Indizes

Aktienmärkte: Geht die Korrektur ungebremst weiter?

Waren die Abverkäufe der Aktienmärkte und speziell bei Aktien wie etwa Tesla schon groß genug, oder besteht noch großer Korrekturbedarf in vielen Depots?

Vor knapp einer Woche konnte man noch auf eine beeindruckende Performance der Aktienmärkte im Monat August zurückblicken (bester August seit 1986) – beziehungsweise auf zwei Sommermonate, die extrem gute Entwicklungen der Indizes gebracht haben, bei Einzelwerten sogar exzessive Anstiege (u.a. Aktiensplits bei Tesla und Apple).

Bei meiner kleinen Zwischenbilanz in der lezten Woche wurde auf eine notwendige Korrektur hingewiesen, wegen der Exponentialität der Kursanstiege und der extremen Positionierung der Käufer am Optionmarkt in Kaufoptionen. Es kam, wie es kommen musste – die Korrektur der Aktienmärkte hat eingesetzt, außergewöhnlich passgenau mit dem Eintritt in den Börsenmonat September, auch wenn die Vorhersage sehr von Zufall oder Glück geprägt war. Aber waren die Abverkäufe der Aktienmärkte und speziell bei den Spekulationsobjekten schon groß genug, oder besteht noch großer Korrekturbedarf in vielen Depots?

Aktienmärkte und die extreme Call-Spekulation

Vor einer Woche hatte ich die Situation so beschrieben:

„Der Monat August wird damit nicht nur der fünfte Anstiegsmonat beim S&P 500 in Folge, sondern sogar der beste August seit 1986. Die Rede ist vom mit Abstand größten Index der Welt, der es fast auf eine Marktkapitalisierung von einem Drittel aller Aktien der Welt bringt. Eine Korrektur des steilen Anstiegs wird kommen müssen, in den Wochen vor der Wahl, eine Fortschreibung der Charts würde in gewaltige Höhen führen, nach einem Kursanstieg von 30 Prozent der Billionen-Dollar-Aktie Apple binnen eines Monats – bei Tesla waren es gleich 45 Prozent. Denn sonst wären wir kurstechnisch endgültig in Extremistan angekommen, wie es Nassim Taleb bezeichnen würde.“

Dass es so schnell gehen würde, wie ab Mitte der Woche, war natürlich nicht genau vorhersehbar, denn ein exaktes Timing ist Glücksache, auch wenn es immer versucht wird. Aber neben den Spekulationen auf die großen Tech-Werte, die als große Gewinner der Coronakrise identifiziert und gekauft wurden, gab es einen ganz großen Kurstreiber, der zwar öfters angesprochen, aber nicht richtig quantifiziert werden konnte: Es gab nicht nur eine fast schon historisch niedrige Absicherung der Depots mittels Verkaufoptionen, sondern zugleich unglaublich viele Käufe von Calls (99 Prozent), mit großen Hebeln und von sehr vielen unerfahrenen Anlegern.

Mit sehr großen Folgen und Konsequenzen, nicht nur für die Käufer der Derivate, sondern für die Aktienmärkte ingesamt. Die große Spekulation auf steigende Kurse, bei welchem Basiswert auch immer, löste bei den Market Makers am Terminmarkt eine unweigerliche Kettenreaktion aus. Der so genannte Stillhalter, der von der Prämieneinnahme auf die Option lebt, muss sich nach dem Verkauf des Calls gegenüber der Position absichern, damit zugleich die Aktie erwerben, da er aufgrund des Optionsrechts des Käufers auch liefern können muss. Die Option gewinnt aufgrund des Hebels exponentiell an Wert. Folge: Ständige Nachkäufe von immer teureren Underlyings (Gamma-Squeeze).

Aber anscheinend waren nicht nur die Kleinen am Optionsmarkt am Spekulieren auf steigende Kurse, denn vor dem Wochenende geisterte folgende Meldung über die Ticker: Wie die Financial Times und das Wall Street Journal berichteten, hat die japanische Softbank massiv Aktienoptionen auf Technologie-Titel gekauft und damit den Markt künstlich befeuert. Kaufoptionen im Wert von vier Milliarden Dollar. War nicht die Softbank Group ein Ankerinvestor bei Wirecard und hatte dem inzwischen insolventen Dax-Unternehmen noch im letzten Jahr mit einer Geldspritze von 900 Millionen Euro geholfen? Wozu waren die Optionskäufe gedacht?

Die Hausse nährte die Hausse – in einer weiteren Variante

Das bedeutet aber im Umkehrschluss, dass die so gehypten Aktien bei einer größeren Korrektur auf den Markt geworfen werden, weil die Option massiv an Wert verloren hat und der Market Maker die große Stückzahl an Aktien nicht mehr benötigt – ganz im Gegenteil. Die manchmal aus heiterem Himmel losgetretene Lawine wird von mehren Seiten verstärkt. Dazu kommt noch die Sicherheitsleistung, auch Margin genannt.

Der gefürchtete Margin Call

Die Anbieter am Markt setzen mit schöner Regelmäßigkeit einen Mechanismus in Gang, um es einem Depotinhaber zu ermöglichen, auch mit einem kleineren Depot größere Gewinne zu erzielen.

Sei es beim Kauf von Optionen, wo eine bestimmte Sicherheitsleistung hinterlegt werden muss, wegen des erheblichen Kursänderungsrisikos bei gehebelten Produkten oder auch bei Wertpapierkrediten bei normalen Aktienkäufen, in dem man Papiere auf Pump kaufen kann, um bei einem Anstieg auch mit einem Hebel über eins nach oben zu partizipieren.

Sollte es aber zu größeren Korrekturen kommen, setzt der gegenteilige Effekt ein, durch den gefürchteten Margin Call: Der Depotinhaber wird zum Ausgleich aufgefordert (Nachschussverpflichtung durch Barmittel, die dann oft nicht vorhanden sind), oder durch Auflösen von Positionen. Damit stellt sich ein Effekt ein, der sich immer mehr verstärkt, desto größer der Rückschlag der Aktienmärkte ausfällt.

Wobei hier die Finanzmathematik unbarmherzig zuschlägt: Bei großen Rückschlägen steigen die Verluste überproportional zum eingesetzten Hebel. Übrigens ein Mechanismus, den man bei jedem Aktiencrash beobachten kann. Wenn es richtig kracht, wird alles verkauft, selbst Gegenpositionen wie Gold – weil man Mittel auftreiben muss, um zum Beispiel Margin Calls zu bedienen. So erklären sich manche Kursentwicklungen bei Cashs der Aktienmärkte in den letzten Jahrzehnten, bei denen man jedes Mal von der extremen Falltiefe überrascht wird. Selbst bei Indizes: ich erinnere mich immer noch an den Fall unseres Dax von 8069 bei seinem Hoch im Jahr 2000 auf 2202 Punkte als Crashtief im Jahre 2003..

Fazit

Die jetzige Situation mit den extrem scharfen Korrekturen – bei Apple von 137 auf 111 Dollar oder circa 400 Milliarden Dollar in der Spitze an Marktkapitalisierung, oder bei Tesla um fast ein Drittel des Aktienwertes – sind die logische Folge von Fahnenstangen-Charts. Parabolische Anstiege werden kaum mit moderaten Querbewegungen korrigiert. Bei dem Elektroautobauer Tesla hatte ich darauf hingewiesen, dass es keine drei Monate so weiter gehen kann, weil dann die Aktie einen höheren Wert erreichen würde, als alle Automobilproduzenten der Welt zusammen. Aber wie schwierig es gerade bei diesem Wert war, den Zeitpunkt der scharfen Korrektur vorherzusehen, mussten Leerverkäufer im Zuge der Entwicklung des Titels von 500 auf über 2000 Dollar (splitbereinigt) erleben und teuer bezahlen.

Jetzt stellt sich die große Frage, wie tief die Korrektur der Aktienmärkte noch gehen kann? Unabhängig von Stopploss-Orders zur Sicherung von Gewinnen spielt hier der Verfallstermin am 18. September eine große Rolle. Wie groß ist noch die Lawine aus Schieflagen der Call-Optionskäufer, der Market Maker und infolge von Margin Calls? Wann sind die Depots wieder ausgeglichen, wann die vielen Positionen in Extremlagen geschlossen, was in der Regel schon eine Woche vor einem Verfallstermin der Fall ist? Ist der Triple Witching Day am 18. des Monats der große Treiber an den US-Börsen?

Ergo: Eines ist sehr wahrscheinlich: „Volatilität ante portas“, im Monat September und wahrscheinlich auch darüber hinaus bis zu den Wahlen.

Aber jetzt zu prognostizieren, dass die Aktienmärkte von einer Korrekturphase (minus 10 Prozent) gleich in einen Bärenmarkt (> minus 20 Prozent) abstürzen wird, ist aus meiner Sicht nicht seriös. Denn dagegen sprechen zwei Mechanismen: Zum einen beginnen sich Investoren bereits stark mit Verkaufsoptionen abzusichern, was sofort gleich gleich wieder kleine Short Squeezes (Eindeckungsrallys durch erzwungene Aktienkäufe) auslösen könnte, sollte der zweite Unterstützungsfaktor wirken: Fiskalische Unterstützung durch die US-Regierung, zum Beispiel durch das fünfte Konjunkturpaket, oder auch verbale Unterstützung durch die Federal Reserve. Wobei ich mir ziemlich sicher bin, dass Fed-Chef Jerome Powell bei der jetzigen Korrektur sogar ein bisschen aufgeatmet hat. Die Aktienmärkte haben ohne äußere Einwirkung selbst Luft aus der immer größer geworden Aktien-Bubble abgelassen. Denn ein richtiger Crash der 40 Billionen Dollar schweren amerikanischen Aktienmärkte würde alle Maßnahmen von staatlicher Seite zur Stützung der Konjunktur, des Arbeitsmarktes und des Konsums in den USA ins Leere laufen lassen.

Da braucht man sich nur die vergleichbaren Summen gegenüber zu stellen: Was ist eine exzessive und historische Ausweitung der Fed-Bilanz von drei Billionen Dollar binnen eines halben Jahres gegen einen veritablen Aktiencrash?

Wie weit geht die Korrektur der Aktienmärkte?



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1 Kommentar

  1. Genau@Wolfgang Müller.
    Es geht ja schon wieder mächtig aufwärts…
    Buy The Dip bis ans Ende unserer Tage. Übermorgen 13.500 resp. 29.000.
    Der FMW-Schnellindikator zeigt übrigens für Eilige auf einen Blick:
    Das Wort „Korrektur“ (Einbruch, fallen) in der Headline mit Fragezeichen = 2-3 Prozent aufwärts
    Headline ohne das Wort „Korrektur“, „Einbruch“, „fallen“ = 4-5 Prozent aufwärts
    Krall/Dirk Müller/Florian Homm im Interview plus großformatige Bilder = Shortsqueeze steht bevor
    Headline mit „Panik“, „Blase“, „rechtzeitig“, „Crash böse“, „tiefer Einbruch“, „rote Vorzeichen“ = Dax minus 55 Punkte, Dow minus 105 Punkte

    Schöne Panikwoche den geneigten Lesern!

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