit mit minus 17,1 Prozent am moderatesten aus, gefolgt von Bill Clinton mit minus 19,3 Prozent im 8-Jahreszyklus. Die größten Rückschläge musste Franklin Roosevelt hinnehmen, mit minus 54,5 Prozent, bedingt durch den Zweiten Weltkrieg und George W. Bush mit 51,9 Prozent, mit zwei gewaltigen Schocks: Dem 11.September 2001 und der Finanzkrise 2007. Der aktuelle Präsident Trump liegt mit dem Corona-Crash von minus 33,9 Prozent an dritter Stelle, wenngleich die derzeitige Situation schon eine sehr besondere darstellt.

Was beeinflusst die Börsenentwicklung?

Natürlich hat ein US-Präsident in einem demokratischen System eine große Machtstellung. Als oberster militärischer Befehlshaber, durch sein Vetorecht, die Befugnis entscheidende Stellen in der Exekutive, aber auch in der Judikative (Oberster Gerichtshof) nach seinem Gusto zu besetzen. Aber um Gesetze voranzubringen, braucht er den Kongress mit den Mehrheiten und er braucht die Wall Street. Woher kommen die vielen Wahlkampfspenden, die Unterstützung der Gouverneure und Senatoren? Wer hatte von Trumps großer Steuerreform besonders profitiert und wer hat die zugrunde liegenden Regelungen konzipiert (Ex-Goldman-Direktor Mnuchin)?

Die Performance der Aktienmärkte in einem Präsidentschaftszyklus hängt auch davon ab, in welchem Stadium sich ein Wirtschaftszyklus befindet. Manch ein Präsident profitierte von einem langen Bullenmarkt wie Reagan oder Clinton. Bei anderen kommen schwere Kriege und Krisen dazwischen (Roosevelt) oder Bush junior, in dessen Amtszeit der 11. September plus die Finanzkrise fiel.

Langfristig sind die Aktienmärkte immer gestiegen, aber was erwartet den alten oder neuen Präsidenten im kommenden Jahr? Ein Jubeljahr wegen des Sieges über Covid-19 – oder noch ein längerer Kampf gegen die Infektionskrankheit und gegen die Arbeitslosigkeit? Und noch viele weitere Unbekannte, Deflation oder Stagflation oder Inflation, who knows?

Fazit

Wenn man sich die Auswertung der Präsidentschafts- und Börsenzyklen betrachtet, könnte man zu der Ansicht gelangen, dass sich die jetzigen und zugleich hitzigen Diskussionen um die Folgen der US-Wahlen als für die Aktienmärkte langfristig relativ nutzlos herausstellen werden. Was wird der künftige Präsident politisch überhaupt umsetzen können, was machen Zinsen und Inflation und wie reagiert die Wall Street auf das Wahlergebnis mit ihrem überragenden System des Lobbyismus. Bis es soweit sein wird, ist die jetzige Diskussion auch schon wieder vergessen – auch das ist systemisch bedingt.

Was nicht bedeutet, dass man in Bälde nicht doch eine heftige Korrektur der Aktienmärkte sehen könnte. Diese dürfte aber an anderen Faktoren liegen, die zumeist nicht unmittelbar mit der Präsidentschaft zusammenhängen. Ein Präsident hat mit seinem Programm anscheinend nicht den ganz großen Einfluss auf die Börse. Wurde der so beliebte Barrack Obama nicht in seiner zweiten Amtsperiode vom Kongress so sehr kaltgestellt? Und warum gab es zwei große Einbrüche in der Ägide Trumps? Wegen eines starken Zinsanstiegs (2018) und eines externen Schocks (Covid-19), beides aber hatte nichts mit ihm zu tun.

Welchen Einfluß haben US-Präsidenten auf die Aktienmärkte?



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